Fazit «Monte»: Loeb und Tänak unter Wert geschlagen
Mit sieben WP-Siegen nur theoretisch Schnellster – ein Reifenschaden kostete Ott Tänak den Sieg
Das war es also, das knappste Ergebnis in der Geschichte der seit 1911 veranstalteten Rallye Monte Carlo. 2,2 Sekunden trennten Sieger Sébastien Ogier (Citroën) und Thierry Neuville (Hyundai) auf Rang zwei. Bei einer Rallye, bei der die Unterschiede gelegentlich in Minuten gemessen werden!
Wenn das ein Fingerzeig auf den Verlauf der restlichen Saison gewesen war, können wir uns auf ein mindestens so spannendes Jahr wie das letzte gefasst machen.
Zumal mindestens zwei Fahrer unter Wert geschlagen wurden. Sébastien Loeb (Hyundai), mit sieben Siegen für mich immer noch Rekordhalter – Ogier hat 2009 eine nicht zur WM zählende Monte gewonnen –, ging unter denkbar schlechten Voraussetzungen an den Start. In einem Auto, dass er erst in einem zweitägigen Test am Wochenende vor der Rallye kennengelernt hatte und dass er sicherlich noch nicht perfekt auf seinen Fahrstil abstimmen konnte.
Außerdem haben sich seit seinem letzten Monte-Start 2015 die Strecken stark verändert. «Zehn Kilometer von meinem alten Aufschrieb konnte ich noch verwenden», behauptete der Franzose. Vom vorteilhaften Startplatz vier ins Rennen gehend, zählt Loeb für mich eindeutig zu den Favoriten auf den Sieg beim kommenden WM-Lauf in Schweden.
Auch für Ott Tänak (Toyota) wäre mehr drin gewesen als Rang drei. Mit sieben WP-Bestzeiten war der Este klar der Schnellste im Feld. Nach dem Reifenschaden (WP 7) betrug sein Rückstand auf die Spitze 2.39 Minuten, im Ziel nur noch 2.15 Minuten.
Aber wie schon 2018, stand sich Toyota wieder einmal selbst im Weg. Die Performance des Yaris WRC ist offenbar mit hohen Risiken auf der Technikseite erkauft. Dieses Mal waren es besonders leichte Felgen. Die brachten zwar pro Rad angeblich 300 Gramm Gewichtsersparnis. An dem Limit, an dem sich die 2019er Generation der World Rally Cars bewegt, möglicherweise ein Vorteil.
Dumm nur, dass die Felgen den Belastungen beim Kurvenschneiden nicht standhielten. Auch Teamkollege Kris Meeke wurde von beschädigten Felgen um eine Spitzenplatzierung gebracht.
Teamchef Tommi Mäkinen nutzte die erste Gelegenheit, um von Fehlern des Teams abzulenken. Als die WP 3 wegen direkt am Streckenrand geparkter Wohnmobile abgesagt wurde, platzte die Reifen-Strategie der Toyota-Piloten. Der zu diesem Zeitpunkt führende Ott Tänak hatte den Service nämlich mit vier montierten Winterreifen mit Spikes und zwei Slicks der Kategorie Super-Soft im Kofferraum verlassen.
Damit wären sie auf der teilweise verschneiten WP 3 perfekt aufgestellt gewesen. Der Zeitverlust auf den folgenden beiden, weitgehend trockenen WP hätte sich nach internen Berechnungen in Grenzen gehalten. Die Absage von WP 3 machte einen dicken Strich durch diese Rechnung.
Mäkinen witterte Verrat, schoss abwechselnd gegen die FIA, gegen die Sicherheitsbeauftrage Michèle Mouton und den Veranstalter. Der Finne, selbst viermaliger Monte-Sieger, forderte für solche Fälle die Absage der gesamten Schleife und behauptete sogar, die Information über die Absage hätten die anderen Teams noch rechtzeitig bekommen.
Was Mäkinen übersah: Auch die später Erst- und Zweitplatzierten hatten ähnlich gewählt. Ogier setzte am Freitagmorgen auf vier Spikereifen und zwei Soft-Slicks. Neuville hatte mit drei Spikes und drei Slicks unterschiedlicher Härtegrade den besten Riecher. Tatsächlich übernahm der Belgier am Ende der Schleife die Führung. Zu diesem Zeitpunkt betrug Tänaks Rückstand nur 16,9 Sekunden – ohne den späteren Reifenschaden hätte er die locker aufgeholt.
Alles in allem war das Tempo der Toyota trotz der Probleme – je nach Standpunkt – beruhigend oder beängstigend. Kris Meeke war im Shakedown Schnellster und gewann überlegen die Powerstage. «Da können wir derzeit nicht mithalten, wir müssen uns etwas einfallen lassen», sinnierte Thierry Neuville, der sich ansonsten nach der Zieldurchfahrt einen verbalen Kleinkrieg mit Sébastien Ogier lieferte.
Der Sieger hatte die kleine Schwächeperiode am Sonntagmorgen, als Neuville bis auf 0,4 Sekunden (!) herankam, mit einem Fehler im elektronischen Gaspedal erklärt. «Es bleibt stecken und gibt beim Bremsen weiter Gas», beschrieb er. «Wer’s glaubt, wird selig», konterte Neuville, der hinter Ogiers Aussagen eher Psychotricks vermutete. «Sébastien hat immer technische Probleme, wenn’s bei ihm nicht richtig läuft.»
Der Fehdehandschuh liegt für den Rest der Saison also im Ring. Ogier, Neuville, Tänak und Loeb haben bei der Monte wohl kaum durch Zufal die ersten vier Ränge belegt. Die Krux ist, dass auch nach der Rallye Schweden keine Klarheit über die neuen Kräfteverhältnisse herrschen dürfte.
Verläuft die Rallye normal, hat Ogier als Erster in der Startreihenfolge am Freitag praktisch keine Siegchance. Neuville steht als Zweitplatzierter auch nicht viel besser da. Tänak und Loeb sind schon besser dran. Wenn ich wetten würde, würde ich aber mein Geld auf Jari-Matti Latvala setzen. Der Finne hat mit Startplatz fünf von den potenziellen Siegkandidaten die perfekte Ausgangsposition. Hoffentlich halten seine Nerven.