Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

FTR Moto: Wie der Investor zum Sargnagel wurde

Von Günther Wiesinger
Das FTR-Moto2-Chassis von 2010

Das FTR-Moto2-Chassis von 2010

Die Pleite der obskuren «Circuit of Wales»-Betreibergesellschaft HOTVDC riss im Jahr 2017 auch den britischen Rennmotorradhersteller FTR in den Abgrund.

Aber dieses FTR-Desaster blieb der Öffentlichkeit weitgehend verborgen, weil FTR Moto in den letzten Jahren in den WM-Klassen Moto2 und Moto3 nach mehreren Besitzerwechseln aus dem Geschäft gedrängt worden war.

Die Heads of the Valleys Development Company von CEO Michael Carrick hat den Chassis-Hersteller in einem Anflug von Größenwahn bereits 2012 für mehr als £ 400.000 gekauft. Damals bestand die Absicht, rund um den Circuit von Wales ein Automotive Cluster mit Tausenden Beschäftigen rund um die Rennstrecke anzusiedeln, auch renommierte Sportwagenfirmen wie Aston Martin sollten dank Steuererleichterungen angelockt werden.

Carrick redete den walisischen Politikern auch ein, durch die Übernahme eines Motorradherstellers solle so bald wie möglich ein walisischer Rennfahrer auf einem walisischen Circuit mit einem walisischen Motorrad um die Wette fahren.

Naja, ein walisischer Rennfahrer existiert zumindest – Superbike-Pilot Chaz Davies. Der Rest blieb Phantasie.

David Davies, der Ministerpräsident von Wales, gehörte von Anfang an zu jenen Politikern, die das ganze Vorgaben am lautesten kritisierten und Argwohn an den Tag legten. Er regte sich auch über den Kauf von FTR auf.

Als FTR gekauft wurde, waren dort nämlich schon seit einiger Zeit keine Rahmen mehr erzeugt worden. Schon 2013 war es um FTR ruhig geworden. Doch im November 2013 testete das NGM Mobile Forward-Team mit Simone Corsi und Mattia Pasini in Almeria gebrauchte FTR-Maschinen; für 2014 sollte ein Comeback in der Moto2-WM stattfinden.

Daraus wurde nichts. FTR lieferte das Material an Forward nicht rechtzeitig, Chefdesigner Mark Taylor ging weg, die Turbulenzen begannen. Deshalb stieg Forward im Februar 2014 auf Kalex-Bikes des Blusens-Teams um.

FTR wurde 1994 als Abkürzung für den Begriff Fabrication Techniques (FT) von Steve Bones gegründet. 1995 kam es zur Zusammenarbeit mit Teambesitzer Kenny Roberts und seinem Partner Tom Walkinshaw. Es ging um die Entwicklung des Fahrwerks der Dreizylinder-500-ccm-Modenas KR3 (später Proton KR3), die von 1997 und 2000 in der Halbliter- eingesetzt wurde. Später wurden bei FT auch die KTM-Chassis für die Klassen 125 und 250 ccm gebaut und etliche andere Projekte übernommen, auch Yamaha und Derbi gehörten in der 125er-Klasse zu den Kunden. 2001 war FT an der Entwicklung des Chassis’ für das Petronas FP1-Superbikes beteiligt.

2009 entstand aus FT die Marke «FTR Moto». Das Unternehmen sah einen Bedarf an konkurrenzfähigen Fahrwerken für die neue Moto2-Klasse, die 2010 ins Leben gerufen wurde. Für den ersten Moto2-GP-Sieg für FTR in der Moto2-Klasse sorgte der Tscheche Karel Abraham am 7. November 2010 beim Valencia-GP.

FTR erblickte 2012 in der neuen 250-ccm-Moto3-Kategorie ein neues Beschäftigungsfeld. Tatsächlich stiegen die meisten Honda-Teams auf FTR um, weil das Original-Chassis aus Japan nicht wettbewerbsfähig war. Maverick Viñales gewann auf der FTR-Honda gleich das erste Moto3-Rennen der Geschichte in Katar 2012. Er kämpfte bis zum Malaysia-GP gegen Cortese/KTM um den WM-Titel und gewann fünf Rennen.

Gleichzeitig baute FTR für die ebenfalls 2012 gestartete Claiming-Rule-Klasse in der MotoGP-WM etliche Rolling-Chassis für Teams wie Avintia (mit Kawasaki-Motoren) und Gresini (mit Honda).

