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Malaysia-GP: Erzählungen aus einer anderen Welt

Kolumne von Günther Wiesinger
Sepang International Circuit

Sepang International Circuit

Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Malaysia zählt zu den aufstrebenden Märkten Südostasiens. Europäische Standards haben dort nichts verloren.

Wenn man auf dem gigantischen Kuala Lumpur International Airport (KLIA) eintrifft, der für das nächste Jahrhundert gebaut wurde, ist man beeindruckt.

Aber dieser Pomp hört bald nach der Gepäckannahme auf.

Es ist keine 20 Jahre her, dass dieser Flughafen eröffnet wurde, aber er wirkt in großen Teilen verwahrlost, die Gebäude rosten vor sich hin, manchmal würde frische Farbe guttun.

Bei der Autovermietung Hertz wird zum 20. Mal mein Pass kopiert, fünf Kreditkarten und andere Ausweise, der Computer ist abgestürzt. «Das passiert oft, manchmal haben wir einen halben Tag keinen Zugang, manchmal einen ganzen Tag», sagt der liebenswürdige und bemühte Hertz-Mitarbeiter.

Er wünscht sich ein KTM-T-Shirt. «Mike Leitner war hier», erzählt er. «Ein Tech3-Hemd habe ich schon.»

Man gibt mir den Schlüssel für einen schwarzen Honda City, die Sitze sind so verdreckt, dass man am liebsten gleiche neue Bezüge kaufen möchte.

Hauptsache, die Air Condition funktioniert – bei 34 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Auf der insgesamt zehnspurigen Zufahrtsstraße zum Airport muss man auf der Hut sein. Es herrscht in Malaysia Linksverkehr, auf dem Pannenstreifen kommen Radfahrer entgegen. Sie dürften auf dem Arbeitsweg zur Autobahntankstelle sein.

Bei der Heimfahrt von der Rennstrecke um 21 Uhr immer dasselbe Bild. Da es tagsüber zu heiß ist, trainieren die Radrennfahrer und Mountainbiker in der Finsternis. Ohne Lichtanlage, sie fahren einfach kilometerweit auf dem Pannenstreifen in absoluter Dunkelheit.

Die Motorradfahrer überholen links und rechts, in den Kreisverkehren gilt das Recht des Stärkeren oder Mutigeren. Die meisten Malaysier reihen sich in dreispurigen Kreisverkehren ganz innen ein, scheren dann bei irgendeiner Ausfahrt ohne Blinker nach ganz links raus – und fahren dann den anderen zwei Spuren einfach vor die Schnauze.

Unfassbar, was in diesem Land gebaut wird. Man erblickt Baukräne links und rechts, überall. Kilometerlang werden die Palmenwälder gerodet, es entstehen neue Hochhäuser und Industriegebiete, es sind überall neue Autobahnbrücken und monströse neue Autobahnabfahrten zu sehen.

Ich komme seit 1991 nach Malaysia, die Speed-Limits habe ich bis heute noch nicht herausgefunden, es hält sich sowieso keiner dran.

Tagelang habe ich keinen einzigen Verkehrspolizisten gesehen. Nur am Sonntag beim letzten Kreisverkehr vor dem Circuit.

Man erblickt die neuesten SUV von Lexus, BMW und Peugeot, man sieht viele Kleinautos – und zwischendurch 50 Jahre alte Proton-Vehikel mit einem qualmenden Auspuff, in Europa würde der Zeitwert des Gefährts keine 10 Euro betragen.

Die Trucks pusten riesige Rauchschwaden in die Luft, sie sind meist mehr als 40 Jahre alt. Euro 6-Standard? Wird hier wohl erst in 50 Jahren ein Thema sein.

Bei der Heimfahrt von der Strecke am Samstagabend traue ich meinen Augen nicht. Hinter mir donnerte auf der Überholspur ein Motorrad mit eingeschalteter Warnblinkanlage heran. Ich fahre in eine mittlere von vier Spuren – und staune. Der Lenker einer Yamaha Diversion hat den rechten Fuß gegen die linke Fußraste eines Mopedfahrers gestemmt, dieses Duo brettert mit 120 km/h über die Überholspur. Rund 10 km langm in der Dämmerung.

Am nächsten Tag nähert sich in der Finsternis von hinten mit hoher Geschwindigkeit ein Fahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht.

Ich fahre wieder brav zur Seite. Nein, es ist kein Polizeiauto und keine Ambulanz, einfach der Lenker eines bulligen schwarzen Pick-ups, der es eilig hat. Die Warnblinkanlage hat er natürlich auch eingeschaltet.

Immerhin war diesmal gelegentlich die Sonne zu sehen.

Vor zwei oder drei Jahren hingen die ganze Woche in Malaysia Rauchschwaden in der Luft, die Sichtweite betrug kaum 40 Meter. Die Schadstoffmessungen lagen 200 Prozent über den erlaubten Werten. Es wurden ein paar Schulen geschlossen, aber die Regierung protestierte nicht gegen die Nachbarn.

Damals hatten die benachbarten Indonesier einfach hunderte Quadratkilometer Regenwald abgefackelt.

Das Wort Energiesparen kommt im Vokabular der Malaysier nicht vor. Wozu auch? Ein Liter Sprit kostet zum Beispiel nur 40 Cent.

Mit dem öffentlichen Verkehr ist in Malaysia nicht viel los. Deshalb lässt die Qualität der Staus selbst auf achtspurigen Autobahnen nichts zu wünschen übrig. Die Mopedfahrer, ja richtig gelesen, die kurven in Schwärmen über die Autobahn, fahren dann todesmutig zwischen den rollenden Autos Slalom.

Der Selbsterhaltungstrieb dieser Zweiradasse ist nicht der Rede wert. Sie tragen zwar Helme, aber der Kinnriemen ist offen, Kurzarm-T-Shirts sind Standard, kurze Hosen und Flipflops auch.

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