Jonas Folger: «Ich hatte ein klassisches Burn-out»

Von Günther Wiesinger
Jonas Folger schlitterte 2017 in seiner ersten MotoGP-Saison in einen körperlichen und geistigen Erschöpfungszustand. Er spricht erstmals offen über diese schwere Zeit und die Ursachen des Burn-outs.

Jonas Folger (25) hat sich vor dem Japan-GP Anfang Oktober 2017 aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dort erlitt er einen Zusammenbruch, er konnte an den Tagen vor dem ersten Training in Motegi nicht einmal sein Hotelbett verlassen. «Jonas hat ausgesehen wie ein Geist», schilderte Tech3-Yamaha-Teambesitzer Hervé Poncharal damals sichtlich entsetzt.

Es wurde zwar zuerst vom Pfeifferschen Drüsenfieber und dann von einem Epstein-Barr-Virus geredet. Jonas Folger war verunsichert, für den damals 24-Jährigen brach eine Welt zusammen. Denn in Wirklichkeit litt er an einem Burn-out-Syndrom, auch wenn das damals niemand so richtig wahrhaben wollte. Weder Poncharal noch Folgers amerikanischen Manager Bob Moore, die beide sogar  hofften, Folger könne zum WM-Finale in Valencia 2017 wieder einsatzbereit sein oder zumindest für den privaten Sepang-Test Ende November 2017.

Moore und Poncharal waren lange davon überzeugt, Jonas würde zumindest beim Sepang-Test Ende Januar 2018 wieder in alter Frische erscheinen, eine erstklassige ärztliche Betreuung und eine Diät sollten die bakterielle Infektion zum Erliegen bringen.

Doch spätestens als Jonas Folger am 14. Januar 2018 alle Verträge kündigte und Moore und Poncharal klarmachte, dass er außerstande sei, 2018 irgendein Rennen zu bestreiten, stellten die beiden klar: «Es ist ein Burn-out.»?

Folger wurde dann im März und April schon von einigen Teams angefragt, die Ersatzfahrer suchten, vor allem in der Moto2-Klasse. Er lehnte alle Anfragen kategorisch ab.

Erst das Angebot von Kalex als Moto2-Testfahrer im Juni erschien dem Sachsenring-MotoGP-Zweiten von 2017 reizvoll genug. Er testete Ende Juni in Aragón, fuhr am ersten Tag zum Angewöhnen noch die Kalex mit Honda-CBR600RR-Motor, am zweiten Tag den Prototyp mit dem 765-ccm-Triumph-Dreizylinder.

«Jonas wirkte fit», stellte Kalex-Geschäftsführer Alex Baumgärtel fest. Es folgten Tests in Brünn und Valencia, Jonas wollte jeden Medienrummel vermeiden. Aber bereits im August wurde offenkundig, dass Jonas Folger erster Kandidat für das neue Yamaha-MotoGP-Testteam war.

Der neue Yamaha-Testfahrer aus Schwindegg genoss letzte Woche in Valencia die Rückkehr in die MotoGP-Klasse und ins GP-Fahrerlager. «Es war schön zu sehen, wie sich alle gefreut haben, dass sie mich wieder treffen.»

Mit SPEEDWEEK.com sprach Jonas in aller Offenheit über die schwierigste Zeit seines Lebens.

Jonas, du warst schon mit zehn Jahren wegen einer omnösen Krankheit einmal in Lebensgefahr. Wir haben 2011 in Brünn erlebt, wie du am Donnerstag beim Rundgang um die Strecke zusammengeklappt bist. Du hast deshalb Startverbot bekommen. Du hast deine Krankheitssymptome aber nie wirksam bekämpft, weil du niemanden enttäuschen wolltest – die Teams nicht, die Sponsoren nicht, die Fans nicht??

Ja, genau, ja. ?

Man darf als Sportler und Rennfahrer keine Schwäche zeigen? Deshalb wurde jahrelang immer alles vertuscht??

Ja, bei mir sind öfters solche Erschöpfungszustände passiert. Brünn 2011 war auch so eine Sache. Das waren schon so Vorzeichen.
Ich bin halt menschlich so gestrickt, wie ich bin. Ich habe manche Dinge einfach ignoriert oder mental über mich ergehen lassen.
Das hat mich letztendlich irgendwann in die Knie gezwungen und niedergestreckt.?

Ja, mei, so ist das Leben. Daraus lernt man. Ich gehe jetzt damit offen um. ?

