Großer Einsatz: Der Kampf um die MotoGP-Verträge

Von Manuel Pecino
Der Fahrermarkt ist zur Zeit heiß umkämpft, denn 20 der 24 MotoGP-Piloten haben einen Vertrag, der nur bis zum Ende des Jahres läuft. Wie funktioniert der Vertragspoker in der MotoGP?

Die Arbeit der Manager, die die Interessen der Fahrer vertreten und die Aktivitäten derer, die dasselbe für die Teams tun, sind aktuell sehr gefragt. Die Erstgenannten suchen nach den bestmöglichen Verträgen für ihre Fahrer, die anderen suchen die Fahrer, die am besten zum jeweiligen Projekt passen und gleichzeitig die geringsten Kosten verursachen.

Daraus resultiert in der Regel ein Interessenkonflikt, der zu einem wahren Pokerspiel führt. Keine der Seiten lässt sich in die Karten blicken, und zwischenzeitlich ist auch noch Raum für so manchen Bluff. Das gehört zum Spiel.

Ein Spiel, das zeitlich begrenzt ist, denn weder ein zu früher, noch ein zu später Vertragsabschluss macht Sinn. Unterschreibt ein Fahrer einen Vertrag sehr früh, dann ist es so, dass die Gegenseite mit den Forderungen einverstanden ist, ohne dass es langwierige Verhandlungen gab. Normalerweise geschieht so etwas, wenn ein Werk klar auf einen Fahrer setzt und nicht möchte, dass dieser wo anders fährt.

So ist es beispielsweise bei der Vertragsverlängerung von Maverick Viñales bei Yamaha gewesen. Damals gab es Angebote von Ducati, somit musste Yamaha 2020 einen Monat vor Saisonbeginn handeln und den Vertrag um zwei Jahre bis Ende 2022 verlängern. Auch in diesem Jahr passierte so etwas mit Pecco Bagnaia. Ducati verlängerte vor den Saisonstart den Vertrag um zwei Jahre bis Ende 2024.

Tatsächlich ist Bagnaia einer von drei Fahrern, die einen Vertrag für 2023 und 2024 besitzen. Zusätzlich sind es Marc Márquez (Honda), Brad Binder (KTM). Franco Morbidelli hat bei Yamaha einen Vertag bis Ende 2023.

Zurück zu den Managern. Welche Profile, Merkmale und Kenntnisse haben sie? Wie sieht ihre Vorgeschichte aus? Wir müssen zwischen Fahrer-Managern und Teammanagern unterscheiden. Es gibt klare Unterschiede zwischen diesen beiden Positionen.

Das Profil eines Fahrer-Managers kann sich sehr unterscheiden
  • Es gibt Agenturen, die Sportler vertreten
  • Professionelle Manager
  • Ehemalige Fahrer, die von ihrer Erfahrung profitieren, um aktive Fahrer zu managen
  • Opportunisten, die zu Managern werden, indem sie das Vertrauen eines Fahrers oder deren Eltern gewinnen
  • Eltern, die die ihre eigenen Kinder vertreten
  • Und letztendlich gibt es Fahrer, die ihre eigene Karriere managen.

Ein Fahrer, der einige dieser Phasen in seiner Karriere durchlaufen hat, ist Dani Pedrosa. Lange Jahre war es Alberto Puig, ein ehemaliger Fahrer, der ihn offiziell vertreten hat. Als ihre Wege auseinander gingen, kümmerte sich Dani selbst um seine Belange. Das bedeutete nicht nur, dass er seinen Honda-Vertrag verlängern musste, sondern er auch mit seinen persönlichen Sponsoren verhandeln musste. Das forderte seinen Tribut, denn Pedrosa verlor seinen Fokus. Um die verlorene Zeit zurückzugewinnen, stellte er schließlich die in den USA ansässige Agentur Wasserman Group für die Athletenvertretung ein, die er später wieder fallen ließ. Vice President der Wasserman Group ist der ehemalige Motocross-Weltmeister Bob Moore, die heute zum Beispiel die Interessen von Brad Binder vertritt. 

Sinnvoll ist es, wenn Verhandlungen von professionellen Managern geführt werden, die auch das Fahrerlager kennen. In der aktuellen MotoGP-Saison stechen einige Manager mit diesem Profil hervor. Einer von ihnen ist sehr bekannt, Carlo Pernat, eine Legende der Meisterschaft, durch dessen Hände Fahrer wie Loris Capirossi, Marco Simoncelli und Andrea Iannone gegangen sind und der jetzt Enea Bastianini und Tony Arbolino managt, beide Rennsieger in dieser Saison.

