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Trotz Formel Farce: Diese Formel 1 hat viel Potenzial

Von Mathias Brunner
Die neue Formel 1 garantiert reichlich Spektakel

Die neue Formel 1 garantiert reichlich Spektakel

Nach dem ersten WM-Lauf und dem ersten Skandal der Saison 2014 drängt sich die Frage auf: Was ist die neue Formel 1 wert? Australien hat für mich den Eindruck des Testwinters bestätigt – freuen Sie sich auf viel Wirbel.

Die Reaktionen der Fans nach dem Melbourne-GP sind intelligent und vielschichtig: Viele sind enttäuscht davon, wie wenig der neue Sound im Fernsehen zur Geltung kommt. Hier besteht zweifellos Handlungsbedarf. Fast alle sind der Meinung, dass Red Bull Racing bestraft gehört, sollten sie gegen das Reglement verstossen haben. Bei den Aussagen der Fans ist ein ausgeprägster Wunsch nach Gerechtigkeit festzustellen. Viele finden die neue Technik im GP-Sport grenzwertig kompliziert – und generell im Leben gilt: was wir nicht verstehen, das fürchten wir oder wir verfallen in Desinteresse.

Es ist bedauerlich, dass der bleibende Eindruck an Tag 1 nach dem Saisonbeginn in Australien der Schlamassel um die Disqualifikation von Daniel Ricciardo ist. Auf dem Flug von Melbourne nach Dubai sagt mir ein hochrangiger FIA-Mitarbeiter: «Niemand soll glauben, dass wir uns die Entscheidungsfindung leicht gemacht haben. Aber Regelverstoss ist nun mal Regelverstoss. Ich glaube, wir dürfen mit Fug und Recht behaupten, dass wir Red Bull Racing genügend Warnungen haben zukommen lassen.» (Mehr Hintergründe dazu lesen Sie bitte HIER)

An Bord der gewaltigen A380 Richtung Dubai treffe ich den Ingenieur eines Siegerrennstalls. Er meint: «Ich weiss, dass viele Fans glauben, wir wollen Gegner grundsätzlich immer schlechtreden. Aber ich gebe trotzdem zu bedenken – wie viel Überheblichkeit muss man an den Tag legen, um eine Direktive der FIA zu ignorieren?»

Auch an Bord der Emirates-Maschine und im Gespräch mit zahlreichen Mitgliedern unseres Formel-1-Zirkus wird die Tendenz klar: Alle bedauern den Ausschluss von Daniel Ricciardo, weil der Australier ein tolles Wochenende gezeigt hatte. Viel Gnade für den Weltmeister-Rennstall spüre ich nicht. Das mag am grundsätzlichen Futterneid in der Formel 1 liegen, aber auch daran, dass Dauersieger selten beliebt sind.

In den Gesprächen vor, während und nach dem 14,5-Stunden-Flug von Melbourne nach Dubai wird auch klar: Viele Formel-1-Insider machen sich Sorgen. Sie wissen, dass sie mit einer faszinierenden Hybridtechnik arbeiten, aber sie spüren, dass der Fan zuhause davon möglicherweise überfordert wird.

Also, nochmals – wo stehen wir mit dieser neuen Formel 1?  

Ich hab’s nicht so mit Schwarzmalern, und die hatten in den vergangenen Wochen Hochkonjunktur: Die neuen Autos seien zu langsam, sie klängen nach nichts, sie seien hässlich, eine hohe Ausfallquote würde in Australien zu einer beispiellosen Blamage führen. Es war sogar ernsthaft davon die Rede: Was passiert, wenn in Melbourne kein einziges Auto ins Ziel kommt? Nach dem Melbourne-GP darf ich versichern – der neuen Formel 1 geht es hervorragend, danke der Nachfrage, und ich erkläre Ihnen gerne, warum.

Die jungen Wilden

Rechnen Sie mit anhaltendem Feuerwerk der jungen Wilden: Daniel Ricciardo hat mit seiner Darbietung vor eigenem Publikum bewiesen, dass Red Bull Racing ihn zu Recht befördern hat (und wir ignorieren jetzt für einen Moment den Wirbel um den Durchflussmesser). Kevin Magnussen hat ein Debüt gegeben, als hätte er in seinem ganzen Leben nie etwas anderes getan als Formel 1 zu fahren – eindrucksvoller hat in den vergangenen zwanzig Jahren nur Jacques Villeneuve debütiert, das war 1996. Valtteri Bottas hätte ohne seinen Mauerkuss leicht auf dem Siegerpodest landen können. Toro-Rosso-Teenager Daniil Kvyat hat beim Debüt gleich gepunktet. Für alle drei gilt – aus diesem Holz sind kommende GP-Sieger geschnitzt.

Viel Spektakel für die Fans

Ex-GP-Fahrer Martin Brundle spricht uns aus dem Herzen, wenn er sagt: «Einen tollen Aspekt der neuen Autos finde ich – du siehst, wie die Fahrer mit ihrem Renner ringen müssen, da stehen Rennwagen ständig quer, da werden meterlange schwarze Striche auf die Bahn radiert, wenn die Motoren ihre ganze Power entwickeln, da spielt die elektronisch gesteuerte Hinterradbremse den Fahrern ein paar Streiche. Die Folge: rauchende Räder, rutschende Autos, auch das ist alles höchst spektakulär.»

Der Sound hat an diesem Wochenende viel zu reden gegeben. Wir hören von Zuhause, dass im Fernsehen die neuen Formel-1-Renner nicht übertrieben toll klingen. An der Bahn entwickelt sich eine komplett andere Geräuschkulisse: die Antriebseinheiten klingen heiser-rauh, die Turbos heulen, gleichzeitig ist der schmerzhaft hohe Ton weggefallen, den die V8-Sauger produzierten.

