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Deutsche Nachwuchssorgen – Kein Ausweg in Sicht

Von Günther Wiesinger
Tim Georgi

Tim Georgi

Ein klares Konzept, wie man deutsche Talente an den GP-Sport heranführen kann, sucht man vergeblich. Potential ist vorhanden, doch den Weg nach oben hat schon lange keiner mehr geschafft.

In der Motorrad-Weltmeisterschaft ist seit Philipp Öttl vor sechs Jahren kein neuer deutscher Nachwuchsfahrer mehr erschienen, der sich in dieser Serie auch dauerhaft gehalten und durchgesetzt hat. Alt, Finsterbusch, Grünwald – alle wieder verschwunden. Genauso wie vorher Luca Amato und andere Talente sowie alle Nachwuchsfahrer aus Deutschland, die sich im Red Bull Rookies-Cup abgemüht haben. Tim Georgi (17) fuhr 2017 mit Wildcards eine Freudenberg-KTM auf dem Sachsenring und in Brünn, wo er besonders in den nassen Trainings brillierte. Er war einmal Erster, einmal Sechster!

2018 bemühte sich der blonde Berliner in der CEV Repsol Junioren-Weltmeisterschaft für Kiefer Racing um WM-Punkte. Er blieb jedoch mit der Moto3-KTM bis zum Rennen am 29. Juli in Aragón punktelos, und da er die versprochene Mitgift nicht ablieferte, wurde er vor diesem Event suspendiert. Seither tritt Kiefer ohne ihn an. Dirk Geiger (17) ist ein weiteres Talent, das in der Versenkung zu verschwinden droht, aber von Freudenberg als förderungswürdig bezeichnet wird. Er siegte 2017 bei Freudenberg im Northern Europe Cup auf Honda und bestreitet jetzt den European Talent Cup.

Auch bei Matthias Meggle, Leon und Kevin Orgis sowie Lukas Tulovic und anderen weiß niemand, ob sie jemals den Sprung in den GP-Sport schaffen werden. In Spanien gewinnen die Frauen Weltmeistertitel, in Deutschland reicht es nicht einmal für die Aufnahme in den Rookies-Cup oder für Punkte in der Junioren-WM. Bisher hat dort 2018 noch kein Deutscher gepunktet, dafür der Schweizer Jason Dupasquier und der Österreicher Max Kofler.

Carsten Freudenberg: «Wir haben ja immer Sommer gemeinsam mit KTM und der Dorna versucht, Tim Georgi in diesem Jahr einen oder zwei Wildcard-Einsätze finanzieren, zum Beispiel in Brünn, Misano, Aragón oder Valencia. So hätte er sich wieder einmal international zeigen können. Von ihm redet ja keiner mehr.»
Freudenberg ist überzeugt, dass der Berliner Georgi in ein, zwei Jahren ein brauchbarer Moto3-WM-Pilot werden könnte. «Er ist im Regen schon heute sehr konkurrenzfähig. Aber er kommt zu wenig zum Motorradfahren. Sieben Rennen in diesem Jahr. Und daneben fährt er so gut wie nichts. Wir haben mit KTM geredet, ob sie beim Material etwas beisteuern könnten. So eine Aktion hätte unser Team zu überschaubaren Kosten bewältigen können. Aber es hat nicht geklappt.» Denn Georgi fährt in diesem Jahr für Kiefer Racing, sein Manager schien kein großes Interesse an einem WM-Auftritt zu haben. Und bei Kiefer dürfte die versprochene Mitgift nicht abgeliefert worden sein.

In ganz Deutschland: Kein Talent in Sicht

Teamchef Carsten Freudenberg bedauert, in den deutschen ADAC Pocket-Bike und Minibike-Meisterschaften sei momentan kein Talent auffällig geworden. «Außerdem fehlt danach eine Aufsteigerklasse. Die Moto3-IDM ist nie wirklich in Schwung gekommen, im NEC waren nur fünf Deutsche dabei. Aber als wir in England im Rahmen der BSB aufgetreten sind, hatten wir am Freitag und Samstag jeweils nur 20 Minuten Trainingszeit. Und im Januar 2018 ist der NEC plötzlich eingestellt worden. Der Yamaha-Cup ist nach 40 Jahren auch zugesperrt worden. Und der ADAC-Junior-Cup mit den 390-ccm-KTM hat in vier oder fünf Jahren noch kein Talent hervorgebracht, wenn man von Dirk Geiger absieht.»

