Monte Carlo: Was wir daraus gelernt haben
Heizt hoffentlich den VW Polo R WRC in Zukunft kräftiger ein – der neue Hyundai i20 WRC
1. Latvala ist glimpflich davon gekommen
Ich möchte hier nicht die Diskussion weiterführen, ob Jari-Matti Latvala den Zuschauer gesehen hat oder nicht (siehe dazu auch Punkt 2). Ich versetze mich einfach mal in die Lage der Sportkommissare. Sie haben «JML» nicht geglaubt, dass er die Kollision mit dem Mann nicht bemerkt hat, der offensichtlich lieber seine Kamera retten wollte, als vor einem außer Kontrolle geratenen Rallyeauto zu fliehen.
Vor dem Hintergrund dieser Annahme ist die Strafe milde ausgefallen. Als Andreas Mikkelsen bei der Rallye Polen 2014 über eine Wiese abkürzte, wo theoretisch hätten Zuschauer stehen können, machten die damals zuständigen Kommissare sehr, sehr klar: Wenn Rallyefahrer Zuschauer gefährden, wird hart durchgegriffen.
5.000 Euro Geldstrafe ist meiner Meinung nach nicht sonderlich hart. Zum Vergleich: Wer auf einer Wertungsprüfung zum Beispiel zum Reifenwechsel anhält und vergisst, den obligatorischen OK-Knopf zu drücken, um damit der Rallyeleitung mitzuteilen, dass kein Notfall vorliegt, zahlt 1.000 Euro Strafe. Bei der Rallye Monte Carlo haben die Sportkommissare damit einige Amateure verdonnert, die erstens nicht jedes zweite Wochenende eine WM-Rallye mit entsprechenden Prozeduren fahren, und zweitens ohnehin mit knappen Budgets arbeiten.
5.000 Euro für zwei gut bezahlte Werkspiloten – mit der Strafe wurde ausdrücklich auch Latvala-Beifahrer Miikka Anttila belegt – klingen da nach einem Sonderangebot. Zumal Mikkelsen vor zwei Jahren alleine für die theoretische Möglichkeit, Zuschauer zu gefährden, exakt dieselbe Summe zahlen musste.
Jari-Matti Latvala ist unter allen Profis sicherlich der ehrlichste und außerdem der mit der weißesten Weste. So gesehen ist immerhin die Entscheidung der Sportkommissare nachvollziehbar, die eine WM-Rallye betreffende Sperre zur Bewährung auszusetzen.
2. Zuschauerkontrolle? Welche Zuschauerkontrolle?
Im Vergleich zu manch anderen «Fans» stand der von Jari-Matti Latvala auf die Hörner genommene Zuschauer an einer, sagen wir mal, nur mittel-gefährlichen Stelle. Denn wenn man sich die Inboard-Aufnahmen, vor allem aus den beiden Nachtprüfungen am Donnerstag anschaut, fühlt man sich in die 1980er Jahre zurück versetzt.
Zuschauer standen manchmal mitten auf der Straße, sprangen erst im letzten Moment zur Seite. Auf vereister Fahrbahn! An anderen Stellen waren sie auf der Außenseite von verschneiten Kurven platziert. Angesichts Slick-bereifter Rallyeautos, die unter diesen Bedingungen auch von den besten Autofahrern der Welt nur begrenzt kontrollierbar sind, ein unglaublicher Leichtsinn. Citroën-Pilot Stéphane Lefebvre rodelte einmal mit ziemlichem Tempo durch eine Wiese und verpasste – unterhalb der Straße! – stehende Zuschauer nur ganz knapp. Hier wie dort war weit und breit kein Streckenposten zu sehen.
Es hatte den Anschein, als wäre Zuschauerkontrolle nur auf den im Fernsehen live übertragenen Wertungsprüfungen ein Thema. Dann aber so was von übertrieben, mit kräftiger Unterstützung der Polizei. Auf dem früher von Menschenmassen überrannten Col de Turini verloren sich ein paar Dutzend Zuschauer. Kein Wunder, wenn die Straße schon Kilometer vor dem Pass gesperrt ist und oben inzwischen so viele Betonsperren aufgebaut sind, dass man kaum noch die Rallyeautos sieht.
