Iodaracing: Viele Flops und gescheiterte Projekte

Von Günther Wiesinger
Alex De Angelis auf der Ioda-Aprilia 2015

Alex De Angelis auf der Ioda-Aprilia 2015

Das Team Iodaracing spielte in der MotoGP-WM nie eine grosse Rolle. Nach vier MotoGP-Jahren wird mit Aprilia in der Superbike-WM ein Neuanfang gemacht.

Das Iodaracing-Team von Giampiero Sacchi verabschiedet sich aus der MotoGP-WM zu den Superbikes. Es stand schon nach der Saison 2014 vor dem finanziellen Abgrund.

Der Weiterbestand des Octo Iodaracing-Teams war schon im Herbst 2014 monatelang nicht gesichert. Dem Teamchef stand das Wasser bis zum Hals.

Teambesitzer Sacchi hatte mehrmals hoch gepokert. Zuerst hoffte er, er könne für BMW den Brückenkopf in der MotoGP bilden. Als Jorge «Aspar» Martinez Ende 2013 von ART-Aprilia auf Honda umstieg, spekulierte Sacchi damit, 2015 oder 2016 das Aprilia-MotoGP-Werksteam zu übernehmen, deshalb wechselte er von Suter-BMW zu Aprilia. Bei diesem Deal mit Aprila Racing kam ihm aber Fausto Gresini zuvor. Und auch der Verkauf der beiden Teamplätze an Suzuki für 5 Millionen scheiterte.

Deshalb blieb Iodaracing jetzt nichts anderes übrig, als in die Superbike-WM umzusteigen und dort die Aprilia-Fahne hochzuhalten. Denn durch den letzten Platz im IRTA-Ranking 2015 gingen alle finanziellen MotoGP-Zuschüsse für 2016 verloren. Und die Durststrecke bis zur Saison 2017, wenn bis zu 2,8 Millionen pro MotoGP-Fahrer winken, wäre zu lang und nicht finanzierbar gewesen.

Sacchi, der ehemals mächtige General Manager der Rennabteilungen des Piaggio Konzerns (er war zuständig für Aprilia, Derbi und Gilera) hat sich mit seinem eigenen Rennstall finanziell zu weit aus dem Fenster gelehnt und zu viele Projekte verbockt.

Iodaracing fuhr 2014 in der Moto2-WM mit Randy Krummenacher in der Moto2-WM auf Suter, in der MotoGP-Klasse mit ART-Aprilia und Dani Petrucci, für den fix engagierten zweiten Fahrer Leon Camier hatte Sacchi schon im Februar 2014 nicht mehr genug Geld, er wurde entlassen, sein Vertrag einfach kurz vor der Saison aufgelöst.

2014 ist auch durchgesickert, dass bei Iodaracing viele bedauernswerte Mechaniker und Mitarbeiter monatelang keinen Lohn gesehen haben. Dazu gehörte auch Danilo Petruccis gleichnamiger Vater, der als Lkw-Chauffeur agierte.

Die Teamvereinigung IRTA hat Sacchi damals eine Frist gesetzt: Wenn er bis 15. November 2014 die ausstehenden Löhne nicht bezahlen würde, würde ihm der Verlust des MotoGP-Teamplatzes für 2015 drohen, womöglich würde er auch den Moto2-Platz einbüssen, obwohl für Florian Alt damals für 2015 bereits einen Moto2-Vertrag bei Iodaracing in der Tasche hatte.

Schliesslich bekam Iodaracing trotzdem wieder beide Startplätze für 2015, Sacchi musste nur das Gehalt von MotoGP-Crew-Chief Gianni Sandi bezahlen, der einen kugelsicheren Vertrag hatte.

«Sacchi erzählt uns jeden Tag ein anderes Märchen. Ich glaube ihm nichts mehr», erklärte Randy Krummenacher damals. Heute weiss er: Seine rund 500.000 Euro-Mitgift wurde nur zu einem geringfügigen Teil ins Moto2-Projekt investiert.

2013 fuhr Johann Zarco bei Iodaracing in den Moto2-WM noch den neunten WM-Rang heraus. 2014 folgte der Absturz in die Bedeutungslosigkeit: 20. WM-Rang mit 13 Zählern für Petrucci, 24. WM-Rang mit 24 Punkten für Krummenacher. Wegen der fehlenden Erfolge wurde Iodaracing der erwünschte zweite Moto2-Teamplatz für 2015 vorenthalten.

Iodaracing wollte für die MotoGP-WM 2015 Hiroshi Aoyama engagieren, doch der Japaner zog es vor, ein Angebot als HRC-Testfahrer anzunehmen. Also wurde Alex De Angelis angeheuert.

Der Sanmarineser und dreifache Moto2-GP-Sieger musste in der MotoGP-WM 2015 mit den lahmen ART-Aprilia-Claiming-Rule-Bikes antreten, die sich technisch auf dem Stand von 2012 befanden. Motto: «In die Punkteränge kommen wir auch mit besserem Material nicht.»

Im Herbst 2015 wollte De Angelis unbedingt besseres Material für den Rest der Saison, am liebsten schon für Misano, aber Sacchi fand kein Budget für die 2015-Aprilia-RS-GP-Werksmaschinen. De Angelis musste dann die Saison nach dem schweren Sturz in Motegi frühzeitig beenden; er hatte bis dahin nur zwei Punkte erobert.

