Bob Moore: «Wollen, dass Jonas Folger zurückkommt»

Von Günther Wiesinger
Folger-Manager Bob Moore macht sich jetzt keine Illusionen mehr. Er rechnet nicht mit einem raschen MotoGP-Comeback von Jonas Folger. Aber vielleicht klappt es mit der Moto2-WM 2018.

Den 15. Januar hatten Tech3-Yamaha-Teambesitzer Hervé Poncharal und Jonas-Folger-Manager Bob Moore von der amerikanischen Wasserman Group als Deadline festgelegt.

Das war der vorletzte Montag. An diesem Tag sollte Poncharal erfahren, wie es um die Gesundheit des letztjährigen MotoGP-WM-Zehnten steht und ob er am Sepang-Test (28. bis 30. Januar) teilnehmen werde.

Bob Moore, 125-ccm-Motocross-Weltmeister 1994, machte es sich nicht leicht. Er bekam am Sonntag, 14. Januar, einen folgenschweren Telefonanruf aus Bayern – von Jonas Folger.

Die Neuigkeiten aus Deutschland waren niederschmetternd.
Erst am Dienstag, 16. Januar, rief Bob Moore aus Kalifornien um 22 Uhr bei Hervé Poncharal an.

Der Franzose fiel aus allen Wolken, als er die Hiobsbotschaft erfuhr: Jonas Folger erklärte den Rückzug aus der MotoGP-WM 2018 – aus körperlichen und psychischen Gründen.

«Die Nachricht kam sehr überraschend, um es vorsichtig auszudrücken. Ich hatte bisher nie in meinem Leben mit so einer Angelegenheit zu tun», seufzte Bob Moore im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Es war verrückt. Für Jonas ist 2017 ein Traum wahr geworden, er hatte einen MotoGP-Vertrag, auch für 2018. Und dann blieb ihm nichts anderes übrig, als mich anzurufen und zu sagen: ‚Es tut mir leid, ich kann vorläufig kein Rennen mehr fahren.’»

Jonas Folger hat sich am 2. Januar in ein renommiertes deutsches Rehabilitationszentrum begeben, um sich für den Sepang-Test vorzubereiten und weitere medizinische Checks durchführen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt schien noch alles wunschgemäß zu laufen. Der Yamaha-Pilot und fünffache GP-Sieger hatte vor Weihnachten das Training wieder aufgenommen, nachdem er vor dem Japan-GP in Motegi anfangs Oktober einen Zusammenbruch erlitten hatte.

Anfang Januar war Folger noch überzeugt, er könne im Januar rechtzeitig ein Flugzeug besteigen und nach Malaysia fliegen.
Aber seine Genesung machte im Reha-Zentrum nicht die gewünschten Fortschritte.

So kam Jonas Folger zum Entschluss, in diesem Zustand auf eine 270 PS starke MotoGP-Maschine zu steigen und mit 330 km/h über eine Rennstrecke zu flitzen, sei unverantwortlich.

Bob Moore zeigte Verständnis. «Die eigene Sicherheit von Jonas muss Priorität haben, es geht aber auch um die Sicherheit aller anderen in seiner Nähe», stellt der Ex-Rennfahrer fest, der heute «Executive Vice President für Motorsports, Action Sports und Olympics» bei der Wasserman Group ist und auch Fahrer wie Chaz Davies, Bradley Smith und Brad Binder managt.

Ratlosigkeit ab Spielberg-GP

Bisher hat nur Hervé Poncharal den Begriff «Burnout» ausgesprochen. «Daran leidet Jonas, zu 100 Prozent», seufzte er letzte Woche.

Auch aus dem unmittelbaren Umfeld von Jonas Folger war dieser Zustand 2017 ins Spiel gebracht worden. Wer dem Yamaha-Piloten in Spielberg, Silverstone oder Aragón gegenübersass, dem blieb die extreme Niedergeschlagenheit und Ratlosigkeit nicht verborgen. Da waren deutlich depressive Zustände zu beobachten. Die Leichtigkeit der ersten Saisonhälfte war verflogen, Zarco wurde immer stärker.

Jonas kassierte in vier Rennen drei Nuller und nur einen neunten Platz (in Misano). Der 300-km/h-Sturz im Warm-up von Silverstone raubte ihm ebenfalls viel Substanz.

Aber als der Bayer in Japan Dienstag und Mittwoch zwei Tage lang nicht fähig war, das Bett zu verlassen und Poncharal berichtete, sein Fahrer habe wie ein Geist ausgesehen, wurde deutlich, dass Jonas Folger ernsthaft erkrankt war.

Pfeiffersches Drüsenfieber, Epstein Barr Virus, dann Gilbert-Syndrom – das waren offenbar nur Begleiterscheinung einer Immunschwäche und einer bakteriellen Infektion, die bei Jonas bereits im Alter von zehn Jahren erstmals auftrat, ihn immer wieder schwächte und auch psychisch belastete, weil die Karriere dieses hoch talentierten und leidenschaftlichen Rennfahrers wegen Erschöpfungszuständen ständig auf dem Spiel stand.

Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass jedes Krankheitsbild unterschiedlich ist. Es gibt bei diesen Symptomen kein Allheilmittel, in rund vier Monaten konnte der Bayer seinen Zustand nicht ausreichend verbessern. Klar, dass diese lange Phase der Ungewissheit auch die Psyche enorm belastet.

