Cal Crutchlow hält Ducati den Spiegel vors Gesicht

Von Günther Wiesinger
Cal Crutchlow ist Mister Gnadenlos. Noch nie hat ein Rennfahrer so eiskalt die Probleme der Desmosedici auf den Tisch gelegt. Nicht einmal Valentino Rossi war so mutig.

Die Gespräche von Cal Crutchlow mit den GP-Berichterstattern waren im Winter noch von Begeisterung, Hoffnung und Vertrauen zum Können von Gigi Dall’Igna geprägt.

Aber spätestens seit dem Jerez-GP sind sie als permanente Anklage Richtung Ducati zu bewerten.

Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti hört sich diese Abrechnungen manchmal live an. Mit sichtlichem Widerwillen.

Und bei Ducati wird wohl inzwischen bedauert, dass der letztjährige WM-Fünfte (damals auf Tech3-Yamaha) einen Zwei-Jahres-Vertrag erhalten hat, den nur er selber per Jahresende auflösen kann.

«Alle Ducati-Fahrer haben das gleiche Probleme. Wir haben Mühe, um die Kurven zu fahren», stellte Crutchlow zum Beispiel letzten Freitag in Barcelona fest. «Das Bremsverhalten des Motorrads ist fantastisch. Aber beim Einlenken und beim Gasaufdrehen, da haben wir massive Probleme; das hat mit den hohen Belagstemperaturen zu tun und mit dem schmierigen Gefühl, das uns vermittelt wird. Ich sage dasselbe wie Andrea Dovizioso, er sagt dasselbe wie Pirro, und Pirro sagt dasselbe wie Iannone. Wir kennen die Situation. Wir wissen: Bei Hitze und in Kurven, die immer enger werden und zumachen, ist es sehr schwierig für die Ducati. Ich habe in den zwei Freitag-Sessions überhaupt nichts Positives gefunden. Ich habe das Bike ändern lassen, aber an der Rundenzeit hat sich nichts geändert. Am Ende der zweiten Freitag-Session habe ich einen eichen Hinterreifen reinstecken lassen. Ich bin damit langsamer gewesen als mit dem gebrauchten harten Hinterreifen. Hm... das ist die Situation. Die Realität sieht so aus: Ich war das ganze Jahr noch nie in der Lage, eine schnelle Runde zu fahren. Trotz des weicheren Hinterreifens, den wir kriegen... Ich habe hinten genau so viel Wheelspin mit dem brandneuen weichen Hinterreifen wie mit dem 16 Runden alten normalen Reifen.»

Cal Crutchlow: EIn Mann redet Klartext

Marlboro und Ducati konnten sich ausmalen, dass sie mit Cal Crutchlow keinen Duckmäuser einkaufen, sondern einen Kämpfer, der aus seinem Herz keine Mördergrube macht, der Klartext redet, der den Ducati-Ingenieuren mutig und tapfer den Spiegel vors Gesicht hält. Aber sie nahmen das im Kauf, weil sie dachten, Crutchlow werde das Letzte aus der Ducati rauspressen und ihre Schwächen übertünchen. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Und es lässt sich nicht verheimlichen: Seit Casey Stoner 2007 (damals mit dem Stahlrahmen) kam mit der Desmosedici niemand mehr zurecht, kein Melandri, kein Gibernau, kein Hayden, kein Rossi, und die Leistungen von Dovizioso sind zwar erstaunlich, aber auch er verliert im vierten Jahr des Aluminium-Fahrwerks im Rennen noch 16,1 Sekunden (Barcelona) und preist diese Abstände dann als Achtungserfolg an. Dass er in Las Termas als Neunter 33,6 sec eingebüsst hat, haben wir aber nicht vergessen.

Und: Bei den letzten drei Rennen war «Dovi» Achter, Sechster und Achter.

Dabei wollte Ducati schon 2013 permanent wieder um Podestplätze fighten und 2015 wieder um den WM-Titel.

Und wo Ducati 2014 ohne die Vorzüge der Open-Class (zwölf statt fünf Motoren, Motorentwicklung nicht eingefroren, 24 statt 22 Liter, kaum Testverbote, weichere Hinterreifen) wäre, wollen wir uns gar nicht vorstellen.

«Wir sind in der Kurvenmitte in eklatantem Ausmass zu langsam», hält Crutchlow unerbittlich fest. «Da sind sogar eine Menge der Open-Class-Bikes besser als wir. Wir haben sicher ein schnelles Motorrad – und wir haben in der Bremszone ein grossartiges Bike. Aber wir riskieren zu viel, um brauchbare Rundenzeiten zu fahren. Wir können immer nur hoffen, dass die Strecken abkühlen... Und das ist dieselbe Situation für alle Ducati-Fahrer.»

Auf kühle Asphalttemperaturen wird sich Crutchlow in absehbarer Zeit nicht wirklich verlassen können, denn am 21. Juni ist bekanntlich Sommerbeginn.

«Wir wussten, was uns in Barcelona erwartet, die Piste ist schmierig, wir haben langgezogene Kurven... In Turn 3 kommt viel Hitze in die Reifen, in Turn 4 hast du dann keinen Grip mehr, so ist es halt. Und mit der Ducati werden diese Probleme noch vervielfacht», wetterte Cal. «Denn wir haben schon von vornherein keinen Grip. Wir wissen, dass es für uns immer besser ist, wenn wir auf eine kühlere Piste kommen. Trotzdem unternehmen wir alles, um in Zukunft besser dazustehen. Am besten schon morgen...»

Crutchlow sagte, der Zustand der Catalunya-Piste sei schlechter gewesen als im Vorjahr. «Es gibt mehr Bodenwellen, die Formel-1-Autos haben den Belag so holprig gemacht. Aber dieses schlüpfrige, schmierige Feeling hat mit der Hitze zu tun. Und mit den Reifen, die wir jetzt haben. Das halbe Problem machen diese hitzebeständigen neuen Reifen aus. Sie fühlen sich sehr ähnlich an wie jene aus dem Jahr 2011, als ich in die MotoGP-Klasse gekommen bin. Wir haben kein wirkliches Gefühl mit ihnen. Ich denke, deshalb hat Lorenzo so viel Mühe. Ich hatte 2011 viele Stürze. Ich habe nachher drei Jahre damit verbracht, meine Fahrweise an jene von Jorge anzupassen, mit so viel Kurvenspeed wie er zu fahren. Und jetzt habe ich ähnliche Probleme wie er. Sobald es uns gelingt, unser Paket diesen neuen hitzebeständigen Reifen anzupassen, werden wir etwas besser abschneiden. Aber momentan ist die Piste die Piste und die Situation ist die Situation.»

Es ist das alte Lied: Ducati ist es auch im sechsten Jahr der Einheitsreifen nicht gelungen, ihr Paket den Erfordernissen der Bridgestone-Reifen anzupassen.

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