Drei Klassen, etliche Flops

Der Abstieg des Rennstalls von Giampiero Sacchi begann 2012, als er sein Team in allen drei Klassen antreten liess und bei Robby Moto Engineering in Italien einen eigenen Moto3-Motor namens EMIR bauen liess. Es wurde ein Riesenflop. Das hoffnungslose Projekt wurde am Saisonende eingestellt. Die enormen Entwicklungskosten wurden in den Sand gesetzt. Der Motor war zu schwach und nicht standfest.

Und wie war Sacchi auf den Namen EMIR gekommen? «Eines Tages stand ich an einer Tankstelle und dachte über dieses kostspielige Moto3-Projekt nach», erzählte er. «Da dachte ich: Man müsste ein Emir sein, um all diese Rechnungen bezahlen zu können.» Sacchi dürfte der Moto3-Flop mit EMIR rund 1 Million Euro gekostet haben. Es war der Anfang vom Ende.

Sacchis Hintergedanke: Er wollte als Moto3-Teamchef endlich einen Werksmotor haben und um die WM fighten und sich mit käuflichem Material von Honda oder KTM abspeisen lassen.

MotoGP: Von Aprila zu BMW und zurück zu Aprilia

2012 konstruierte das Iodaracing-Team für den Beginn der Claiming-Rule-Ära ein Stahlchassis für MotoGP-Pilot Danilo Petrucci, die selbst getunten Aprilia-Superbike-Serienmotoren waren 35 km/h zu langsam. Im September 2012 stieg Petrucci auf Suter-BMW um, Sacchi träumte davon, für die Weiss-Blauen eines nahen Tages das BMW-MotoGP-Werksteam bilden und in Geld schwimmen zu können. BMW-Manager Bertl Hauser machte ihm mit seinem Auftrtt bei der Teampräsentation im Frühjahr 2013 gewisse Hoffnungen.

Als sich die BMW-Pläne in Luft auflösten, hoffte Sacchi auf die Bildung und Übernahme des Aprilia-MotoGP-Werksteams für 2015 oder 2016, auch diese Träume zerschlugen sich. Sacchi hinterliess viel verbrannte Erde – und einige offene Rechnungen. Denn einerseits zahlten manche Sponsoren (wie Pure Energy Drink 2013) ihre Rechnungen nicht, anderseits sprangen Sponsoren wie Came und Octo ab.

Schon 2013 erzählte Eskil Suter von offenen Chassis-Rechnungen aus der MotoGP-Klasse, damals fuhr Ioda mit Petrucci und Pesek. Sacchi berief sich auf ausgebliebene Sponsorzahlungen.

Das Unternehmen Iodaracing Project leistete sich auch andere Flops. Beim Catalunya-GP 2013 wurde die neue Iodaracing-Honda TR004 für die Moto3-Klasse vorgestellt, sie hatte einen Honda NSF 250R-Motor eingebaut statt des gescheiterten Eigenbau-Emir-Triebwerks.

Luis Tintorè und Adelio Francia, die beiden Iodaracing-Ingenieure, wollten sogar Johann Zarco (er war 125-ccm-WM-Zweiter 2011 im Ajo-Team) für intensive Testfahrten gewinnen. Immerhin fuhr er damals bei Ioda die Moto2-WM.

Die Iodaracing TR 004 war die vierte Version der hauseigenen Ioda-GP-Motorräder. Das Bike wurde in Terni bei Rom von den Technikern des Teams entwickelt. Beim Chassis konnten Anleihen von den Modellen Ioda TR001 und TR002 genommen werden, sie sind 2012 bereits bei Moto3-WM Rennen eingesetzt worden – auch von Jonas Folger. Die Version TR003 war jene Claiming-Rule-Maschine mit Stahlchassis und Aprilia RSV4-Motor, die Danilo Petrucci 2012 vom Saisonstart bis September in der MotoGP-WM einsetzte, ehe er in Misano auf eine Suter-BMW wechselte.

Die TR004 sollte als Production Racer für die WM und nationale Rennen angeboten werden. Die Preise für komplette Maschine lagen bei rund 110.000 Euro – doch es fanden sich keine Abnehmer.

Die MotoGP-Misere

Danilo Petrucci hat seinen Fahrervertrag bei Ioda für 2014 nie unterschrieben und dadurch schweren Herzens auf seine kümmerliche Gage von 30.000 Euro verzichtet, die er dadurch nie einklagen konnte. Er fuhr das ganze Jahr zum Nulltarif. Dafür konnte er dann im September immerhin sofort zugreifen, als das Angebot von Pramac-Ducati für die Saison 2015 kam.

«Sacchi hat mir schon in Assen empfohlen, ich solle mir für 2015 ein neues Team suchen», erklärte Petrucci gegenüber SPEEDWEEK.com.

Aus Dorna-Kreisen war zu hören, Sacchi habe seine beiden MotoGP-Teamplätze schon 2013 Suzuki zum Kauf angeboten – zum Phantasiepreis von 5 Millionen Euro. Die Japaner lehnten dankend ab, sie bekamen die zwei Teamplätze für 2015 kostenlos, mussten aber im ersten Jahr (2015) auf die Dorna-Zuschüsse verzichten. Doch die machten maximal 2 Millionen aus.

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