Das Geschäft florierte, die Expertise von FTR war über alle Zweifel erhaben. Aber der Verkauf an Michael Carrick erwies sich als Sargnagel, der vermeintliche Investor drehte den Geldhahn zu.

In den Jahren 2014 bis 2016 war FTR nur noch in der Moto3-WM zu sehen, nennenswerte Erfolge wurden nicht mehr erzielt. Dann war endgültig Feierabend, wenn man davon absieht, dass der ehemalige FTR-Designer Mark Taylor 2015 noch ein MotoGP-Chassis für Forward-Yamaha baute, das aber in keinem Rennen zum Einsatz kam.

Bei FTR waren damals schon seit einiger Zeit keine Chassis mehr erzeugt worden, da HOTVDC die Absicht hatte, die Fabrik an den Circuit of Wales anzugliedern. Aber der Bau der neuen Werksgebäude kam nie zustande, FTR schlitterte mit Schulden von £ 500.000 in die Insolvenz.

Die Circuit of Wales-Bosse Michael Carrick und Martin Whitaker haben also auch FTR auf dem Gewissen. «In einem Meeting habe ich Mr. Carrick und Mr. Whitaker gefragt, warum sie die verlustreiche Firma FTR Moto aus Buckingham gekauft haben», sagte MP Davies gegenüber Welsh.online. «Er beschrieb FTR Moto als Musterbeispiel für das Circuit of Wales-Projekt. FTR würde 40.000 zusätzliche Zuschauer zu unserem Grand Prix locken. Wenige Wochen später hörten wir, dass FTR Moto Geld brauchte.»

Und im Oktober 2016 war bei FTR eigentlich bereits die Zahlungsunfähigkeit erreicht.

Carrick und Whitaker hatten der walisischen Regierung weitere Märchen aufgetischt. Es war von einem BMW-Themenpark die Rede und von einer Anlage zur Stromerzeugung mit erneuerbarer Energie – alles erfunden.

Ursprünglich sollte der Bau des Circuit of Wales 2013 beginnen, 2015 sollte dort der erste britische Grand Prix stattfinden. Aber es musste dann Silverstone gemietet werden, um den ersten Teil des 10-Jahres-Vertrags mit der Dorna zu erfüllen, FTR Moto erhielt von HOTVDC im Oktober 2012 ein Darlehen in der Höhe von £ 300.000. Am Schluss wurden auf dem FTR-Konto nur noch £ 888 aufgespürt, die Aktiva beliefen sich auf dürftige £ 10.000.

Übrigens: Steve Bones plant jetzt für 2019 ein neues Moto2-Projekt – wohl auf FTR-Basis.

Viele kritische Fragen tauchten später rund um die Insolvenz von HOTVDC und FTR Moto auf. HOTVDC hatte mit der Austragung des Silverstone-GP zweimal rund £ 1,2 Millionen in den Sand gesetzt. Selbst vier Jahre nach dem geplanten Baubeginn war noch kein Spatenstich erfolgt, die Finanzierung nicht gesichert, so ging das Projekt über den Jordan.

Der Zusammenbruch von FTR Moto ist nur ein Teil des Puzzles an finanziellen Ungereimtheiten, das den Circuit of Wales umgibt. Warum es bei FTR Moto zu so starken Verlusten kam, wirft Fragen auf. HOTVDC hat nicht weniger als 9 Millionen Pfund an Steuergeld erhalten. Wo dieses Geld versickert ist, wird vor Gericht geklärt werden.

Die FTR-Erfolge in der Moto3-WM:

FTR-Honda:
sieben GP-Siege 2012
(5 x Viñales, 1 x Fenati, 1 x Louis Rossi)

Konstrukteurs-WM:
Platz 2 im Jahr 2012
Platz 4 im Jahr 2013

FTR-KTM:
Konstrukteurs-WM:
Platz 6 im Jahr 2014

Die FTR-Erfolge in der Moto2-WM:
1 GP-Sieg 2010 (Karel Abraham in Valencia)
1 GP-Sieg 2012 (Alex De Angelis in Sepang)

Konstrukteurs-WM:
Platz 2 im Jahr 2010
Platz 4 im Jahr 2011
Platz 4 im Jahr 2012

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