Ferrari: Umfrage nur als Werkzeug für Politik?

Kolumne von Mathias Brunner
Schon bei der Weihnachtsfeier 2013 wurde tüchtig Politik gemacht

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Eine Umfrage von Ferrari unter 50.000 Fans soll ergeben haben: 83 Prozent der Fans fänden die neue Formel 1 enttäuschend. Wieso geht Ferrari mit so etwas an die Öffentlichkeit?

Das hat es noch nie gegeben: Ferrari, der berühmteste Rennstall der Welt, macht unter seinen Fans eine Umfrage und sieht sich genötigt, anschliessend dazu eine Medienmittelung um den Globus zu senden. Ergebnis: von rund 50.000 Fans fänden 83% die neue Formel 1 enttäuschend, vorwiegend deshalb, weil die Fahrer nicht voll fahren könnten und Benzin sparen müssten. Die Formel-1-Freunde seien überdies vom Motoren-Sound nicht überzeugt und fänden die Regeln verwirrend. Die negative Einstellung habe sich nach dem Malaysia-GP dramatisch verstärkt.

Wieso macht Ferrari damit Politik?

Was bezwecken die Italiener mit dieser Umfrage?

Sky-TV-Experte Marc Surer gibt zu bedenken: «Ferrari war in Melbourne und Sepang nicht siegfähig. Wie die Umfrage wohl ausgefallen wäre, hätten wir dort jeweils zwei Doppelsiege von Ferrari erlebt?»

Es fällt auf, wie Ferrari-Chef Luca Montezemolo systematisch gegen die neue Formel 1 Stellung bezieht. Er ermahnte in einem offenen Brief vor der Saison den Autoverband FIA zur Wachsamkeit bezüglich Schummeleien, er äusserte zuvor schon Befürchtungen, die Formel-1-Piloten würden zu Taxifahrern verkommen (was diese Gilde wenig schmeichelhaft fand, warauf sich der Spitzenmanager entschuldigen musste), er warnte davor, dass die Grands Prix zu Sparsamkeitswettbewerben verkämen.

Entschuldigen Sie, wenn ich vielleicht etwas verpasst habe – aber hat Ferrari dem neuen Reglement nicht zugestimmt? War Ferrari nicht einer von drei Motorenherstellern, die vom Autoverband FIA ein Durchflusslimit forderten?

Auch der vielzitierte Gipfel von FIA-Präsident Jean Todt, Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone und Ferrari-Chef Montezemolo hier in Bahrain – was soll er bringen?

Gut gemeinte Verbesserungsvorschläge für die Formel 1 sind nur Flickwerk, denn auch hier gilt die Faustregel: gut gemeint kann sehr oft zum Gegenteil von gut werden.

Seien Sie versichert: Jeder dieser drei mächtigsten Männer in der Formel 1 macht lediglich Politik in eigener Sache, es geht nie ums Wohl der Formel 1. Todt verteidigt seine grüne Formel 1, weil er sich damit ans Revers heften kann, mit der Zeit zu gehen. Ecclestone schiesst gegen die neue Formel 1, weil sie nicht sein Baby ist und weil er spürt, dass seine Macht im GP-Sport bröckelt. Montezemolo macht Stimmung, weil er vielleicht jetzt schon weiss, dass Ferrari erneut den WM-Titel nicht gewinnen wird.

Die Aussage von Fernando Alonso, die neue Formel 1 sei zu langsam, ist auch nur Stimmungsmache von Leuten, die dem klugen Spanier nicht genau genug zugehört haben. Der Weltmeister von 2005 und 2006 differenzierte nämlich: «Man muss der neuen Formel 1 schon etwas mehr Zeit geben. Es wird gute und schlechte Rennen geben, so wie es im Fussball gute und schlechte Spiele gibt. Ich liebe Fussball, aber ich finde jetzt ein 0:0 auch nicht übermässig aufregend. Fordere ich danach vielleicht Regeländerungen im Fussball? Gut, die 204er Autos sind langsamer. Für den Fahrer ist das weniger anstrengend, aber es macht auch weniger Spass. Ältere Fahrer wie Kimi, Jenson und ich haben diesen Vergleich noch. Für die Jungen fühlt es sich möglicherweise gar nicht so schlimm an, sie kennen ja nichts anderes. Ich kann jedoch nicht behaupten, dass ich die Rennen nicht geniesse. Rennfahren ist Wettbewerb, das Duell Mann gegen Mann. Am Ende ist es dabei nicht entscheidend, wie schnell die Autos sind.»

Das hat Alonso gesagt. Finden Sie nicht auch, das klingt etwas vielschichter als der reine Satz, die Formel 1 sei zu langsam?

Und was passiert nun mit unserem Sport?

Ich sage: Panikreaktionen sind unangebracht, kurzsichtig, dumm. Eine Diskussion über Änderungen für 2015 und darüber hinaus ist durchaus zu begrüssen. Ich behaupte ja nicht, dass alles an dieser neuen Formel 1 wundervoll sei.

Über die neue Formel 1 nur zu jammern, bringt nichts. Die Forderung nach Rückkehr zu V8-Motoren ist einfältig und hinfällig: Eine Abkehr von der Hybridtechnik wird es nicht geben.

In der Formel 1 wird sehr schnell der Panikknopf gedrückt. Bestes Beispiel: Erinnern Sie sich daran, wie wir alle über die hässlichen Fahrzeugnasen geschimpft haben? Wie lange ist das her? Sechs Wochen?

Wer spricht heute in Bahrain noch davon?

Keiner.

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