Der Junior-Cup galt nur damals als Talentschmiede, als mit den Aprilia-125-Zweitaktern gefahren wurde. Die Dorna will die Nachwuchsförderung in Deutschland wieder ankurbeln. Aber sie will in Deutschland keine eigene Rennserie wie 2017 den British Talent Cup finanzieren, weil so ein Konzept zu teuer ist. Das würde nur in Zusammenarbeit mit dem ADAC, Red Bull und Honda oder KTM klappen.

Aber irgendwie müsste die Nachwuchsarbeit in Deutschland besser gebündelt werden. Heute mischen Teams wie Intact, Prüstel, Kiefer und Freudenberg mit, aber mit recht überschaubaren Resultaten. Das heißt: Alles wirkt unkoordiniert, es werden oft Fahrer mit Geld genommen, dadurch gehen die talentierten manchmal unter.
«Es fehlt ein professionelles System wie bei der VR46 Riders Academy oder bei Emilio Alzamora mit der Monlau School», meint Freudenberg-Teammanager Andreas Ledermann. Die Dorna will jetzt den Breitensport in Deutschland fördern, um neue Talente für den European Talent Cup, den Red Bull Rookies- Cup, die CEV Repsol Junioren-WM und schlussendlich für die Moto3-WM zu finden.

Viele Experten sind der Meinung, es müssten zum Beispiel echte Rennmaschinen für den ADAC Junior Cup gefunden werden, außerdem sollte diese Meisterschaft wieder der IDM angegliedert werden. Die serienmäßige Honda NSF 250 kostet rund 10.000 Euro. Auch KTM denkt immer wieder über ein ähnlich preiswertes Gefährt auf Moto3-Basis nach. Aber selbst die Production-Racer aus dem Red Bull-Rookies-Cup können nicht zu diesem Preis hergestellt werden.

Im Northern European Cup (NEC) brauchte Freudenberg im Vorjahr für Dirk Geiger 50.000 bis 60.000 für sieben Rennen. Freudenberg: «Man könnte die Talente nach der Minibike-Meisterschaft mit einem deutschen Talent-Team auch im European Talent-Cup mitfahren lassen. Man muss den Eltern aber eine finanziell sorgenfreie Saison garantieren können. Der Aufstieg in den jetzigen ADAC Junior-Cup wäre falsch.»

«Es macht keinen Sinn, 14-jährige deutsche Talente dauerhaft nach Spanien zu verpflanzen, wo sie dann auf Fahrer treffen, die schon mit sechs Jahren die ersten Rennen bestritten haben», sagte Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Wir müssen in Deutschland wieder eine Rennserie schaffen, in der Talente gezüchtet und mit Sorgfalt aufgebaut werden. Wir brauchen eine Kategorie, die die Talente nach der Pocketbike- und der Minibike-Meisterschaft abholt. Wenn sie talentiert sind, können wir sie in den European Talent-Cup befördern. Danach in die CEV Junioren-WM und später in die Moto3-WM. Dann können sie auf dem höchsten Level kämpfen. Ich will lieber einzelne Talente fördern als eine ganze Rennserie neu starten. Ich habe lieber fünf wirklich starke Talente als 25 mittelmässige. Das British Talent-Team haben wir nach einem Jahr zugesperrt, weil dieses System zu teuer war und keine Talent ans Licht gebracht hat. In Asien organisieren wir den Talent Cup. Denn wenn wir dort nichts machen, findet dort kein Talent zum Motorradrennsport.»

Übrigens: Auch der British Talent-Cup hat bisher kein wirkliches Talent für die WM zum Vorschein gebracht – im Gegensatz zum Rookies-Cup.

