Fernando Alonso: McLaren zum Sieg bereit, Honda nicht

Von Mathias Brunner
​McLaren-Star Fernando Alonso zerfetzt Honda in der Luft: «Wir verlieren auf den Geraden zwischen 30 und 40 km/h, für mich gehen die meisten Kurven voll. Jetzt erwarte ich eine starke Reaktion.»

Fernando Alonso ist am sechsten Testtag von Barcelona der Drittletzte. Er liegt 3,7 Sekunden hinter dem Tagesbesten Valtteri Bottas im Mercedes. Und der Spanier hat langsam die Faxen dicke.

«Wir erfüllen unsere Erwartungen nicht», beginnt der Weltmeister von 2005 und 2006. «Wir sind zu wenig zum Fahren gekommen, und wir sind zu langsam. Auf der anderen Seite sind wir hier beim Wintertest. Ich erinnere an Red Bull Racing in der Saison 2014. Die haben kaum mehr als ein halbes Dutzend Runden am Stück gefahren während der Wintertests. Und im späteren Verlauf der Saison haben sie drei Grands Prix gewonnen. Was ich damit sagen will – die Saison ist lang genug, um Boden gutmachen zu können. Wir haben Zeit zum Reagieren.»

«Aber es lässt sich nicht verheimlichen – glücklich sind wir nicht. Wir können keinem weismachen, dass alles in Butter sei. Wir können unser Programm nicht wie geplant abspulen. Jeden Tag haben wir Probleme, so dass gewisse Aufgaben jeweils auf den nächsten Testtag verschoben werden müssen. Dann kommen neue Probleme, und wir geraten noch weiter in Rückstand. Das geht immer so weiter. Mit dem Mangel an Runden kommt ein Mangel an Erfahrung. Und jetzt haben Stoffel und ich noch je einen Testtag.»

McLaren-Honda scheint sich im Kreis zu drehen. Ein sehr problematisches Jahr 2015. Dann ein Aufwärtstrend 2016. Nun jedoch scheint die englisch-japanische Seilschaft wieder auf dem Stand von 2015 zu sein. Fernando ist nicht einverstanden: «2015 lagen wir noch weiter hinten. Die Situation ist eher wie Anfang 2016. Aber ich finde die Situation frustrierender. Wir haben ein neues Reglement, daher hatten wir grosse Hoffnungen, einen stattlichen Schritt nach vorne machen zu können. Wir haben gehofft, dass wir den Abstand zur Spitze um ein beträchtliches Stück verringern können. Das ist bislang nicht passiert.»

«Die Situation ist weit davon entfernt, ideal zu sein. Aber wir sind ein grosses Team. McLaren hat den Sport viele Jahre lang geprägt und zahlreiche WM-Titel erobert. Für mich ist das richtige McLaren ein Team, vor dem sich die Gegner fürchten. Du hast als Rivale immer gewusst: Mit McLaren ist stets zu rechnen, das ist ein Team, welches Probleme schnell lösen kann. Und genau das ist es, was wir nun tun müssen. Wir brauchen eine starke Reaktion, von allen, und zwar sofort. Wir müssen zusammenstehen. Aber ich erwarte eine Reaktion.»

Liegen die Schwierigkeiten wirklich nur am Honda-Motor? Was ist denn mit dem Chassis von McLaren? Fernando findet: «Das Chassis ist schwierig einzuschätzen. Wir können gar nicht angreifen, weil der Motor zu schwach ist. Das Fahrwerk fühlt sich gut an, das Chassis reagiert hervorragend auf Veränderungen, ich bin auch mit der Fahrzeugbalance zufrieden. Ich kann angreifen, es macht Spass, diese neue Generation von Autos zu fahren. Ich bin nicht der Meinung, dass wir vom Chassis her weit hinter den Gegnern herhinken.»

«Wir haben nur ein Problem – und das ist die Antriebseinheit. Der Motor ist nicht standfest, und er ist schwach. Wir sind auf den Geraden zwischen 30 und 40 km/h langsamer als die anderen. Auf jeder Geraden. Und wenn du um so viel hinterher hinkst, dann ist es schwierig, das wahre Gefühl für das Auto zu erhalten. Keiner kann sagen, was der Wagen macht, wenn wir richtig auf Speed wären.»

Es ist nachvollziehbar, dass Alonso eine sofortige Reaktion sehen will. Denn wenn Fernando eines nicht hat, dann ist es Zeit, nicht wahr? Alonso grient: «Ich glaube, das ist eher eine Frage für Honda. Ich selber habe alle Zeit der Welt. Ich bin besser vorbereitet als je zuvor hergekommen. Ich habe Spass am Fahren. Ich fühle mich stark. Ich kann meine Stärke einbringen bei diesen neuen Wagen, ich habe ein Auto, das knackig einlenkt, so wie früher zu den guten, alten Tagen der schnellsten Formel-1-Boliden. Ich selber fühle mich energiegeladen und auf der Höhe meiner Fähigkeiten. Aber ich habe keine Motorleistung.»

Zunächst gab es ein Problem mit dem Öltank, dann ein gravierendes Problem mit dem Motor, Honda hat sich dazu noch immer nicht geäussert. Heute dann ein ausserplanmässiger Batteriewechsel. Aber Alonso meint: «Wir machen Fortschritte. Mit jeder Runde, die wir zurücklegen können, sammeln wir weitere Informationen. Es geht vorwärts, aber zu langsam! Die Schwierigkeiten mit dem Öltank waren ein Amateur-Problem.»