Aber das Auffälligste in Pernats Karriere ist, dass er, bevor er Fahrer managte, Sportmanager von zwei Herstellern war: Cagiva und Aprilia. Dort saß er mit den Managern von Max Biaggi, Valentino Rossi und vielen anderen auf der anderen Seite des Tisches. Daher kennt wohl niemand die Geheimnisse eines guten Managements besser als Pernat.

Ein guter MotoGP-Manager muss nicht nur ein guter Verkäufer und Verhandlungsführer sein, sondern auch sehr auf das Timing achten. In den Verhandlungen mit dem potenziellen Arbeitgeber muss er natürlich andere mögliche Optionen einbringen, die sein Fahrer hat, egal ob sie wirklich wahr sind oder nicht. Es wird ihm eventuell helfen, ein höheres Angebot zu bekommen, aber wenn sich während des Tauziehens die Alternativen schließen, kann es passieren, dass am Ende nur eine einzige Option übrig bleibt. Und dann verwandelt sich das Pokerspiel in eine «Take it or leave it»-Situation. Das richtige Timing ist daher auch ein großer Schlüsselfaktor in jeder Verhandlung.

Hier ein Blick hinter die Kulissen. Wer sind die Manager der MotoGP-Piloten und wie sieht deren Background aus?
 Fahrer Manager   Hintergrund
Fabio Quartararo Eric Mahé Ehemaliger Fahrer
Enea Bastianini Carlo Pernat Professioneller Manager
Alex Rins Miguel Galvarriato Rechtsanwalt
Aleix Espargaró Albert Valera Professioneller Manager
Joan Mir Francisco Sanchez  Rechtsanwalt
Jack Miller Aki Ajo Moto2-Teambesitzer
Jorge Martin Albert Valera Professioneller Manager
Márquez Brüder Emilio Alzamora Ehemaliger Fahrer
Pecco Bagnaia VR46 Riders Academy  
Franco Morbidelli VR46 Riders Academy  
Andrea Dovizioso Simone Battistella Professioneller Manager
Taka Nakagami Seine Mutter 
Maverick Viñales Giovanni Balestra Ehemalige Führungskraft eines multinationalen Unternehmens
Johann Zarco Er selbst  
Miguel Oliveira Vater Paulo  
Remy Gardner Paco Sanchez Rechtsanwalt
Binder Brüder Wasserman Media Group  
Raúl Fernández Management Agentur 2KARS  
Pol Espargaró Homer Bosch Ehemalige Führungskraft eines multinationalen Unternehmens
Marco Bezzecchi VR46 Riders Academy 
Luca Marini VR46 Riders Academy  
Fabio Di Giannantonio Diago Tavano Ehemaliger Fußballspieler

Die große Frage, die sich nun stellt: Wie viel Geld verdient ein Fahrer-Manager? Wenn wir die Manager mit familiärem Bezug außen vor lassen, erhält ein Manager zwischen 5, 10, 15, 20 oder gar 25 Prozent eines Fahrervertrags. Dieser Prozentsatz ist stark abhängig von der Fahrergage um vom Umfang der Betreuuung. Manche Manager erledigen auch noch die Buchhaltung und die Steuererklärung, dann kann die Provision eben auf 25 Prozent steigen. Üblich sind sonst maximal 15 Prozent. Bei einem Multi-Millionendeal ist der Satz oft geringer als bei einem fünf- oder sechsstelligen Betrag.

Manager von Fahrern haben nicht nur mit den Werken oder Teams zu tun, die ihre Fahrer einstellen, sondern müssen auch mit Herstellern von Helmen, Leder-Ausrüstung und anderen Artikeln sowie mit den persönlichen Sponsoren der Fahrer verhandeln, da sie für Energy-Drinks, Sonnenbrillen und ähnliche Dinge werben.

Kommen wir nun zu den Teammanagern. Je nach Hersteller unterscheidet sich die Bedeutung des Begriffs.

Bei Ducati, Yamaha und KTM sind die Teammanager – Davide Tardozzi, Massimo Meregalli und Francesco Guidotti – im Wesentlichen die Manager der Box. Sie sind für den reibungslosen Ablauf in der Box während der Rennen verantwortlich. Trotz des Teammanager-Titels sind sie oft nicht wesentlich für die Verpflichtung von Fahrern zuständig. Bei diesen Marken sind andere Personen dafür verantwortlich.