Würde mich mal interessieren, wie der Report der FIA-Beobachter in diesem Punkt aussieht.
3. Bitte mehr von Meeke!
Kris Meeke (Citroën) bewies erneut, dass der Sieg bei der Rallye Argentinien letztes Jahr keine Eintagsfliege war. Während die Kollegen vor Ehrfurcht zu erstarren schienen, hatte er als Einziger den Mut, Monte-Carlo-Dominator Sébastien Ogier (Volkswagen) Paroli zu bieten.
Obwohl er auf der einen oder anderen Prüfung sicherlich Nachteile durch seine späte Startposition hatte und mit schon verschmutzten Streckenabschnitten leben musste, lag er zeitweise sogar in Führung. Dass dann ein Stein, über den die Konkurrenten ohne Probleme drüber fuhren, Motorschutz und Getriebegehäuse knackte und so für den Ausfall sorgte, ist beinahe schon Ironie des Schicksals.
Ein Jammer, dass wir den Nordiren mit dem großen Herzen dieses Jahr nur selten zu sehen bekommen. Aber vielleicht denkt Citroën ja noch um und bestreitet mehr als nur ausgewählte WM-Läufe.
4. Ogier bleibt eine Klasse für sich
Ja, Meeke machte Ogier ordentlich Feuer. Aber während der Weltmeister stets so wirkte, als könne er notfalls noch eine Schippe nachlegen, war sein einziger Herausforderer am Limit. Und manchmal auch darüber. Meeke rutschte mehrfach von der Strecke, das erste Mal schon in WP 1. Jedes Mal kam er mit wenigen Sekunden Zeitverlust davon.
Derartige Schreckmomente waren beim späteren Sieger Fehlanzeige. Mit traumwandlerischer Sicherheit meisterte Ogier auch die schwierigsten Streckenbedingungen. Wem er einen großen Teil seines Erfolges verdankte, gab der VW-Pilot unumwunden zu: seinem neuen Eisspion Simon Jean-Joseph. «Seine Informationen waren fehlerlos», lobte er.
So vorbereitet, machte Ogier das Duell mit Meeke großen Spaß. Dass er sich selbstverständlich die drei Zusatzpunkte für den Sieg auf der Powerstage sicherte, war das Sahnehäubchen auf einem perfekten Wochenende. Kein Wunder, dass Ogier nach der Zieldurchfahrt sagte: «Am Sieg habe ich nicht einen Moment gezweifelt.»
5. Neuer Hyundai mit Fragezeichen
Hoffentlich war die Rallye Monte Carlo noch kein Gradmesser für das wahre Potenzial des brandneuen Hyundai i20 WRC. Zwar liegt die koreanische Marke nach der Rallye Monte Carlo punktgleich mit Volkswagen an der Spitze der Herstellerwertung. Auf der Strecke waren die Polo R WRC aber außer Reichweite.
Anfangs beschwerten sind Thierry Neuville und Dani Sordo – der dritte Mann, Hayden Paddon, fuhr noch im Vorjahresauto – über nicht passende Abstimmung. Wozu hatte man eigentlich im Vorfeld tagelang getestet?
Ein Dreifachsieg (!) in WP 12 war ein erstes Lebenszeichen, war aber vor allem einer unterschiedlichen Reifenstrategie geschuldet. Eine Prüfung weiter, als Ogier nach dem Meeke-Ausfall längst Tempo herausgenommen hatte, fuhr Neuville noch eine Bestzeit. Der dritte Rang war für ihn immerhin der Lohn für eine fehlerfreie Fahrt. Auch Rang zwei für Sordo auf der Powerstage ließ aufhorchen.
Bleibt zu hoffen, dass die im hessischen Alzenau beheimatete Mannschaft bei den nächsten Rallyes früher in Schwung kommt. Nichts bräuchte die Rallye-WM derzeit dringender, als einen dauerhaft starken Gegner für Volkswagen. «Die schnellen Rallyes sollten uns besser liegen», hofft Thierry Neuville.