Wiggert Kranenburg vor TT-Debüt: Selbst Reeves hilft
«Weißt du eigentlich, dass dein Schwiegersohn an der Tourist Trophy teilnehmen will?» Mit dieser überraschenden Frage sorgte Tim Reeves vor zwei Jahren bei Eckart Rösinger für Stirnrunzeln, hatte er doch bis dahin nichts von diesem Ansinnen gewusst. Die Rücksprache bei Wiggert Kranenburg, damals noch Lebensgefährte, seit Dezember 2023 Ehemann seiner Tochter Dominique, ergab, dass er keinem Scherz des britischen Multi-Champions aufgesessen war.
Für Rösinger, der selbst auf eine lange Karriere als Seitenwagen-Fahrer und -Beifahrer zurückblicken kann, war schnell klar, bevor man sich an die Verwirklichung dieses Traumes machen konnte, musste die Zustimmung von seiner Tochter und seiner Frau eingeholt werden. Erst nach deren Okay klärte er sich bereit, das Projekt mit Rat und Tat zu unterstützen. Mit Vollgas wurde das für viele Fahrer größte Abenteuer, das der Motorradrennsport zu bieten hat, in Angriff genommen.
«Den Wunsch von Wiggert kann ich nachvollziehen, ich bin ja selbst bei der Tourist Trophy am Start gestanden. Ich helfe ihm nach Leibeskräften», erzählt Rösinger. «Es hat sich dann in Österreich ein kurzes LCR-Gespann mit Honda-Motor gefunden, das wir als geeignet angesehen haben.» Nachdem der Seitenwagen sorgfältig durchgecheckt und an die Maße des Niederländers angepasst wurde, konnte er sich 2023 daranmachen, erste Erfahrungen zu sammeln.
In den Wintermonaten von 2023 auf 2024 wurde das Gespann nochmals bis auf die letzte Schraube zerlegt, alles genau in Augenschein genommen, Teile getauscht und ein neuer Kabelbaum verbaut. «Wir haben auch die Sitzposition nochmals optimiert und einiges für die speziellen Anforderungen die Tourist Trophy adaptiert. Tim Reeves war dabei eine große Hilfe. Als erfahrener TT-Fahrer weiß er wie kein anderer, worauf es ankommt.»
Bei den kürzlich durchgeführten Testfahrten auf der französischen Rennstrecke in Val de Vienne hatte Kranenburg und sein Beifahrer Jermaine van Middegaal, der seit dem Sidecar Festival 2023 wieder im Boot seines Landsmannes sitzt, ausreichend Gelegenheit zur eingehenden Überprüfung, ob alle Arbeiten im Winter zur Zufriedenheit erledigt wurden. Auch TT-Sieger Reeves drehte damit einige flotte Runden. «Bis auf einige Kleinigkeiten wie einer losen Kabelverbindung war alles in bester Ordnung.»
Während der Aufbau eines Seitenwagens längst zur Routine gehört, erwies sich die Administration als durchaus aufwändig, Überraschungen inklusive. «Der Brexit hat es für alle, die nicht von den britischen Inseln kommen, nicht gerade leichter gemacht», verweist Rösinger auf die mühselige Organisation der Reise. «Als Niederländer ist man natürlich mit einem Wohnwagen unterwegs und dafür braucht man für die Isle of Man eine eigene Genehmigung.»
Als Vorbereitung auf das große Abenteuer wurde viel Zeit ins Studium von Onboard-Aufnahmen investiert. «Man kann sich Videos anschauen, so viel man will, letztendlich zählt bei der Tourist Trophy die Streckenkenntnis und die kann man sich nur im Seitenwagen aneignen», weiß Rösinger. Beim obligatorischen «Newcomers Day» auf der Isle of Man konnte zumindest der über 60 Kilometer lange Snaefell Mountain Course erstmals mit dem PKW befahren werden.