Dein Papa Jakob hat mir vor einem Jahr erzählt, du durftest nach den Zusammenbruch in Japan 2017 einige Zeit lang nicht Fernsehen, kein Radio hören, kein Internet nutzen, kein Handy, keine Aufregung, nur entspannen, beim Fenster rausschauen und jede Anstrengung vermeiden. Wie bekämpfst du diese Krankheit? Einfach mit den Kräften haushalten? Oder ist auch eine Diät notwendig??

Nein. Ich habe einen Plan, so wie ich mich auf das Comeback vorbereitet habe. Aber eine Diät spielt dabei keine Rolle.?

Es gab im Oktober und November 2017 widersprüchliche Informationen, auch von deiner Seite. Es war vom Pfeifferschen Drüsenfieber die Rede, dann vom Epstein Barr-Virus. Aber Poncharal und Moore haben dann erklärt: «Es ist ein Burn-out.» Ist das die Wahrheit??

Ja, die Wahrheit ist… Mei, jeder hat sich so seinen eigenen Reim darauf gemacht. Aber im Endeffekt war es ein klassisches Burn-out. Ja.? Aber ist halt so. Ist halt passiert.?

Davon waren schon etliche andere Spitzensportler betroffen,  zum Beispiel Bundesliga-Fußballer Jan Simak, Triathlet Jan Frodeno oder Skispringer Sven Hannawald. ?Auch bei ihnen war der Akku irgendwann leer.

Ich habe so gesehen nichts falsch gemacht, ich bin einfach so gestrickt, wie ich bin. ?Ich bin halt so aufgewachsen. Ich bin vielleicht nicht so stabil wie vielleicht 95 Prozent von den anderen Fahrern, was das betrifft. Deswegen ist das passiert.

Jetzt kann ich diese Symptome bekämpfen, dagegen arbeiten und mich in dieser Hinsicht bessern. ?

Du hast also manchmal gespürt: «Mein Körper braucht jetzt ein Pause.» Aber du hast ihm keine gegönnt, weil das nächste Rennen vor der Tür stand??

Termine halt einfach. Termine, und dazu die Selbsterwartung natürlich. Und die Erwartung von außen natürlich. ?

Wie gesagt: Jeder Sportler ist anders gestrickt. Der eine kann sich nur auf sich selber fokussieren, dem ist alles andere scheißegal. Das war halt bei mir nicht so. Ich bin da ein bisschen anders.

Das ist mir dann leider in der MotoGP, wo ich unbedingt hinwollte, über den Kopf gewachsen. Die Belastung ist immer stärker geworden. Ich habe nicht gewusst, wie ich damit umgehen muss. Und irgendwann ist das Mentale betroffen gewesen.?

Du warst 2017 schon vor dem Spielberg-GP mit den Kräften am Ende. Du hast dort niedergeschlagen gewirkt. Dann kam der 300 km/h-Crash in Silverstone. In Aragón hast du im Rennen keinen Gegner mehr überholen können. Du warst völlig erschöpft und hast gehofft, am freien Wochenende vor Japan wieder fit zu werden.

?Ja…?

Mir ist aufgefallen, dass du mehrere Jahre hindurch nach der Winterpause gut bei Kräften warst, in Katar, Jerez und Le Mans Top-Ergebnisse erzielt hast, manchmal auch in Mugello noch, dann ging es bergab. Nach der Sommerpause warst du wieder erholt und bei Kräften. Stimmt dieser Eindruck?

Ja, es war schon immer so. Das war das Muster von mir. ?Es hat dann oft geheißen: «Nimm dir eine Auszeit.»?

Das war schon 2011 nach dem Brünn-GP so, wo ich heimgereist bin und alle Untersuchungen habe machen lassen. Dann haben die Ärzte zu mir gesagt: «Du brauchst eineinhalb Jahre Auszeit.»

Ich habe entgegnet: «Ich kann mir keine eineinhalb Jahre Auszeit nehmen. Ich muss in zwei Wochen schon wieder in Misano sein und Rennen fahren.» Das geht halt einfach nicht, wenn man für den Rennsport lebt. ?

Du warst in deiner Moto2-Zeit bei AGR im Frühjahr zweimal auf dem Podest und hast dann zehn Rennen lang kaum einen Punkt geholt. Du hast dann oft Ausreden suchen müssen, um die schwachen Ergebnisse zu erklären.? Auch 2016 bei Intact.

Es ist ja kein Geheimnis, dass sich bei einem Sportler zu 90 Prozent alles im Kopf abspielt. Das ist einfach so.

Das weiß jeder, der Sport betreibt.

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