«Wir haben die Situation dann in Sachen Power und Standfestigkeit ein wenig verbessern können. Aber wir kommen nicht genug zum Fahren. Und in dieser Phase des Winters entdeckst du über dein Auto ständig Neues. Vielleicht eine zu hohe Temperatur bei den hinteren Bremsen. Oder ein Stück Verkleidung, das zu eng sitzt. Das sind aber alles Dinge, die man normalerweise am ersten oder zweiten Wintertesttag aussortiert. Da wir jedoch jeden Tag nur vierzig Runden oder so fahren können, sind wir auf dem Stand vom zweiten Testtag.»

«Für Australien mache ich mir noch keine Sorgen. Ich bleibe davon überzeugt, dass der Rennstall für Melbourne bereit sein wird. Ich glaube daran, dass wir in Australien auf einem guten Niveau fahren können. Mein einziges Fragezeichen ist die Motorleistung.»
Auf die Frage, ob das Problem eher beim Verbrennungsmotor oder bei der Energierückgewinnung liege, antwortet Alonso: «Das ist eine Frage für Honda. Ich bin kein Motorentechniker – noch nicht, jedenfalls.»

Alle im McLaren-Zelt stellen sich die gleiche Frage: Wann explodiert der Spanier? Wie kann Alonso so ruhig bleiben, wenn ihm erneut ein Jahr durch die Finger zu rinnen scheint?

Fernando antwortet: «Ich verhalte mich immer antizyklisch. Wenn die Leute pessimistisch sind, dann bin ich optimistisch. Wenn die Leute aufgekratzt sind, dann mache ich mir Sorgen. Ich bin davon überzeugt, dass wir konkurrenzfähig sein werden. Ich weiss nur nicht, wann. Ich will bei der Musik sein, ich will Podestränge erobern. Ich will wieder Rennen gewinnen. Und wenn alles in die Hose geht, dann komme ich nächstes Jahr zurück und kämpfe noch verbissener. So eine Situation macht mich nur entschlossener. Ich werde den Sport nicht verlassen ohne ein gutes Gefühl, ohne jene guten Ergebnisse, die ich verdiene.»

«Wenn ich eines Tages aus dem Auto schaue und merke: Die anderen fahren die besseren Linien, sie bremsen später, sie gehen früher aufs Gas, sie starten flinker als ich – an jenem Tag werde ich aufhören, weil ich weiss, es ist Zeit für mich. Aber was ich heute auf der Rennstrecke sehe, das ist genau das Gegenteil. Mehr denn je. Was ich von mir sehe, auch gemessen an den Anderen, das ist das Maximum.»

Mit der letzten Antwort im englischen Teil hat der Spanier die Lacher auf seiner Seite. Einer will wissen, ob Fernando die schnelle Rechtskurve 3 voll fahren könne. Alonso, ohne mit der Wimper zu zucken: «Bei unserem Speed kann ich so gut wie jede Kurve voll fahren!»

Einen Knaller hat sich Fernando dann noch für die spanischen Kollegen aufbewahrt. Auf die Frage, wo McLaren-Honda denn nun wirklich stehe, sagt Alonso knallhart: «Fast das ganze Team ist zum Gewinnen bereit. Nur Honda nicht.»

6. Testtag Barcelona, Mittwoch, 8. März

1. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W08, 1:19,310 (70 Runden)?
2. Felipe Massa (BR), Williams FW40-Mercedes, 1:19,420 (63)
3. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari SF70H, 1:20,406 (53)
4. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB13-Renault, 1:20,432 (102)
5. Lance Stroll (CDN), Williams FW40-Mercedes, 1:20,579 (59)
6. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W08, 1:20,702 (79)
7. Nico Hülkenberg (D), Renault RS17, 1:21,213 (61)
8. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM10-Mercedes, 1:21,297 (100)
9. Carlos Sainz (E), Toro Rosso STR12-Renault, 1:21,872 (92)
10. Romain Grosjean (F), Haas VF-17-Ferrari, 1:21,887 (96)
11. Pascal Wehrlein (D), Sauber C36-Ferrari, 1:23,000 (59)
12. Fernando Alonso (E), McLaren MCL32-Honda, 1:23,041 (46)
13. Marcus Ericsson (S), Sauber C36-Ferrari, 1:23,384 (46)
14. Jolyon Palmer (GB), Renault RS17, 1:24,774 (29)

5. Testtag Barcelona, Dienstag, 7. März

1. Felipe Massa (BR), Williams FW40-Mercedes, 1:19,726 (168 Runden)
2. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB13-Renault, 1:19,900 (89)
3. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF70H, 1:19,906 (168)
4. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W08, 1:20,456 (49)
5. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W08, 1:20,924 (86)
6. Esteban Ocon (F), Force India VJM10-Mercedes, 1:21,347 (142)
7. Nico Hülkenberg (D), Renault RS17, 1:21,589 (58)
8. Kevin Magnussen (DK), Haas-VF-17-Ferrari, 1:21,676 (81)
9. Daniil Kvyat (RUS), Toro Rosso STR12-Renault, 1:21,743 (83)
10. Stoffel Vandoorne (B), McLaren MCL32-Honda, 1:22,537 (47)
11. Pascal Wehrlein (D), Sauber C36-Ferrari, 1:23,336 (47)
12. Marcus Ericsson (S), Sauber C36-Ferrari, 1:23,630 (53)
13. Jolyon Palmer (GB), Renault RS17, 1:24,790 (15)

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