Nochmals Martin Brundle: «Ich muss zugeben, dass ich eine ganze Weile lang vom Ton enttäuscht gewesen bin. Aber so langsam gefällt er mir richtig gut. Ich finde, auch die Fans profitieren. So oft habe ich am Sonntagabend nach einem Rennen Formel-1-Anhänger sagen hören: “Habt ihr das Rennen verstanden? Den Pistenlautsprecher konnte ja keiner hören.” Diese Zeiten sind vorbei. Und wenn die Besucher das Rennen besser verstehen, dann haben sie auch mehr Freude daran.»

McLaren-Star Jenson Button meint: «Im Auto musste man sich zuerst etwas an den neuen Ton gewöhnen, aber eigentlich mag ich ihn – du hörst die Reifen quietschen, den Turbo heulen, die ganze Mechanik arbeiten, sogar den Wind hörst du. Nicht zu vergessen, dass du die Fans viel besser hören kannst.»

Die Klagen der Fans werden nicht ignoriert: Bereits befassen sich Spezialisten der FIA damit, wie der Sound der neuen Formel 1 verbessert werden könnte. Bereits beschlossene Sache ist, die hässlichen Auswüchse an den Fahrzeugnasen zum Verschwinden zu bringen – mit einem in diesem Punkt korrigierten Reglement.

Spannende Rennen garantiert

Die neue Formel 1, das ist wie der Schritt von Vinyl-LP’s direkt zur MP3-Technik – ohne sich lange mit CD’s aufzuhalten. Entsprechend grosse Probleme gibt es. Aber die Rennställe lernen rasend schnell dazu. Am ersten Wintertesttag in Jerez haben zehn Autos in 480 Minuten zusammen ganze 91 Runden fertig gebracht. In Melbourne haben vierzehn Autos in knapp 93 Minuten 794 Runden gefahren. Natürlich hängt über jedem Auto ein Damoklesschwert – sicher darf sich keiner sein, fragen Sie nur mal Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton.

Die Technik wird auch abseits der Rennstrecke noch viel zu reden geben – siehe Disqualifikation von Daniel Ricciardo, siehe diverse Konkurrenten, bei dessen Rennern schon fleissig Teile gewechselt werden müssen. Wer sich an Kontroversen über technische Details erfreut, wird 2014 voll auf seine Kosten kommen.

Klar bin auch ich der Meinung, dass sich die Formel 1 mit Skandalen wie dem Ausschluss von Daniel Ricciardo selber in den Fuss schiesst. Aber solche Kontroversen haben den Sport so begleitet wie schöne Frauen. Und nicht wenige PR-Experten würden einwerfen: Besser, an den Stammtischen wird über einen Formel-1-Schlamassel diskutiert als dass die Fans eine Diskussion über Fussball vorziehen.

McLaren-Teamchef Ron Dennis meint vorausblickend: «Die Fans sollten uns nicht an diesem Australien-GP messen. Es wird einige Rennen dauern, bis wir alles halbwegs im Griff haben. Ein Thema wird über Melbourne hinaus sein: Spritsparen, doch wenn du vom Gas gehst, kannst du leicht aus dem optimalen Betriebsfenster der Reifen fallen. Damit werden sich viele schwer tun. Durch die Safety-Car-Phase haben wir in Sachen Spritsparen nicht alle Schwierigkeiten gesehen.»

Ich finde – geniessen Sie dieses kraftvolle Element der Unwägbarkeit, denn bald werden die Grand-Prix-Teams die Standfestigkeit im Griff haben. So lange die Defekthexe durchs Fahrerlager schleicht, wird sie für viele Überraschungen sorgen – und das kann dem Zuschauer nur Recht sein.

Wer ist stark, wer hat Sorgen?

Und was ist nun mit der neuen Hackordnung? Melbourne hat meinen Eindruck aus Jerez und Bahrain bestätigt – wer derzeit gewinnen will, muss zunächst einmal an Mercedes vorbei. Der Ausfall von Lewis Hamilton hat jedoch bewiesen, dass auch ein Silberpfeil brechen kann.

Red Bull Racing und Renault sind besser aufgestellt als viele gedacht haben. Was die Renner auf den Geraden verlieren (das Gerücht hält sich hartnäckig, dass Mercedes 80 PS mehr habe), machen sie mit toller Strassenlage in den Kurven wett. Kein Zweifel: RBR-Technikchef Adrian Newey hat erneut ein tolles Auto gezeichnet.

McLaren und Williams sind stark, Nico Hülkenberg im Force India ebenfalls, Ferrari kann mehr. Wenn alle Genannten sich einander tüchtig auf die Pelle rücken, dürfen Sie ein kühles Getränk holen, dazu etwas Knabberei und sich bequem zurücklehnen – dann ist unterhaltsamster Motorsport angesagt.

Lotus ist im Grunde noch am Testen, Romain Grosjean wird noch viel Grund zum Schimpfen erhalten, der Sauber ist zu wenig schnell, Marussia und Caterham werden von Kinderkrankheiten genervt – das sind unsere Sorgenkinder.

Fazit: Diese neue Formel 1 wird uns 2014 viel Vergnügen bereiten, dazwischen werden wir uns auch tüchtig ärgern, einige Male werden wir kurzfristig in Ratlosigkeit verfallen. So oder so jedoch – freuen Sie sich auf eine kunterbunte Saison!

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