Fazit Rallye Polen: Spannend wie lange nicht mehr
Ott Tänak wird von Sébastien Ogier und Hayden Paddon gefeiert
Die ersten Sechs innerhalb von einer Minute – so ein knappes Ergebnis gab es in der Rallye-WM schon lange nicht mehr. Spannend war die Rallye Polen also auf jeden Fall. Auch in Sachen Zuschauersicherheit hat der Veranstalter offensichtlich kapiert, wie der Weltmotorsportverband FIA das mit der «gelben Karte» gemeint hat.
Auch wenn das Fehlen von Nationalheld Robert Kubica in diesem Punkt sicherlich geholfen hat. Die Fangemeinde war gefühlt mindestens die Hälfte kleiner. An manchen Zuschauerpunkten jubelten mehr Esten als Polen.
Nicht nur aus diesem Grund steht die Rallye Polen als WM-Lauf weiterhin auf der Kippe. Der jahrelange Hauptsponsor Lotos hat seinen Ausstieg verkündet. Eigentlich Routine, kommt auch bei anderen WM-Rallyes vor. Brisanz erhält die Sache aber dadurch, dass der Ölkonzern dem polnischen Staat gehört. Wenn also sogar die Regierung die Unterstützung kündigt, wie soll man da gegen Konkurrenten aus Ländern bestehen, in denen offizielle Stellen mit Macht hinter der Bewerbung um einen WM-Lauf stehen?
Gleich eine ganze Reihe von Ländern haben beim WM-Promoter angeklopft. Nach Insiderinformationen hat vor allem Chile eine starke Präsentation abgegeben. Hier stehen staatliche Stellen ebenso mit Unterstützung parat wie in Kenia, wo angeblich sogar Präsident Uhuru Kenyatta um eine Rückkehr der legendären Safari-Rallye in den WM-Kalender kämpft. Ein WM-Lauf in Afrika steht ohnenhin schon alnge auf der Wunschliste.
Neuseeland ist ebenfalls sehr aktiv, dürfte aber gegen den größeren und als Automarkt deutlich wichtigeren Nachbarn Australien keine realistische Chance haben. Zumal die Australier offensichtlich bereit wären, mittelfristig vom verschlafenen Coffs Harbour in die Nähe der Millionenmetropole Sydney umzuziehen. Für dieses Jahr ist bereits eine große Abschlussparty in der Olympiastadt von 2000 geplant.
Da eine Aufstockung der Anzahl von WM-Läufen auf mehr als die momentanen 14 mit den Herstellern kaum zu machen ist, müssen bei Neuzugängen zwangsläufig bestehende WM-Läufe weichen. Wackelkandidat Nummer eins, die Rallye Korsika, steht unter dem persönlichen Schutz von FIA-Präsident Jean Todt. Und dann kommt auch schon bald die Rallye Polen . . .
Pechvogel Ott Tänak
Schwacher Trost für Ott Tänak (Ford): Auch Andreas Mikkelsen (Volkswagen) und Hayden Paddon (Hyundai) mussten erst eine WM-Rallye mit Riesenpech verlieren, bevor sie ihren ersten Sieg feiern konnten. Dass ein riesiger Felsbrocken, über den in jener ominösen Wertungsprüfung 20 alle Topfahrer drüber rumpelten, ausgerechnet den zu diesem Zeitpunkt Führenden kalt erwischte, hat schon beinahe Latvala’sche Ausmaße. Ironie des Schicksals: Wie Tänak fing sich auch Andreas Mikkelsen einen schleichenden Plattfuß ein, hatte allerdings mehr Glück.
Wie sehr die Kollegen mit Tänak mitfühlten, zeigten die Szenen nach der Zieldurchfahrt. Viele Kollegen trösteten den in Tränen aufgelösten Tänak, Weltmeister Sébastien Ogier (Volkswagen) schulterte ihn sogar demonstrativ. Wäre in der Formel 1 eher nicht so passiert . . .
Nächste Chance in Finnland?
Spannend bleibt die Frage, ob Tänak beim nächsten WM-Lauf in Finnland genauso aufgeigt. Wie in Polen startet er dort von Position acht – wieder ein Riesenvorteil. Ein Fragezeichen steht hinter den DMack-Reifen des Esten.
Auf dem stellenweise extrem weichen Geläuf inmitten der Masurischen Seenplatte funktionierte die zur Rallye Portugal vorgestellte Evolutionsversion des 2016er Reifens perfekt. In Finnland sind auf dem härteren Untergrund allerdings deutlich höhere Seitenführungskräfte zu meistern. In diesem Punkt hatten die in Großbritannien hergestellten Rennreifen der chinesischen Marke bislang Schwächen. «Wenn alles passt, sollte ein Sieg dennoch möglich sein», blickte Tänak voraus.
Für ein mögliches Engagement bei Toyota hat sich Tänak jedenfalls wärmstens empfohlen. Vielleicht wird ja auch bei Ford eins der halboffiziellen Cockpits frei. Mads Östberg hat sich in Polen erneut nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der Norweger kämpfte mit seinem Polen-unerfahrenen Teamkollegen Eric Camilli – über weite Strecken um Rang zehn. Nur Dani Sordo (Hyundai, Ausfall auf Rang elf liegend) war ähnlich weit von seiner Normalform entfernt.
Gemischte Nachrichten von Toyota
Toyota testet momentan mehr oder weniger ununterbrochen mit dem neuen World Rally Car (WRC) für 2017 und nutzt damit die Freiheiten eines nicht in der WM engagierten Herstellers voll aus. Zumindest im Punkt Aerodynamik wirkt das Auto radikaler als die Konkurrenzmodelle von Volkswagen und Citroën.
Andere Nachrichten aus dem Umfeld des in Finnland beheimateten Teams der japanischen Marke klingen dagegen weniger positiv. Im Hintergrund brodelt es gleich an mehreren Stellen. Der Kontakt zwischen der Basis in Finnland und dem deutschen Motorenbauer TMG beschränkt sich angeblich auf das Nötigste. Der technische Direktor Michael Zotos soll sich mit Teamdirektor Tommi Mäkinen zerstritten haben.
Dass der inzwischen 52 Jahre alte viermalige Weltmeister einen großen Teil der Testarbeit erledigt, kommt intern wohl auch nicht so toll an. In seiner Zeit bei Mitsubishi und Subaru tat sich der Finne nicht gerade als wertvoller Testfahrer hervor . . .