Mike Leitner (KTM): «Müssen Erwartungen verschieben»

Von Günther Wiesinger
38 Teammitglieder aus zehn Nationen, 46 Testtage bereits vor dem Sepang-Kräftemessen, bisher 16 unterschiedliche Stahlrahmen. Der MotoGP-Einstieg ist eine Herausforderung für KTM und Teammanager Mike Leitner.

Für Mike Leitner (54), der mit Dani Pedrosa bei Honda elf Jahre in Teams war, für die nur das Gewinnen zählte, hat beim MotoGP-Projekt von KTM ein neues Zeitalter begonnen.

Der Sepang-Test brachte die Erkenntnis, dass die Bäume in der MotoGP-WM nicht in den Himmel wachsen. Pol Espargaró und Bradley Smith landeten in der Gesamtwertung nach drei Tagen auf den Rängen 21 und 22, wobei der Spanier danach gar nicht so enttäuscht war. Denn 2016 hatte er den Sepang-Test mit 2,2 Sekunden Rückstand verlassen, diesmal mit 1,970 Sekunden.

Pol Espargaró stürzte Mittwochvormittag einmal relativ harmlos, und er nahm eine wichtige Beobachtung mit: «Ich bin am dritten Tag einmal hinter Dani Pedrosa nachgefahren, da ist mir aufgefallen, dass wir beim Rausfahren aus den Kurven die Power nicht ausreichend auf den Boden bringen. Wir müssen die Traktion verbessern.»

Pol Espargaró, 2016 auf der Tech3-Yamaha WM-Achter, fühlt sich wohl in seiner neuen Mannschaft. «Ich bin nicht nur von KTM beeindruckt, sondern auch von Sponsor Red Bull. Die haben mit mir in einem Monat mehr coole Promotion-Geschichten gemacht als mein alter Hauptsponsor in drei Jahren...»

Im ersten MotoGP-Jahr wird für die Österreicher anfangs jeder Punktegewinn und jede Zielankunft ein Erfolg sein, denn es muss eine brandneue Rennmaschine entwickelt werden, es wurde ein Team mit mehr als 40 MotoGP-Technikern von null weg aufgebaut, dazu ein separates MotoGP-Testteam mit Mika Kallio; nur eine Handvoll der Teammitglieder war schon bei KTM in der Moto3-WM mit dabei.

Allein die Logistik stellt grosse Ansprüche: Wer reist wann zum Sepang-Test? Wer vom Testteam mit Mika Kallio wird heimgeschickt, wer darf bleiben?

Auch um diese Details kümmert sich Ex-Rennfahrer Mike Leitner (54), der 1987 in der 125-ccm-Weltmeisterschaft in Jarama und Le Mans zwei vierte Plätze herausgefahren hat. «Ich habe aus meiner Honda-Zeit jahrelange Erfahrung bei diesen Punkten, also mach’ ich das», stellte der Bad Ischler fest.

Für Dani Pedrosa und Repsol-Honda war Leitner von 2006 bis Ende 2014 als Crew-Chief zuständig, dort hatte er es mit meist konkurrenzfähigen Sieger-Motorrädern zu tun.

Bei KTM sieht die Aufgabe anders aus. Die RC16 tanzt aus der Reihe, als einziges MotoGP-Bike ist sie einen Gitterrohrstahlrahmen und Federelementen von WP Suspension (gehört zur KTM Group) ausgestattet.

Und KTM hat im Gegensatz zu Suzuki und Aprilia keine nennenswerte GP-Erfahrung. Nur 2005 wurde ein halbes Jahr lang das Team Roberts (Shane Byrne, Jeremy McWilliams) mit 990-ccm-V4-Motoren beliefert.

Aprilia hingegen nahm mit der Dreizylinder-Cube schon 2002 und 2003 an der MotoGP-WM teil, die Italiener waren immer in der Superbike-WM vertreten und dann seit 2002 in der MotoGP-Klasse auch mit den Claiming Rule-Maschinen, für 2016 wurde dann wieder ein neuer RS GP-16-Prototyp gebaut. Und Suzuki war eigentlich aus der MotoGP nach 2002 nie wirklich weg: Man stieg zwar 2011 aus, aber 2013 begannen bereits die Testfahrten mit dem neuen Vierzylinder-Motor, 2015 erfolgte die WM-Rückkehr.

38 Teammitglieder aus zehn Nationen umfasste die KTM-Mannschaft in Sepang, 46 Testtage hat KTM vor dem Sepang-Kräftemessen abgespult, in der Zwischenzeit sind schon 16 unterschiedliche Stahlrahmen im Einsatz gewesen, drei neue Versionen kamen nach Sepang. Übrigens: Die Alu-Hinterradschwingen werden bei Kalex engineering in Bobingen gebaut.

Mike, ihr probiert ständig neue Rahmen und Schwingen aus. Am Motor gibt es offenbar weniger auszusetzen. Mika Kallio hat schon beim Valencia-GP gesagt: «Der Motor ist unser starker Punkt.» Stimmst du ihm zu?

Ich glaube, dass wir auch beim Motor noch besser werden können, es ist ein Gesamtpaket aus Chassis, Motor, Suspension und Elektronik. Wir haben noch nirgends das Optimum herausgeholt.

