Erster Augenschein in Bahrain

Kolumne von Mathias Brunner
Der Slogan der Bahraini

Der Slogan der Bahraini

Alles in Butter oder Strassenschlachten, wohin man blickt? Wir haben uns in Bahrain auf den normalen Arbeitsweg gemacht.

Ich bin Formel-1-Journalist. Ich reise in Länder, wo Grands Prix ausgetragen werden. Auch in Länder, die von Menschenrechts-Organisationen regelmässig angeprangert werden.

Nach dem China-GP wollte ich mir bald selber ein Bild davon machen, was zutrifft: Die Darstellung der Regierung (alles bei uns ist in Butter) oder die Darstellung von Schwarzmalern (die ganze Stadt quasi im Zustand des Bürgerkriegs).

Vorab: Natürlich ist es Blödsinn zu behaupten, der Formel-1-Sport sei unpolitisch. Überall in der Stadt ist der Slogan «UNIF1ED – a Nation in Celebration» plakatiert – vereinigt, eine Nation im Freudenfest. Die Buchstaben F1 sind dabei rot hervorgehoben. Da muss mir doch keiner weismachen, der Motorsport halte sich aus der Politik heraus.

Wir hätten dem FIA-Chef Jean Todt in Shanghai dazu gerne eine Frage gestellt, aber der Franzose hatte leider keine Zeit, um mit Medienvertretern zu sprechen. Jeder SPEEDWEEK-Leser kann selber beurteilen, wie souverän das wirkt.

Erster Eindruck in Bahrain: Die Lage ist höchst undurchsichtig, und das liegt zunächst mal an einer Sandstaub-Mischung, die wie eine Glocke über der Stadt hängt. Die Lage wird auch politisch undurchsichtig bleiben, denn eines muss ich klarstellen – ich bin nicht als politischer Journalist unterwegs. Meine Aufgabe besteht nicht darin, Unruhe-Nester aufzuspüren und mit Oppositionellen zu sprechen. Allerdings auch nicht darin, Verharmlosungs-Parolen der Regierung nachzuplappern. Ich will mir lediglich dort einen Eindruck verschaffen, wo ich während eines GP-Wochenendes durchfahre und wo ich arbeite.

Es ist brütend heiss kurz um die Mittagsstunde, gut 32 Grad. Nach einer guten Viertelstunde Fahrt wird klar – die Polizei ist präsenter als bei unserem letzten Besuch vor zwei Jahren. Es sind viele Streifenwagen unterwegs, weitere stehen entlang der Strasse. Bis zu meiner Rückkehr werde ich gewiss mehr als 50 Fahrzeuge gezählt haben.

Nach dem chronischen Hupkonzert von Shanghai und dem automobilen Dauer-Ellbögeln in China läuft der Verkehr hier geradezu idyllisch vonstatten. Bis zum ausgebrannten Polizeiwagen, der nun rechts an der Hauptstrasse (Richtung Brücke nach Saudi-Arabien) zu sehen ist. Im Flammen gesetzt von einem Molotow-Cocktail? Ein technischer Defekt? Wir wissen es nicht …

Beim alten Glockenturm unweit von Isa Town wird der Verkehr auf eine Spur verengt – eine Polizei-Kontrolle. Bemannt ist der Posten mit nur einem Mann, der wissen will, wohin ich fahre. Ich sage es ihm: zur Rennstrecke. Er lässt mich passieren.

Was auch auffällt: Seit 2010 ist ausserhalb Manamas viel gebaut worden, ganze Siedlungen mit identischen Häuschen, enorme Brücken, atemraubende Wolkenkratzer im neuen Finanz-Distrikt.

In gut einer halben Stunde habe ich den Weg vom Hotel bis zur Rennstrecke bewältigt. Dort warten nicht mehr Kontrollen als üblich. Auf dem Medien-Parkplatz steht genau ein Fahrzeug: ein Streifenwagen. Der Fahrer ist nicht begeistert davon, als ich neben ihm parke. Vielleicht, weil er nicht weiss, was sich abgesehen von mir noch im Wagen befindet. Ich werde unmissverständlich gebeten, 40 Meter weiter drüben zu parken.

Beim Weg vom Presseparkplatz Richtung Unterführung zum Fahrerlager kommen wir als Erstes beim Kinderspielplatz durch. Nachdem die Situation in Bahrain vielerorts als überaus bedrohlich dargestellt wurde, sind riesige Clown-Köpfe und knallbunte Farben ein skurriler Kontrapunkt.

Die Vorbereitungen an der Strecke machen einen völlig normalen Eindruck. Einige Ordnungshüter sind seit Donnerstag hier und berichten: Wie vor Jahren sind sie zu Fuss um die Ecke essen gegangen, es gab keine Anzeichen von Gewalt. Aber auch ihnen ist, gemessen am Jahr 2010, eine deutlich grössere Polizei-Präsenz aufgefallen. Es gibt jedoch Vororte von Manama, die auch von Einheimischen gemieden werden – und wo sich regelmässig Widerstand gegen die Regierung regt.

Die Unruhen in Bahrain haben unter den Formel-1-Medienvertretern Spuren hinterlassen: Es sind 260 Journalisten und Fotografen angemeldet, rund ein Viertel weniger als im üblichen Schnitt.

Für einige Redaktionen kommen die Probleme in Bahrain nicht ungelegen: Unter dem Vorwand der Sicherheit für die eigenen Mitarbeiter wird in Wahrheit nur Geld gespart, weil keine Berichterstatter nach Bahrain entsandt werden …

Mit einer Einstopp-Taktik (bei einer Hamburger-Firma mit grossem M, ich vermute, es steht für Manama) mache ich mich auf den Rückweg. Ich fahre absichtlich einen anderen Weg, die Haupt-Autobahn Richtung Flughafen. Auch hier: viel Polizei unterwegs.

Fazit: Dem Kalauer aus dem Fahrerlager von Shanghai, «Lieber Bahraus als Bahrein», kann ich mich aufgrund dieser Fahrt nicht anschliessen. Mir ist aber klar: Dieser oberflächliche Blick widerspiegelt in keiner Weise die wahre Situation im Land.

Ob Bahrain nicht nur aus meteorologischer Sicht ein heisses Pflaster ist, wird sich in den kommenden Tagen weisen.

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