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Warum Honda alles tun wird, damit Lorenzo gewinnt

Kolumne von Michael Scott
Márquez und Lorenzo sind noch kein Dream-Team

Márquez und Lorenzo sind noch kein Dream-Team

Als 14. der MotoGP-WM liegt Jorge Lorenzo schon 96 Punkte hinter seinem Repsol-Honda-Teamkollegen Marc Márquez. Die Gerüchteküche brodelt – aber der Mallorquiner hat ein Ass im Ärmel.

Bei einem gemeinsamen Abendessen in Le Mans ist mir wieder einmal bewusst geworden, wie klein und zart Jorge Lorenzo eigentlich gebaut ist. Das würde man nie glauben, wenn man ihn im Rennleder auf dem Fernsehbildschirm sieht. Besonders wenn er stürzt und sich die Airbags aufblasen.

Oder schauen sie sich Márquez an: 1,69 Meter. Ebenfalls ein Knirps. Er hat nur groß ausgeschaut, wenn er neben Dani Pedrosa stand. Abgesehen von drei 1,81-Meter-großen Riesen – Rossi, Petrucci und Rookie Mir – ist klar, dass eine kleine Statur von Vorteil ist. Der kleinste ist übrigens Dovizioso mit 1,67 Meter.

Wer hätte das gedacht? Man vergisst leicht, dass die MotoGP-Superhelden nur ganz normale Typen sind. Aber mit ungewöhnlichen (und herausragenden) Talenten und, was vielleicht noch wichtiger ist, besessenem Ehrgeiz.

Lorenzo ist besonders vom Ehrgeiz besessen. Und das bereits seit 2002, als er als frisches Gesicht in die Weltmeisterschaft kam und in Jerez bis auf den zweiten Trainingstag warten musste, bevor er alt genug war, um fahren mit siener Werks-Derbi 125 zu dürfen.

Mit Jorge gab es immer schon eine besondere Intensität, in Wort und Tat. Das ist offensichtlich und zwar nicht nur in der Art und Weise, wie er sein Personal wechselt (niemand bleibt lange im Lorenzo-Camp), sondern auch die Teams. In der MotoGP-WM hätte er bei Yamaha bleiben und weitere Titel – zu den drei bereits gewonnen – hinzufügen können. Sein Fahrstil hat mit dem Motorrad gut funktioniert und mit dem Team hat es auch gepasst. Aber das hätte bedeutet, dass er weiter mit dem Teamkollegen aus der Hölle, Rossi, hätte leben müssen. Und der hat für niemand so schnell Erbarmen. Rossi hat alles dafür getan, Jorge das Leben schwer zu machen.

Jorge wurde nie ein Sympathieträger

Jorge, der keine Kompromisse eingeht, ist irgendwie immer er selbst, aber auf eine andere Art und Weise. Anders als Rossi hat er nie versucht, ein Sympathieträger zu sein. Oder falls er es getan hat, dann eher tollpatschig und ohne Erfolg. Im fehlt Rossis Spontanität und die wahnsinnige Fangemeinde. Lorenzos Fans verehren ihn aus Respekt und nicht wegen seines Charmes oder Charismas.

Wie auch immer, er hat den schwierigen Weg gewählt und ist nach 2016 zu Ducati Corse gegangen. Diese Entscheidung wurde ihm durch die gemunkelte Rekordsumme von 25 Millionen Euro für zwei Jahre erleichtert. Nach mehr als einem Jahr, in dem sich Lorenzo bemühte, seinen Fahrstil komplett zu ändern und gleichzeitig versuchte, das Bike seinem Style anzupassen, gelang ihm 2018 in Mugello endlich, was Rossi während seiner Zeit mit dem italienischen Team nie schaffte. Er begann zu gewinnen.

Es hat mehr als eine gesamte Saison gedauert, aber von da an war er immer vorne mit dabei, bis er in Aragón stürzte und verletzte und dann in Thailand wegen eines technischen Defekts von der Maschine geschmissen wurde. Der süßeste seiner drei Siege war der in Österreich, wo er Márquez in der letzten Kurve überholte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Jorge sich endlich mit der roten Desmosedici angefreundet, aber es war bereits zu spät. Ducati wollte Geld sparen und Jorge wollte geschätzt werden. Er meldete sich bei HRC – und sie haben zugegriffen. Auf die billige Tour.

Es war nicht überraschend, dass er nicht einfach auf Márquez’ Motorrad sprang und gleich gewann. Zudem wurde sein Anpassungsprozess wiederholt von Verletzungen unterbrochen.

Das führte dazu, dass ein spanischer Journalist in der Woche vor Le Mans auf Angriff ging. Angestachelt von vagen Twitter-Gerüchten schrieb die spanische Sport-Tageszeitung AS, dass Honda bereit wäre, Lorenzos Vertrag frühzeitig zu beenden – schon nach einem statt nach zwei Jahren.

«Fake News», kommentierte der Rest der Presse. Und ein wütender Lorenzo. Er hatte schließlich 23 schlechte Rennen mit Ducati hinter sich, wenn man von Sepang 2017 (Platz 2) absieht, bevor er den ersten seiner drei Siege feierte. Le Mans war erst sein fünftes Rennen mit Honda, er wurde Elfter. In Mugello landete er zuletzt auf Platz 13.

Nicht großartig, aber es gibt eine andere Dimension, die diesem Gerücht widerspricht. Bei Honda hat man immer gerne geglaubt, dass es das Motorrad ist, das gewinnt, und nicht der Fahrer. Folglich ist Márquez’ andauernde Überlegenheit vielleicht gut für die Trophäen-Sammlung, aber nicht für das Ego der Ingenieure.

Honda will – ohne Zweifel – beweisen, dass sie nicht von Márquez abhängig sind. Die Siegesrate seines ehemaligen Teamkollegen Dani Pedrosa ist während der letzten zwei Saisonen deutlich gesunken. Zeit für eine Veränderung.

Deshalb hat Lorenzo ein Ass im Ärmel. Sein Fahrstil ist ganz anders als jener des Weltmeisters, aber HRC wird alles probieren, damit er auf der Honda besser zurecht kommt. Dieses Jahr könnte es schwierig werden, weil die Motorenentwicklung eingefroren ist und man nur noch mit dem Chassis, der Elektronik und dem Fahrwerk spielen kann. Aber sie hatten sowieso nicht damit gerechnet, dass es von Anfang an perfekt laufen würde. Für das nächste Jahr wird HRC aber nichts davon abhalten, ein spezielles Motorrad für Jorge zu entwickeln. Es geht auch um Details wir die Sitzposition, und diese lässt sich gewiss noch 2019 verbessern.

Abgesehen von der körperlichen Größe und der emotionalen Distanz, sollten wir Jorge noch nicht abschreiben. Vielleicht erleben wir dieses Jahr von ihm keinen Sieg mehr, auch wenn ich es trotzdem für möglich halte. 2020 wird es sicherlich weitere geben. Das würde ihn zum erst fünften Fahrer aller Zeiten (gemeinsam mit Hailwood, Lawson, Mamola und Capirossi) machen, der mit drei verschiedenen Herstellern gewonnen hat.

Ich bin mir nicht sicher, ob er Márquez ersetzen kann, aber vielleicht muss er das auch gar nicht.

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