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Rennsport 2020: GP ohne Fans an der Tagesordnung

Von Günther Wiesinger
Rennen ohne Zuschauer, daran müssen wir uns gewöhnen

Rennen ohne Zuschauer, daran müssen wir uns gewöhnen

​Wann können sich Rennfans wieder am Motorsport erfreuen? Keiner kennt die Antwort. Wir müssen froh sein, wenn wir im Herbst in den wichtigsten Serien noch einige Läufe zusammenbringen.

In der ganzen Welt sind die Menschen in unterschiedlicher Intensität durch den Coronavirus betroffen. In fast jedem Land wurden unterschiedliche Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Covid-19-Seuche betroffen. Es gab die Strategie der Herden-Immunität mit bis zu 60 oder 70 Prozent von Infizierten. Man musste aber kein Mediziner und kein Mathematiker sein, um auszurechnen, dass so ein System das Gesundheitswesen in jedem Land restlos überfordert hätte. Allein in Deutschland wären dann bis zu 60 Millionen angesteckt worden.

Die verantwortungsvollen Politiker schwenkten deshalb rasch zum Shutdown und zur «Stay at home»-Strategie um, es wurden strenge Abstandsregeln eingeführt, vielerorts gab es Maskenpflicht, Schulen und Universitäten wurden geschlossen, große Events abgesagt, zuerst oft für maximal 1000 Personen, dann mit 500, dann mit 100 oder 50. Die Wirtschaft in vielen Bereichen ist lahmgelegt, in Italien wurde sogar vor vier Wochen Hausarrest verordnet, er dauert bis zum 3. Mai. In Spanien sieht es ähnlich aus.

Viele autokratische Herrscher von Recep Erdogan bis zu Jair Bolsonaro und André Manuel Lopéz Obrador (Mexiko) sowie Donald Trump und Boris Johnson machten sich wochenlang über den Virus lustig, sie verniedlichten die Gefahr, sie vergeudeten Wochen und Monate, jetzt haben sie die Bescherung – und sie haben weder die Anzahl der Intensivbetten rechtzeitig erhöht noch ausreichend Schutzkleidung eingekauft oder produziert.

Deutschland, Schweiz und Österreich sind bisher glimpflich durch die Krise gekommen. Österreich hat gestern erstmals eine höhere Anzahl von Genesenen als Infizierte gemeldet. Mehr als 50 Prozent der Intensivbetten stehen leer. In der Alpenrepublik starben am 12. April «nur» 13 Menschen am Coronavirus.

Deshalb gehen in Österreich nach Ostern die meisten Geschäfte wieder auf. Natürlich gelten die Abstandsregeln weiter, die Gesichtsmaskenpflicht, die Hygienevorschriften und so weiter.

In Deutschland wird am 16. April darüber informiert, wann welche Maßnahmen gelockert und wann erste Schritte zur Normalität eingeleitet werden.

Virologen, Immunologen, Pandemieforscher und andere Seuchenexperten beraten die Regierungen, selten sind zwei Experten gleicher Meinung. Manche denken mehr an die Wirtschaft und die Börse als an die Gesundheit. Den idealen Kompromiss zu finden ist schwer, fast aussichtlos.

Denn nicht nur die Experten und Politiker haben in den letzten vier oder sechs Wochen mehrmals ihre Meinung und ihre Strategie geändert und ändern müssen.

Wir dürfen nicht vergessen: Selbst in Italien starb der erste Mensch erst am 21. Februar (!) an Corona, jetzt sind es 20.465.

In Spanien wurde das erste Corona-Todesopfer am 3. März verzeichnet. Heute halten wir dort bei 17.756 Todesfällen.

Eine Bilanz des Grauens.

In vielen Ländern wurde zu spät reagiert.

In New Orleans wurde am ersten März-Wochenende noch der Mardis Gras-Karneval gefeiert.

In Frankreich wurde am 15. März noch gewählt und bis 14. März die Radfernfahrt Paris-Nizza ausgetragen, als rundherum längst Stillstand herrschte.

In Deutschland wurde noch Champions League gespielt, als in der Schweiz bereits Ansammlungen mit mehr als 500 Menschen verboten waren.

Und in Ischgl ging die fröhliche Après-Ski-Party bis Mitte März weiter. «In Tirol kann sich niemand mit einem Virus anstecken», war der zuständige Landesrat am 8. März überzeugt. 

Die Underground in London und New York waren vor wenigen Tagen noch bis zum letzten Platz voll.

Deshalb kennen wir zwar inzwischen einige Länder, in denen der Höhepunkt der Infektionswelle überschritten ist. Aber die Gesundheitsexperten warnen vor der gefährlichen zweiten Welle, falls manche Betriebe zu früh aufgesperrt werden.

Der österreichische Vizekanzler Werner Kogler kann sich inzwischen sogar einen Formel-1-GP im Juli in Spielberg vorstellen. Ein frommer Wunsch eines Grünen, der wahrscheinlich nicht weiß, dass sieben F1-Teams aus England anreisen müssten und zwei aus Italien.

Und das wird im Juli beim besten Willen nicht klappen.

Denn vorläufig sind trotz Schengen momentan alle EU-Grenzen geschlossen.

Wir sollten uns lieber mit der Frage befassen, wie viele Rennen wir noch zustande bringen, wenn wir im September loslegen können.

Unsere Wünsche sind bescheiden geworden.

Grands Prix ohne Fans werden 2020 an der Tagesordnung sein.

Wir können schon froh und dankbar sein, wenn wir im Herbst in den wichtigsten Serien noch drei, fünf oder acht Läufe zusammenbringen.

Wir haben alle unsere Ansprüche zurückgeschraubt. Wir sind schon erleichtert, dass die Lieferketten funktionieren und die Lebensmittelversorgung klappt. Wir hoffen, dass die neuen Arbeitslosen und vor dem finanziellen Abgrund stehenden Firmen gerettet werden.

Selbst ein Fußball-Millionär wie Bayern-Star Thomas Müller ist bescheiden geworden. «Endlich können wir zumindest wieder mit einem Ball trainieren und auf einem geschnittenen Rasen», frohlockte er gestern. In absehbarer Zeit ist mit Geisterspielen zu rechnen.

Die dritte deutsche Fußball-Liga hingegen wird abgebrochen, denn dort kassiert die Clubs keine TV-Einnahmen, die Ränge müssten leer bleiben.

Uns Motorsportlern bleibt noch Hoffnung. In den nächsten Monaten sollen nicht die Rennfahrer Wunder vollbringen, sondern die Mediziner und Pharmakonzerne.

Denn solange wir in vielen Ländern (auch in unserer Nachbarschaft) von 500 oder fast 1000 Toten am Tag hören, werden die Risikosportarten nicht im Vordergrund stehen.

Und wie man mit 1 oder 2 Meter Abstand zwischen den Athleten Fußballspielen und mit Gesichtsmasken bei einem Sprint genug Luft kriegen soll, hat man mir auch keiner erklärt.

Zum Glück reagieren 95 Prozent der Menschen vernünftig, sie halten sich an alle Vorschriften, manche übertreiben sogar, aber das ist mir zehnmal lieber als das Vorgehen der unverbesserlichen und rücksichtslosen Corona-Ignoranten.

Als Polizist gebärde ich mich bei solchen Beobachtungen allerdings nicht. Wenn ich sehe, dass fünf Jugendliche gleichen Alters in einen Kleinwagen steigen, die ganz sicher nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, lässt mich das weitgehend kalt.

Denn wir brauchen ja immer ein paar Infizierte, die für die Herstellung der Herden-Immunität sorgen.

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