Bob Moore hat Jonas Folger bereits vor dem Valencia-GP in seinem neuen Haus in Oberbergkirchen (15 km von seinem Elternhaus in Schwindegg) besucht. Er fragte ihn schon damals, ob er seine Karriere fortsetzen will. «Ich sagte Jonas: ‘Racing ist natürlich sehr wichtig für dich, aber du bist 24, du hast dein ganzes Leben vor dir, das Leben ist wichtiger. Wenn du aufhören willst, können wir das tun. Bilde dir nicht ein, dass du zu irgendetwas verpflichtet bist, weil du diesen Sport liebst und deine Pflicht erfüllen willst.’ Ich ließ ihm also die Option. Aber er hat sehr klar gesagt, dass er weiter Rennen fahren will.»

Bob Moore hat auch am vergangenen Sonntag wieder eine Stunde lang mit Jonas Folger telefoniert und erfahren: An der Einstellung seines Schützlings hat sich nichts geändert; er will auf seine Genesung und auf sein Comeback hinarbeiten. Moore: «Das ist der allergrößte Traum seines Lebens.»

Aber Moore ahnt, dass Jonas Folger jetzt nicht wirklich damit rechnen darf, 2018 noch ein MotoGP-Rennen fahren zu können. «Wir haben alle Verträge stillgelegt und Yamaha sowie alle Sponsoren informiert», schildert Bob Moore.

Natürlich wünschen sich alle Beteiligten eine wundersame Heilung, aber es soll kein Druck mehr auf den Athleten ausgeübt, sondern langfristig geplant werden.

Jonas Folger ist aus dem Fahrerlager verschwunden. Es wird eine große Herausforderung sein, ein sinnvolles und gewissenhaftes Comeback vorzubereiten.

Bob Moore hat jetzt mit Jonas vereinbart, dass man sich einmal in der Woche unterhalten und dabei das weitere Vorgehen besprechen wird. «Ich stehe bereit, um Jonas auf jede mögliche Art zu unterstützen, gemeinsam mit der Familie», bestätigte Bob Moore. «Mein wichtigstes Anliegen ist, dass Jonas gesund wird, dass er wieder happy ist, sein Lachen wiederfindet, mit seinen Freunden zum Abendessen gehen und andere alltägliche Dinge tun kann. Das ist die Priorität. Ob das drei Monate, sechs Monate oder ein Jahr oder was auch immer dauert, weiß ich nicht. Wir müssen abwarten, ob sich diese Gelegenheit ergibt. Ich weiß, dass Jonas zurückkommen und Rennen fahren will. Er weiß aber auch, dass er einen Schritt zurück machen und neu beginnen muss. Das wird wohl die Rückkehr in die Moto2-WM bedeuten.»

Bob Moore ist guter Dinge. «Bei unserem letzten Gespräch am Sonntag hat sich Jonas sehr gut angehört, wie normal. Er fühlt sich besser. Er wird noch etwa eine Woche im Reha-Zentrum bleiben. Er soll zuerst einmal wieder glücklich und gesund werden. Dann werden wir über die nächsten Schritte entscheiden. Er weiß jetzt, dass er momentan keine Verpflichtungen mehr hat. Alle Partner wurden informiert, dass er leider vorläufig keine Rennen fährt.»

Bob Moore: «Wir planen langfristig mit Jonas»

Nach dem ersten Schock der letzten Woche befindet sich Jonas Folger auf dem Weg zurück zur Genesung.

«Es ist Jonas überlassen, ob er sich in sechs Monaten, in einem Jahr oder in zwei Jahren zurückmeldet», betont Moore. «Wir planen langfristig. Ja, bei Jonas ist in der Vergangenheit nicht alles optimal gelaufen. Aber er ist ein sehr guter Junge, er ist ein Fahrer, bei dem alles vom Herzen kommt. Ich wünsche ihm, dass es ihm bald besser geht und dass er zurückkommt. Und ehrlich, ich denke, das wird uns gelingen, wenn er den Stress des Rennfahrerlebens und alle damit verbundenen Ansprüche aushält.»

Vielleicht wäre es das beste Szenario, jetzt erst einmal bis zum Sommer zu warten und dann bei Moto2-Teams wie Dynavolt-Intact anzuklopfen, ob Interessse an Jonas besteht. «Aber zuerst will ich überzeugt sein, dass Jonas wieder gesund ist. Die Zeit bis zum Sepang-Test hat nicht ausgereicht. Jetzt werden wir nichts mehr überstürzen», gibt Moore zu bedenken.

Es besteht jetzt kein Zeitdruck mehr. Alle Beteiligten wissen: Mit 24 Jahren steht Jonas die Welt offen. Tom Lüthi kam mit fast 32 Jahren noch in die MotoGP-WM, Rossi fährt mit 39 Jahren seine 23. Saison, Biaggi wurde mit 42 Jahren noch Superbike-Weltmeister, und auch Colin Ewards war mit Mitte 30 noch Weltklasse.

Und Casey Stoner ist 2009 nach einer schöpferischen Pause wegen Erschöpfungszuständen in Bestform wieder in die WM zurückgekommen – und 2011 noch einmal Weltmeister geworden.

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