Bei Yamaha verhandelt Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, die endgültigen Entscheidungen werden gemeinsam mit den YMR-Chefs aus Japan getroffen. In der KTM-Organisation entspricht diese Rolle dem Motorsport-Direktor Pit Beirer, der sich mit dem KTM-Vorstand und Firmenchef Stefan Pierer abspricht. Bei Ducati ist es Paolo Ciabatti, Sportdirektor von Ducati, der gemeinsam mit Gigi Dall'Igna und Ducati-CEO Claudio Domenicali Entscheidungen trifft. Er führt die Verhandlungen, obwohl am Ende Gigi Dall’Igna, der General Manager von Ducati Corse, das letzte Wort hat.

Bei Honda und Suzuki übernehmen die Teammanager die Verantwortung für die Überwachung des ordnungsgemäßen Ablaufes innerhalb der Teams bei den Grand Prix. Teamprinzipal Alberto Puig und Livio Suppo tragen die Verantwortung für die Verhandlungen und die Unterzeichnung potenzieller Fahrer, aber das letzte Wort haben die Japaner.

Im Fall von Aprilia Racing ist es Massimo Rivola, der ehemalige Sportdirektor von Ferrari in der Formel 1, jetzt CEO von Aprilia Racing, der für die Fahrerverhandlungen und die Entscheidungen mitverantwortlich ist. Das Kommando führt aber Piaggio-Eigentümer Colaninno. 

Weitere Aspekte

Trotz dieser Vielfalt unter den eigentlichen Teammanagern sollten ihre Fähigkeiten grundsätzlich gleich sein. Sie müssen nicht nur gute Verhandlungsführer sein, sondern auch wissen, wie man einen Fahrer auswählt, der in Bezug auf Fahrstil, Charakter und Image zum Projekt der Marke passt. Es stimmt, dass der Speed des Fahrers die wichtigste Anforderung ist, aber es ist auch wichtig zu berücksichtigen, wie einfach oder schwierig es sein kann, täglich mit ihm zu arbeiten.

Zum Beispiel kann es wichtig sein, dass der Reisepass des Kandidaten den Anforderungen des Sponsors entspricht, wie bei einem vom Team LCR gesponserten Idemitsu-Motorrad, das von einem japanischen oder zumindest asiatischem Fahrer gefahren werden muss. Dasselbe gilt für das Repsol Honda Team, wo empfohlen wird, dass mindestens einer ihrer Fahrer Spanier sein soll.

Von einem Teammanager wird erwartet, dass er das Team im größten Interesse des Unternehmens führt, für das er oder sie arbeitet. Deshalb ist das Profil der oben erwähnten Werksteamleiter das eines Managers. Paolo Ciabatti von Ducati war einst der Leiter der Superbike-Weltmeisterschaft; Livio Suppo von Suzuki war zuvor privater Teammanager und später Sportdirektor von Ducati MotoGP und Werksteamchef von HRC; und Massimo Rivola war einige Jahre lang für Ferrari in der Formel 1 tätig.

Alberto Puig ist der einzige MotoGP-Teammanager, der auch ein ehemaliger Fahrer ist. Und das zeigt sich sehr deutlich in der Art und Weise, wie er damit umgeht. Puig handelt auf seine eigene Weise. Er ist der einzige, der zum Beispiel an den Boxenmauern der Rennstrecken steht, um seinen Fahrern zu signalisieren, schneller zu fahren. Puig denkt und spricht immer noch wie ein Fahrer.

Man darf nicht vergessen, dass die Fahrer einen Vermögenswert der Unternehmen darstellen, und müssen die Manager sie im besten Interesse des Unternehmens betreuen. Ein Fahrer ist zwar kein Gebäude, aber wenn ein Unternehmen viele Millionen pro Jahr in einen Athleten investiert, ist der Teamchef für ein gutes Fahrer-Management verantwortlich. Und das stimmt manchmal nicht mit dem Willen oder den Entscheidungen des Fahrers überein.

In dieser Hinsicht gibt sich Livio Suppo sehr direkt: «Wenn du für ein Team verantwortlich bist, musst du es vermeiden, ein Freund eines Fahrers zu werden. Denn eines Tages wird der Zeitpunkt kommen, an dem das Team oder der Fahrer einen anderen Weg nehmen wird. Ist die Beziehung zu nah, kommt es zu Problemen. Ein Teammanager ist gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet, immer das zu tun, was für seinen Arbeitgeber am vorteilhaftesten ist, und das ist schwierig, wenn eine zu enge Beziehung besteht», betont Suppo.

Fahrer- und Teammanager werden ihr Pokerspiel in den nächsten Wochen fortsetzen, nun sind die Spielkarten bekannt.

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