Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Márquez und Lorenzo: Teamkollegen aus der Hölle

Kolumne von Michael Scott
Grosses Konfliktpotenzial: Marc Márquez und Jorge Lorenzo

Grosses Konfliktpotenzial: Marc Márquez und Jorge Lorenzo

Der Teamkollege ist der erste Gegner, den man schlagen muss, denn er fährt das gleiche Bike. Das weiss auch Jorge Lorenzo, der sich im Repsol Honda Team dem direkten Vergleich mit Champion Marc Márquez stellt.

In meinen 40 MotoGP-Jahren kommt mir kein besseres Beispiel für eine brisante Fahrerpaarung in den Sinn, wie jene des Repsol Honda Teams. Denn dort werden 2019 mit Champion Marc Márquez und Teamneuling Jorge Lorenzo zwei hochkarätige Piloten auf dem gleichen Material um WM-Punkte, Positionen und die Vorherrschaft in den eigenen Reihen kämpfen.

Wenn man die eigene Erinnerung nach Beispielen für erbitterte Teamrivalitäten durchforstet, erlebt man mindestens eine Überraschung. Erstaunlich, wie oft der Name des so ruhigen Andrea Dovizioso in diesem Zusammenhang fällt.

Weniger überraschend ist die Tatsache, dass Lorenzos Name in dieser Liste regelmässig auftaucht. Und man kann sagen, dass er dabei meistens als Sieger hervorgegangen ist – auf die eine oder andere Art.

Die letztlich – wenn auch indirekt – tödlich endende Yamaha-Rivalität zwischen Phil Read und Bill Ivy war in den 1960er Jahren ein Paradebeispiel für eine toxische Fahrerpaarung. Meine Erinnerung geht in die 70er-Jahre, als sich Barry Sheene über die Suzuki-Verpflichtung von Pat Hennen ausliess. Er erklärte mir seine Vorbehalte. Er hatte darauf gedrängt, dass sein guter Freund Gary Nixon den Platz bekommen sollte, aber der Amerikaner wurde noch vor der Saison bei einem Crash schwer verletzt. Sein Landsmann Hennen war in letzter Minute als Ersatz aufgeboten worden, und Barry ärgerte sich über das, was er als Opportunismus des jungen Mannes ansah.

Sheene bezeichnete Hennen als laienhaft und erklärte: «Wenn du nur Peanuts bezahlst, bekommst du einen Affen.» Sheene's grossartiger Freund Steve Parrish erzählte mir später: «Einige sind Affen. Aber dieser hier hatte Hörner.» Aber Hennen – der erste amerikanische 500ccm-GP-Sieger - verletzte sich selbst, bevor er eine echte Chance hatte, die Rivalität zu beenden.

Um die Wahrheit zu sagen, hatte keiner von Barrys Teamkollegen eine angenehme Zeit; Sheene nahm das Motto «Du musst deinen Teamkollegen schlagen» sehr ernst und nutzte auf und neben der Strecke jede Gelegenheit, sich als Alphatier aufzuspielen. Das ist okay. Denn das ist der Stoff, aus dem Champions gemacht werden. Deshalb enthält die Liste der Teamfeindschaften auch viele grosse Namen.

Eingefleischte Fans werden sich an 1988 erinnern als der dreifache Champion Eddie Lawson mit seinem abrupten Wechsel von Yamaha zu Honda alle überrascht hat. Allen voran den damaligen Champion Wayne Gardner, der sich mit Lawson einige öffentliche Auseinandersetzungen geliefert hatte, als sie noch auf unterschiedlichen Fabrikaten unterwegs gewesen waren. Obwohl beide Rothmans Hondas fuhren, arbeiteten sie klugerweise in getrennten Trucks und Boxen. Lawson holte sich übrigens den Titel.

Später bekam Wayne Rainey die Chance, seine bis dahin verborgene, aggressive Seite zu zeigen, als der aktuelle 250-ccm-Champion John Kocinski in die dominante Marlboro Yamaha 500 Mannschaft des Team Roberts aufstieg. Rainey verpasste keine Chance, seine Verachtung für den Emporkömmling zum Ausdruck zu bringen.

In gewisser Hinsicht könnte dies als Zeichen von widerwilligem Respekt angesehen werden. Das ist wahrscheinlich immer der Fall. Niemand muss sich mit einem Teamkollegen anlegen, der keine Bedrohung darstellt. So kam es 2005 zwischen Nicky Hayden, dem ultimativen Nice-Guy-Racer, und seinem damaligen Repsol-Honda-Teamkollegen Max Biaggi fast zum grossen Knall, weil dieser selbst in der Boxengasse ultra-knappe Überholmanöver wagte. Dass Hayden im folgenden Jahr von seinem damaligen Teamkollegen Dani Pedrosa in Estoril ausgeschaltet wurde – was ihn fast den Titel kostete – verzieh der Amerikaner dem Spanier irgendwann.

Dovi erscheint in einigen unvergesslichen Duellen. Zusammen mit Crutchlow von Tech 3 Yamaha behielten sie die Kämpfe um die Strecke bei, aber als ich Dovi fragte, ob die beiden freundschaftliche Beziehungen hätten, antwortete er: "Freunde sind ein großes Wort". Dovi und der spätere Ducati-Teamkollege Andrea Iannone waren schlechte Freunde, vor allem, nachdem letzterer Dovi 2016 in Argentinien niedergeschlagen hatte, und umso mehr, als Dovi trotz der oft besseren Ergebnisse von The Maniac von Ducati übernommen wurde.

Aber Dovis wahre Wut auf seinen Teamkollegen entfachte sich in den letzten beiden Jahren, die er an der Seite von Jorge Lorenzo bestritt. Kein Wunder, schliesslich fuhr er sehr viel bessere Resultate als der Spanier ein, der trotzdem deutlich mehr als der Ducati-Routinier verdiente.

2019 startete unter ganz anderen Vorzeichen, denn Dovi wird an der Seite von Landsmann Danilo Petrucci für Ducati antreten. Der Neuling zog sogar in die Nähe des Altmeisters, damit die beiden Teamkollegen zusammen trainieren können. Auch an der Teampräsentation demonstrierte man Einigkeit und beide Fahrer betonten, wie viel sie von ihrem Stallgefährten Lernen können. Wir werden sehen, wie lange sich das hält.

Und wir werden sehen, wie es zwischen den neuen Honda-Teamkollegen Lorenzo und Márquez laufen wird. Jorge hat viel Erfahrung mit Feindseligkeiten im Team, und diese wurden nicht immer von ihm selbst verursacht. Bei Yamaha war Rossi absolut schäbig zu ihm, sodass er das Team schliesslich angewidert verliess.

Marc war in den kleineren WM-Klassen hingegen alleine unterwegs und in der MotoGP fuhr er neben dem harmlosen Pedrosa. Und er hat sicherlich mitbekommen, dass Jorge seit 2013 der einzige Fahrer ist, der ihm den Titel streitig machen kann.

Dass beide Repsol-Honda-Fahrer einander WM-Punkte wegnehmen werden, verleiht dem Teamduell noch mehr Würze. Denn das könnte einem konstanteren Fahrer wie Valentino Rossi oder Maverick Viñales die Möglichkeit eröffnen, sich die Titelkrone zu schnappen. Haltet euch bereit, denn dieses Jahr wird historisch.

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