Der KTM-Motor leistet mehr als 270 PS. Muss man für manche Strecken einen Mittelweg suchen und 10 PS opfern – für Jerez, Le Mans und Sachsenring zum Beispiel?

Es stellt sich die Frage: Will man die 10 PS opfern? Muss man sie opfern? Wir haben da noch keine Strategie.

Aber eines ist klar: Wir kommen jetzt auf so viele neue Rennstrecken und wir fahren jetzt zum ersten Mal in der MotoGP-Klasse im GP-Zirkus, wir haben nach eineinhalb Jahren Testfahrten ein neues Programm. Deshalb müssen wir für 2017 unsere Ansprüche und Erwartungen verschieben. Wir müssen auch unsere Prioritäten von Fall zu Fall verschieben, es wird immer etwas anderes geben, was dann am Wichtigsten ist. Wir müssen uns da und dort verbessern, das müssen wir von Situation zu Situation neu bewerten.

Wenn KTM irgendwo – sagen wir – 10 PS weniger braucht: Kann man das mit der Elektronik jonglieren? Oder müssen da beim Motor auch mechanische Änderungen gemacht werden?

Sicher könnte man das mechanisch lösen, aber du kannst ja nur neun Motoren pro Fahrer und Saison einsetzen...

Klar, man könnte verschiedene Motorencharakteristika bringen, aber das ist heutzutage bei diesem Regelwerk nicht mehr machbar. Da bleibt kein Spielraum für solche Mätzchen.

Wir werden versuchen, den Motor während der Saison zu verbessern. Aber wir müssen in diesem Neun-Motoren-Kontingent drinnen bleiben...

Früher war das Verhältnis anders: Bis Ende 2015 hatten die Factory-Teams fünf Motoren, Ducati und die Open-Class-Team hatten zwölf. Heute haben die «concession teams» wie Aprilia und wir als Neueinsteiger neun, die anderen Werke sieben.

Mit den Laufzeiten habt ihr keine Probleme?

Momentan haben wir keine Probleme mit der Standfestigkeit. Den Rest werden wir rausfinden.

MotoGP-Test in Sepang, kombinierte Zeitenliste aller drei Tage:

1. Maverick Viñales, Yamaha, 1:59,368 min
2. Andrea Iannone, Suzuki, 1:59,452
3. Marc Márquez, Honda, 1:59,506
4. Andrea Dovizioso, Ducati, 1:59,553
5. Dani Pedrosa, Honda, 1:59,578
6. Valentino Rossi, Yamaha, 1:59,589
7. Álvaro Bautista, Ducati, 1:59,628
8. Casey Stoner, Ducati, 1:59,639
9. Cal Crutchlow, Honda, 1:59,728
10. Jorge Lorenzo, Ducati, 1:59,767
11. Johann Zarco, Yamaha, 1:59,772
12. Alex Rins, Suzuki, 2:00,057
13. Aleix Espargaró, Aprilia, 2:00,108
14. Danilo Petrucci, Ducati, 2:00,310
15. Jonas Folger, Yamaha, 2:00,312
16. Héctor Barberá, Ducati, 2:00,352
17. Jack Miller, Honda, 2:00,439
18. Karel Abraham, Ducati, 2:00,445
19. Scott Redding, Ducati, 2:00,645
20. Loris Baz, Ducati, 2:00,873
21. Pol Espargaró, KTM, 2:01,338
22. Bradley Smith, KTM, 2:01,338
23. Sam Lowes, Aprilia, 2:01,341
24. Michele Pirro, Ducati, 2:01,382
25. Katsuyuki Nakasuga, Yamaha, 2:01,658
26. Takuya Tsuda, Suzuki, 2:01,812
27. Kouta Nozane, Yamaha, 2:02,187
28. Tito Rabat, Honda, 2:02,189

Siehe auch

Kommentare

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Nachbehandlung mit dem Doktor: Australien

Dr. Helmut Marko
Exklusiv auf SPEEDWEEK.com: Dr. Helmut Marko, Motorsport-Berater von Red Bull, analysiert den jüngsten Grand Prix. Diesmal: Melbourne, ein nahezu historischer Ausfall und ein starker Yuki Tsunoda.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Do.. 28.03., 09:10, Motorvision TV
    Nordschleife
  • Do.. 28.03., 10:15, Hamburg 1
    car port
  • Do.. 28.03., 12:00, SPORT1+
    Motorsport: Monster Jam
  • Do.. 28.03., 14:45, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Do.. 28.03., 15:15, Motorvision TV
    Extreme E: Electric Odyssey
  • Do.. 28.03., 16:05, Spiegel TV Wissen
    Gründerköpfe
  • Do.. 28.03., 16:15, Hamburg 1
    car port
  • Do.. 28.03., 16:15, ORF Sport+
    Formel 1 Motorhome
  • Do.. 28.03., 17:05, ORF Sport+
    Schätze aus dem ORF-Archiv
  • Do.. 28.03., 18:15, Motorvision TV
    New Zealand Jetsprint Championship
» zum TV-Programm
5