Safety Cars: Herausforderung für Fahrer und Teams

Von Rob La Salle
Das Safety Car in Barcelona

Das Safety Car in Barcelona

Die Einsätze des Safety Cars (SC) und des virtuellen Safety Cars (VSC) haben bei der Hälfe der Rennen in dieser Saison eine entscheidende Rolle gespielt. Wir werfen einen genaueren Blick darauf.
Welche Herausforderungen bringt eine Safety-Car-Phase für das Team mit sich?

Die größte Herausforderung, die eine Safety-Car-Phase für das Team mit sich bringt, ist die Wahl der richtigen Strategie. Während einer SC-Phase kühlen die Reifen sehr schnell ab. Wenn sie neu sind, ist das kein großes Problem, da sie dann relativ bald nach dem Re-Start wieder in ihr Arbeitsfenster kommen. Normalerweise dauert das zwei bis drei Runden. Reifen, die sich in der Mitte oder am Ende eines Stints befinden, verhalten sich in dieser Hinsicht viel schwieriger, da sie länger benötigen, um wieder in Gang zu kommen - oder sie schaffen es gar nicht mehr. Ohne ein Safety Car würden diese Reifen bei den normalen Geschwindigkeiten und Temperaturen noch immer guten Grip erzeugen. Aber sobald die Energie abgebaut ist, ist nicht genügend Gummi übrig, um den Reifen wieder in Gang zu bringen. Neuere Reifen bieten mehr Haftung, da noch mehr Gummi auf dem Reifen ist. So können sie mehr Energie erzeugen, die den Reifen schneller aufheizt. Dabei stellt es eine Herausforderung dar, das Verhalten der Reifen nach dem Ende einer Safety-Car-Phase vorherzusagen. Der Grund dafür ist, dass es sehr schwierig ist, den Abrieb der Reifen zu simulieren. Gleichzeitig ist es schwierig, genau zu wissen, wie stark der Reifenverschleiß im Rennen ist. Die Entscheidung darüber, ob das Team daran glaubt, dass der Reifen wieder in Schwung kommt, basiert demnach hauptsächlich auf der strategischen Erfahrung des Teams im Zusammenspiel mit den Informationen über die Reifen, welche die Fahrer vor der Safety-Car-Phase sammeln konnten.

Wie stellt das Team sicher, dass es rasch auf eine Safety-Car-Phase reagieren kann?

Die Strategiegruppe befindet sich in einem stetigen Bewertungsprozess und versucht, vorherzusagen, was passieren würde, wenn in zwei, drei oder fünf Runden das Safety Car auf die Strecke gehen würde. Dadurch können sie so schnell wie möglich die richtige Entscheidung über einen Boxenstopp treffen. Wenn das Team sich dazu entscheidet, dass die Situation im Rennen eine gute Gelegenheit für einen Boxenstopp in einer Safety-Car-Phase bietet, wird dem Fahrer mitgeteilt, dass er sich «im Safety-Car-Fenster» befindet. Auf diese Weise weiß der Fahrer genau, dass er ohne weitere Bestätigung vom Team hereinkommen kann. Die Boxenmannschaft würde ihn bereits erwarten, weil sie sich bereithält, sobald das Safety Car auf die Strecke geht.

Was ist die größte Herausforderung für die Fahrer während einer Safety-Car-Phase?

Für die Fahrer stellt der Re-Start eine besondere Herausforderung dar. Dieser ist knifflig, da die Reifen während der Safety-Car-Phase nicht nur an Temperatur verlieren, sondern auch an Grip. Ein Formel 1-Reifen erzeugt den meisten Grip in einem speziellen Temperaturfenster, das normalerweise gut über 100 Grad Celsius liegt. Außerhalb dieses Temperaturfensters fällt das Gripniveau deutlich ab. Um so schnell wie möglich den bestmöglichen Grip zu erreichen, werden die Reifen auf 110 Grad vorgeheizt, bevor sie ans Auto montiert werden. In einer Safety-Car-Phase kann die Reifentemperatur leicht um 40 Grad sinken, wodurch der Reifen viel von seinem Grip verliert. Mit Blick auf das Gripniveau sind die ersten Runden nach einer Safety-Car-Phase deshalb ganz anders als alle anderen Runden, die der Fahrer am gesamten Wochenende gefahren ist. Dadurch ist es sehr schwierig, das maximale Gripniveau zu finden. Das gilt in Kanada ganz besonders für die starken Bremszonen vor Kurve eins und der Haarnadel in Kurve zehn. Dort passiert es schnell, dass die Reifen blockieren. Gerade vor der Schikane ist es sehr wahrscheinlich, dass es zu einem Positionswechsel kommen kann, wenn ein Fahrer bereit ist, mehr zu riskieren als ein anderer.

Wie lange dauert es, bis die Reifen wieder auf Temperatur sind?

Das hängt vom Layout der Strecke ab. Normalerweise dauert es zwei bis drei Runden, um die Reifen wieder auf Temperatur zu bringen. Aber in Extremfällen kann es länger dauern. In Baku ist es für die Fahrer zum Beispiel sehr schwierig, die Reifen aufzuheizen, da es eine sehr lange Gerade gibt, auf der die Reifen wieder abkühlen. Außerdem gibt es viele langsame Kurven, in denen nicht viel Energie erzeugt wird.

Gibt es noch andere Herausforderungen für die Fahrer?