Dorna unterstützt private Initiativen

Statt selbst überall eigene Rennserien zu veranstalten, unterstützt die Dorna zum Beispiel in Spanien lieber private Initiativen wie jene von Dani Rivas, der den Nachwuchs im Dani Rivas-Cup mit preiswerten Maschinen von Polini und Honda in zwei Kategorien (6 bis 9 Jahre und 9 bis 12 Jahre) um die Wette fahren lässt.
Die Dorna wäre am liebsten, wenn der ADAC eine neue Rennserie planen könnte, die die ehemalige deutsche 125-ccm-Meisterschaft, die gescheiterte Moto3-IDM und den ebenfalls misslungen Northern Europe Cup ersetzen kann. In so einer Serie sollen dann auch schnelle Österreicher und Schweizer mitfahren.

«Aber ich fürchte, für so eine Kategorie findet man in Deutschland nicht genügend Teams und Fahrer», meint Carsten Freudenberg. Die Dorna sucht auch dringend einen Lokalmatador für den Österreich-GP in Spielberg. Ezpeleta: «Wir brauchen einen schnellen Österreicher. Am besten heute! Sobald wir einen finden, unterstützen wir ihn sofort. Wir müssen den Fußball als Beispiel nehmen, Talente scouten und uns überall umschauen. Wenn in Finnland ein Talent ausfindig gemacht wird oder sonst wo ein Nachwuchsmann durch Talentscouts der Clubs aufgespürt wird, dann greifen wir zu. Wir brauchen überall Scouts. Das ist unsere Idee.»

Welches technische Reglement einer neuen deutschen Nachwuchsserie zu Grunde liegen könnte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Carmelo Ezpeleta favorisiert einen Markenpokal mit NSF 250-Production-Racern von Honda. KTM-Firmenchef Stefan Pierer wollte einmal eine abgespeckte Moto3-Maschine um 10.000 Euro produzieren. Aber um diesen Preis liess sich dieser Plan nicht verwirklichen.

«Wir haben ja einmal einen Production-Racer der Moto3-Maschine produziert. Der hätte 45.000 Euro gekostet. Das waren allen zu teuer und von den Rundenzeiten her zu langsam. Deshalb haben die Teams lieber ein gebrauchtes GP-Motorrad um 60.000 Euro für die CEV-Championship in Spanien gekauft», hält Pit Beirer fest, Motorsport-Direktor von KTM. «Solche Bikes können sich nur die spanischen Teams leisten, für den Rest der Welt sind sie zu teuer. Alle Nachwuchsteams wollen Moto3-Prototyopen und verstehen nicht, dass man so ein Fahrzeug nicht für 20.000 Euro herstellen kann. Man muss also entweder bei der Rundenzeit oder bei der Qualität Abstriche machen. Du kannst keinen Prototyp entwickeln, der der Moto3-WM-Maschine nahekommt und ihn für 15.000 Euro anbieten. Und wenn du ein seriennahes, preiswertes Motorrad haben willst, landest du unweigerlich bei unserer 390-ccm-Viertaktmaschine, die wir im ADAC Junior-Cup einsetzen.» Aber das ist natürlich keine Rennmaschine, mit der wahre Talente für die Moto3-WM üben und ausgesiebt können.

Pit Beirer (KTM): Plädoyer für Zweitakt-Renner

Seit dem Umstieg auf Viertakter kam kein ADAC Junior-Cup-Fahrer mehr in die WM. Vorher landeten sie zahlreich in der WM – von Lüthi über Aegerter und Krummenacher bis zu Schrötter und Öttl.
Schlimm: Für die Saison 2018 fand sich nicht einmal mehr ein einziges deutsches Talent für den Red Bull Rookies-Cup.
«Wenn du bezahlbaren Motosport betreiben willst, führt kein Weg an einem Zweitakter vorbei», betont Pit Beirer. «Es gibt genug Hersteller, die 125-ccm-Zweitakt-Motoren aus dem Offroadbereich haben. Wir haben bei KTM die SX 125.» KTM-Firmenchef Stefan Pierer erklärte immer, in den kleinen Hubraumklassen seien die Viertakter um den Faktor 4 teurer als die Zweitakter.

Pit Beirer: «Wenn sich dann ein Chassis-Hersteller findet, der ein vernünftiges Basis-Motorrad ohne Karbon und ohne teuren Firlefanz baut, wenn also auch die Teams und Fahrer ihr Ansprüche runterschrauben, kann man ein preiswertes Einsteiger-Motorrad bauen. So liesse sich vermeiden, dass die Familien ihr letztes Geld für das Hobby der Söhne opfern müssen.»

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