KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Nicht nur Darryn und Brad Binder: Brüder in der WM

Von Günther Wiesinger
Weil Darryn Binder von der Moto3-WM direkt in die Königsklasse aufsteigt, werden in der MotoGP-WM auch 2022 drei Brüderpaare zu sehen sein. Márquez und Co. waren aber längst nicht die ersten.

Immer wieder sind in den letzten 20 oder 30 Jahren in der «premier class» Brüder aufeinandergetroffen. Auf Anhieb fallen mir Nobuatsu und Takuma Aoki ein, die zum Beispiel im 500-ccm-GP 1997 in Imola neben Mick Doohan auf dem Podest landeten. Aleix (32) und Pol Espargaró (30) treffen seit 2014 in der Königsklasse direkt aufeinander.

Die japanische Familie Aoki bildete sogar eine Besonderheit. Gleich drei Brüder brachten es zu namhaften GP-Erfolgen. Mit Nobuatsu (er blieb bis 2015 Suzuki-MotoGP-Testfahrer), Haruchika (zweifacher 125-ccm-Weltmeister) und Takuma Aoki (querschnittsgelähmt nach Motorradunfall) brachte die Aoki-Familie sogar drei Rennfahrer hervor. In der 500-ccm-Klasse trafen 1997 Takuma und Nobuatsu aufeinander, 1999 waren es Haruchika und Nobuatsu.

2020 traten mit Marc und Alex Márquez sogar erstmals zwei Brüder gemeinsam im Repsol-MotoGP-Werksteam an, allerdings fiel der ältere Bruder und sechsfache MotoGP-Champion schon beim verspäteten Saisonauftakt im Juli verletzungsbedingt aus. Nach seiner Rookie-Saison wurde Alex zu LCR transferiert.

Für den 42-jährigen Valentino Rossi und seinen Bruder Luca Marini (24) gab es dagegen 2021 in Katar die Premiere: Erstmals traten sie in derselben WM-Klasse an. Mit dem Rücktritt des neunfachen Weltmeisters am Ende der Saison wurde zwar ein Bruder-Duo in der MotoGP-WM gesprengt, Marini bleibt aber immerin im familieneigenen VR46-Team. Dafür sorgen die Binder-Brüder dafür, dass in der Königsklasse auch weiterhin drei Geschwisterpaare in der Startaufstellung stehen – neben den Gebrüder Espargaró und Márquez.

Brad warnte Darryn schon vor. «Wenn du mich schlägst, ziehst du aus meinem Haus aus», kündigte der KTM-Star scherzhaft an, als der MotoGP-Deal von Darryn im Oktober verkündet wurde.

Aus gegebenem Anlass haben wir in der Statistik gekramt und ein paar Meilensteine herausgesucht.

- Das letzte Mal, dass vor dem Einstieg der Espargarós 2014 zwei Brüder in der MotoGP gegeneinander gefahren sind, war 2010 beim US-GP in Laguna Seca. Damals trat Nicky Hayden für Ducati an, Bruder Roger Lee als Ersatz für Randy de Puniet bei LCR-Honda. Beide Fahrer holten Punkte: 5. Rang Nicky. 11. Rang Roger Lee.

- Das letzte Mal, dass sich vor 2014 zwei Brüder unter den permanenten MotoGP-Teilnehmern befanden, war 2004, als Kenny und Kurtis Roberts die Proton-KR-V5-Maschine mit 990 ccm fuhren.

- Zusätzlich zu den Roberts-Brüdern 2004 traten andere Brüder «full time» in der Königsklasse an. Nobuatsu und Takuma Aoki 1997, Bernard und Marc Garcia 1994 und 1995, Dominique und Christian Sarron 1989.

- Die zwei letzten Brüder, die gemeinsam auf dem «premier class»-Podest standen, waren Nobuatsu und Takuma Aoki: Sie errangen die Plätze 2 und 3 beim Imola-GP 1997 neben Mick Doohan.

- Die einzige andere Gelegenheit, bei der sich zwei Brüder auf dem Podest in der Königsklasse trafen, war in Argentinien 1962. Juan Salatino gelang damals Rang 2, Bruder Eduardo wurde Dritter.

In den kleineren Klassen traten etwa Alex und William De Angelis aus San Marino 1999 bis 2001 gemeinsam in der 125-ccm-WM an und später Hiroshi und Shuhei Aoyama jahrelang in der 250-ccm-Klasse.

Die Liste von Brüderpaaren, von denen beide zu unterschiedlichen Zeitpunkten oder in unterschiedlichen Klassen zu GP-Einsätzen kamen, ist aber noch viel länger, sie umfasst insgesamt rund 50 Paare.