Auch die Bremsen können während einer Safety-Car-Phase eine Herausforderung darstellen. Wenn sie bereits heiß sind, besteht das Risiko des Überhitzens, da sie eine ständige Kühlung erfordern. Aufgrund der geringeren Geschwindigkeiten hinter dem Safety Car fallen der Luftfluss und damit der Kühleffekt geringer aus. Dadurch können die Bremsen leicht überhitzen. Andererseits sind kalte Bremsen ebenfalls nicht gut, da die Bremsen am besten funktionieren, wenn sie warm sind. Entsprechend versuchen die Fahrer unter Umständen, die Bremsen mit verschiedenen Fahrtechniken auf Temperatur zu bringen. Das lässt sich jedoch nur schwer kontrollieren, da es ohne kühlenden Luftfluss äußerst einfach ist, die Bremsen extrem aufzuheizen.

Bietet der Einsatz des Safety Cars auch Vorteile?

Das Safety Car kommt zum Einsatz, «wenn eine unmittelbare Gefahr besteht, die Verhältnisse es aber nicht erfordern, dass das Rennen unterbrochen wird». Es stellt die Sicherheit der Streckenposten rund um den Kurs sicher und das ist sicherlich der größte Vorteil beim Einsatz des Safety Cars. Allerdings gibt es noch einige weitere Vorteile für die Teams - zum Beispiel das Sparen von Benzin. Auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montreal ist die Benzinmenge entscheidend, das heißt, die Fahrer können nicht auf allen 70 Rennrunden mit Vollgas fahren. Um mit den erlaubten 105 kg an Sprit bis ins Ziel zu kommen, müssen sie in der einen oder anderen Form Benzin sparen. Während einer SC-Phase können die Fahrer Benzin sparen, das sie dann später nach dem Re-Start für maximale Performance einsetzen können.

Wie viel langsamer ist das Safety Car?

Das hängt von der Strecke ab. Im vergangenen Jahr kam das Safety Car ganz am Anfang des Rennens auf die Strecke, da es auf der Startrunde einen Unfall in Kurve drei gegeben hatte. Während der SC-Phase fuhr Lewis Rundenzeiten von über zwei Minuten (2:02.231 in Runde 2). Selbst mit relativ kalten Reifen fuhr er auf seiner ersten Runde nach dem Safety-Car-Einsatz eine Zeit von 1:18.135. Zum Vergleich: Mit warmen Reifen fuhr er in Runde 10 eine Rundenzeit von 1:16.296. Die Runde während der Safety-Car-Phase dauerte also grob 60 Prozent länger. Der Geschwindigkeitsunterschied zwischen dem Safety Car und einem Formel 1-Auto variiert je nach Streckenabschnitt. Auf einer normalen Runde durchfährt ein Formel 1-Auto Kurve drei in Kanada mit grob 125 km/h. Hinter dem Safety Car fährt es aber nur 45 km/h. In der Haarnadel (Kurve 10) beträgt der Unterschied grob 15 km/h (65 km/h gegen 50 km/h in der SC-Phase). Hinter dem Safety Car fallen aber nicht nur die Kurvengeschwindigkeiten geringer aus, auch die Beschleunigung und die Topspeeds sind betroffen. Im vergangenen Jahr wurden die F1-Autos vor Kurve 13 mit mehr als 300 km/h gemessen, während der SC-Phase fuhren sie dort jedoch «nur» 255 km/h schnell. Die Zeit unter Volllast (Wide Open Throttle, kurz WOT) wird ebenfalls vom Safety Car beeinflusst. Auf einer normalen Runde beträgt die WOT-Zeit in Montreal ungefähr 50 Prozent einer Runde. Während einer SC-Phase sind es aber nur rund zwei Prozent. Zwei langsamere Runden hinter dem Safety Car wirken sich auch auf die Gangwechsel aus. Die Fahrer schalten auf einer normalen Runde in Kanada rund 80 Mal, aber unter Safety-Car-Bedingungen sind es nur 50 Schaltvorgänge.

Was sind die größten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen einer Safety-Car-Phase und einem virtuellen Safety Car?

Alles in allem sind sich eine VSC- und eine SC-Phase recht ähnlich. Bei beiden fallen die Reifentemperaturen ab und beide erschweren den Re-Start. Eine VSC-Phase ist aber normalerweise eine geringere Herausforderung für das Team, da die Autos schneller fahren und somit die Reifentemperaturen nicht ganz so stark absinken wie während einer SC-Phase. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass eine normale Safety-Car-Phase normalerweise rund vier Runden lang anhält, eine VSC-Phase aber eher ein bis zwei Runden lang dauert. Außerdem wird das Feld beim VSC nicht zusammengeführt. Dadurch sollte der Hintermann beim Re-Start den gleichen Abstand zum Vordermann haben wie vor dem Beginn der VSC-Phase.

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Nachbehandlung mit dem Doktor: Australien

Dr. Helmut Marko
Exklusiv auf SPEEDWEEK.com: Dr. Helmut Marko, Motorsport-Berater von Red Bull, analysiert den jüngsten Grand Prix. Diesmal: Melbourne, ein nahezu historischer Ausfall und ein starker Yuki Tsunoda.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Do.. 28.03., 12:00, SPORT1+
    Motorsport: Monster Jam
  • Do.. 28.03., 14:45, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Do.. 28.03., 15:15, Motorvision TV
    Extreme E: Electric Odyssey
  • Do.. 28.03., 16:05, Spiegel TV Wissen
    Gründerköpfe
  • Do.. 28.03., 16:15, Hamburg 1
    car port
  • Do.. 28.03., 16:15, ORF Sport+
    Formel 1 Motorhome
  • Do.. 28.03., 17:05, ORF Sport+
    Schätze aus dem ORF-Archiv
  • Do.. 28.03., 18:15, Motorvision TV
    New Zealand Jetsprint Championship
  • Do.. 28.03., 19:15, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • Do.. 28.03., 20:55, Motorvision TV
    Top Speed Classic
» zum TV-Programm
5