Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Marc Surer zu Österreich-GP: Stallorder, Lügen, Crash

Von Mathias Brunner
​Die Formel 1 ist immer eine Frage der Perspektive. Wieso Sky-GP-Experte Marc Surer an einen Österreich-GP-Sieg von Sebastian Vettel glaubt, Lewis Hamilton sich aber dennoch bequem zurücklehnen kann.
Marc, als bekannt geworden ist, dass im Wagen von Lewis Hamilton ein neues Getriebe eingebaut werden musste, da vermuteten viele Fans: Ein Folgeschaden der Kollisionen mit Vettel in Baku. Mercedes bestreitet das. Wie schätzt du das ein?

Ich glaube nicht, dass die Kollisionen mit Vettel dem Getriebe von Lewis etwas anhaben konnten. Bei der ersten Berührung ist zwar der Unterboden am Wagen von Hamilton beschädigt worden, aber ich glaube, der Kontakt war zu wenig heftig, um das Getriebe zu beschädigen. Und nachdem Vettel auf gleiche Höhe gezogen war, passierte die Berührung Rad auf Rad. Wir haben in einer Vergrösserung am Rad von Hamilton Kratzer gesehen, aber meiner Meinung nach war der Schlag zu wenig stark, um das Getriebe zu beschädigen. Zum Heckaufprall ist zu sagen: Die modernen Kraftübertragungen müssen ein gewaltiges Drehmoment verdauen, zudem rattern die Piloten ständig über Randsteine, das sind ganz andere Belastungen. Nein, Mercedes sagt die Wahrheit.

Lewis musste wegen des Getriebewechsels um fünf Ränge zurück und steht auf Startplatz 8. Wie schwierig ist im Österreich-GP seine Aufgabe?

Er fährt mit der richtigen Reifenmischung, um länger als seine direkten Rivalen auf der Bahn bleiben und so vorrücken zu können. Von daher schaut das gar nicht so schlecht aus für ihn. Mir ist noch etwas Anderes aufgefallen: Wenn du Sektorzeiten und Topspeed-Messungen anschaust, dann siehst du – er fährt mit weniger Flügel, er hat sich also von Anfang an darauf eingestellt, Gegner zu überholen.

Lewis hat gesagt, in einer idealen Welt wolle er einen Doppelsieg für Mercedes sichern. Aber er hat nichts über die Reihenfolge gesagt. Wird Mercedes auf Stallorder zurückgreifen?

(Beginnt zu lachen.) Man kann Valtteri Bottas nur empfehlen, an der Spitze vorne wegzufahren! So dass es Schmerzen bereitet, wenn Mercedes eingreift. Ich halte Mercedes-Teamchef Toto Wolff für einen intelligenten Menschen. Gerade hier in Österreich, mit dem Skandal damals um Jean Todt, Michael Schumacher und Rubens Barrichello, weiss Wolff, dass so ein Eingreifen beim Publikum ganz schlecht ankommen würde.

Welches ist für dich die Überraschung des Trainings?

Williams. Wie ein Rennstall trotz des starken Mercedes-Motors so schlecht sein kann, ist wirklich schwer zu verstehen. Williams war eigentlich auf dieser Strecke immer konkurrenzfähig, ich verstehe es nicht. Sie offenbar selber auch nicht.

Wie schätzt du die Situation in Sachen verbrauchter Motorteile ein?

Bei Sebastian Vettel sieht das ein wenig düsterer aus als bei Lewis Hamilton. Vettel hat ja schon den vierten und letzten Turbolader im Auto. Und er hat auch mehr elektrische Generatoren verbraucht als Hamilton. Auch wenn Lewis vielleicht den Österreich-GP nicht gewinnen kann, so darf er sich bequem zurücklehnen – früher oder später wird sein direkter WM-Rivale eine Strafe erhalten.

Was sagt eure Wettervorhersage?

Gewitter während des Rennens. Es bilden sich jetzt schon Gewitterzellen, aber das Schwierige dabei ist jeweils zu sagen, wo genau es regnen wird. Wir haben es hier oft erlebt, dass wir Regen über der Strecke haben, aber nur wenige Kilometer von hier entfernt ist alles trocken. Oder umgekehrt. Das wird ganz punktuell.

Nehmen wir mal an, es bleibt trocken, was passiert dann?

Wenn Vettel nach dem Start an Bottas vorbeikommt, dann fährt er auf und davon. Mercedes steht hier nur auf der Pole-Position, weil sie in der Qualifkation mehr Power freigeben können.

Gutes Stichwort, Marc. Fährt Sauber auf der Power-Strecke hinterher, weil die Schweizer einen Vorjahres-Motor von Ferrari einsetzen müssen?

Nein. Man darf nicht immer alles auf den Motor schieben. Der Motor kann gar nicht so viel ausmachen. Wir haben die Faustregel – zehn Prozent weniger Leistung entspricht einer Sekunde auf der Rennstrecke. Aber niemand kann mir weismachen, dass der 2016er Ferrari-Motor zehn Prozent weniger leistet als das 2017er Aggregat der Italiener. Denn das wären gut 90 PS. Nein, ich fürchte der Rückstand von Sauber liegt viel eher am Chassis.

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