Adrian und Raúl Fernandez trugen sich 2021 neu in diese Liste ein: Adrian fuhr 2021 seine erste Moto3-WM-Saison auf Husqvarna und wechselt für 2022 ins Red Bull KTM Tech3 Team. Raúl kommt als Moto2-Vizeweltmeister in die MotoGP-Klasse.

Marc und Alex Márquez waren die ersten Brüder, die 2014 im selben Jahr einen Motorrad-WM-Titel (MotoGP und Moto3) einfuhren, und gingen so in die GP-Geschichte ein. Als Belohnung für den Moto3-Titel durfte Alex Márquez 2014 nach dem Finale in Valencia bereits die MotoGP-Honda RC213V testen. Beide Márquez-Brüder flitzten damals mit Repsol-Honda-Maschinen um die Strecke.

HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto versicherte bereits vor sechs Jahren, dass er sich 2017 ein Repsol-Werksteam mit beiden Márquez-Brüdern vorstellen könne. Doch Alex brauchte fünf Jahre, bis er 2019 endlich die Moto2-WM gewann. Zum zweiten Mal wurde er also im selben Jahr wie Bruder Marc Weltmeister, danach wurde der Repsol-Traum für ihn wahr, wenn auch nur für eine Saison.

2015 wollte neben den Espargarós noch ein zweites Brüderpaar in der MotoGP-Klasse antreten. Superbike-WM-Star Eugene Laverty ging für das Aspar-Team an den Start, doch Bruder Michael Laverty erhielt keinen MotoGP-Platz mehr, nachdem sich Paul Bird Motorsport zurückgezogen hatte.

Es wäre eine doppelte Premiere gewesen: Bis dahin waren noch nie in der GP-Geschichte gleichzeitig zwei Brüderpaare als Stammfahrer in der Königsklasse angetreten. Und erstmals wären zwei Brüder nicht für dieselbe Nation gestartet. Die Lavertys stammen aus Nordirland, das zu Großbritannien gehört, Michael fährt unter britischer Flagge. Eugene allerdings besitzt eine irische Lizenz und gilt deshalb als Pilot aus Irland.

Übrigens: Die ersten Brüder, die Motorrad Grands Prix gewonnen haben, waren Christian und Dominique Sarron. Christian gewann insgesamt sieben Grands Prix in der 250-ccm- und 500-ccm-Klasse. Dominique entschied vier 250-ccm-Rennen für sich und schloss die Saison 1986 als WM-Dritter ab.

In den letzten Jahren kreuzen vermehrt Brüder in der GP-Szene auf. Mit den Türken Can und Deniz Öncü sahen wir 2019 sogar Zwillinge in der gleichen Klasse (Moto3) am Start. Sie glänzten schon mit dem Gesamträngen 1 und 2 im Red Bull Rookies Cup 2018. Und Can gewann mit 15,5 Jahren gleich sein GP-Debüt in Valencia, ist inzwischen aber in der Supersport-WM unterwegs.

Übrigens: Die Lowes-Zwillinge waren 2016 ebenfalls kurzzeitig beide im MotoGP-Fahrerlager dabei, als Alex für Tech3 die Grand Prix in Silverstone und Misano bestritt.

Mit mäßigen Erfolg präsentierte sich Weltmeister-Sohn Axel Pons in der Moto2-WM. Bruder Edgar siegte zwar zweimal in der Moto2-EM, im GP-Sport waren die Schuhe von Papa Sito (250-ccm-Weltmeister 1988 und 1989 auf Honda) auch für ihn zu groß. Nach der Saison 2020 hörte er auf, Edgar kümmert sich nun im familieneigenen Moto2-Team um das Sports Management.

Brüder, die in unterschiedlichen oder gleichen GP-Klassen antraten:

Adrian und Raúl Fernandez
Marc und Alex Márquez
Pol und Aleix Espargaró
Valentino Rossi und Luca Marini
Axel und Edgar Pons
Deniz und Can Öncü
Eugene und Michael Laverty
Sam und Alex Lowes
Brad und Darryn Binder
Nobuatsu, Haruchika, Takuma Aoki
Kensuke und Noriyuki Haga
Vesa und Mika Kallio
Giacomo und Felice Agostini
Jacque und Pierre Bolle
Jorge und Raul Kissling
George und Peter Looijesteyn
Matti und Penti Salonen
Patrick und Jürgen van der Goorbergh
Francesco und Walter Villa
Alfred und Gerhard Waibel
Horst und Helmut Kassner

Max und Helmut Bradl fuhren 1986 gemeinsam in der 250-ccm-Europameisterschaft, aber nicht in der Weltmeisterschaft.

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