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Stefan Bradl: «Argentinien war der Super-GAU»

Von Günther Wiesinger
Es falle ihm nicht leicht, sich mit der neuen Situation als Open-Fahrer abzufinden, gibt Stefan Bradl zu. Denn die Top-Ten liegen zumindest im Training ausser Reichweite.

Stefan Bradl (25) muss sich in der MotoGP-Team beim Athina-Forard-Yamaha-Team mit einer neuen Situation anfreunden. Er kämpft als Open-Class-Fahrer gegen 14 Factory-Bikes von Honda, Yamaha, Ducati und Suzuki.

Bei den ersten drei Rennen (nur ein Punkt für Platz 15 in Argentinien) lief es nicht nach Wunsch. Aber die besten Open-Fahrer liegen in Reichweite, bei der Angewöhnung an die Einheits-Elektronik von Magneti Marelli sollte es in Jerez Fortschritte geben.

Stefan, dein Crew-Chief Verbena sagte in Texas, du bremst härter als Lorenzo, aber die Marelli-ECU gibt dir nur 80 Prozent der möglichen Power frei. Beim Yamaha-Werksteam werden beim Beschleunigen immer 100 Prozent abgerufen, aufgrund der High-Tech-Software. Hast du dieses Gefühl beim Fahren auch?

Das war ein Beispiel, mit dem Sergio daufzeigen wollte, dass uns die Elektronik noch Probleme bereitet, dass wir sie noch nicht richtig im Griff haben.
Wir haben bisher zu lang gebraucht, um die Traction-Control streckenspezifisch richtig gut abzustimmen. Und die Daten von 2014 nützen uns nichts mehr, weil sie auf die neue Software nicht übertragbar sind.

Ist es ein Nachteil, dass Honda vier Open-Fahrer hat, Yamaha mit dir und Baz nur zwei. Dazu hat Ducati mit der Marelli-ECU für Barbera im Grund zwölf Jahre Erfahrung durch das Werksteam?

Das spielt sicher eine Rolle. Unser Elektronik-Chef Dirk Debus meint, es sei bei Honda auch hilfreich, dass sie ein Testteam für die Open-Fahrer haben. Das gibt es bei Yamaha nicht.

Was kannst du bei dir selber verbessern? Das Feld liegt enger beisammen, es gibt jetzt 24 Prototypen, 2012 waren es nur halb so viele, der Rest waren Claiming-Rule-Bikes mit Superbike-Rennmotoren. Du hast neue Gegner: Suzuki ?kam neu dazu, Ducati hat erstmals drei starke Teams, die Tech3-Fahrer sind momentan ausser Reichweite, dazu kommen die zwei Factory-Honda von Crutchlow und Redding. Die Fahrer müssen mehr aus sich herausquetschen? Rossi fährt ja jetzt auch auf einem anderen Level als 2013.

Ich sehe ja, dass wir teilweise nicht viel Zeit verloren auf die beiden Pramac-Ducati von Petrucci und Hernandez und dass wir manchmal nahe an den beiden Tech-3-Yamaha dran sind. Aber bisher ist es uns noch bei keinem Grand Prix gelungen, das ganze Paket optimal zusammenzufügen und dann mit viel Zuversicht ins Rennen zu starten.
Vielleicht habe ich da oder dort auch fahrerisch nicht das Maximum geleistet. Aber ich will mir da nicht zu grosse Vorwürfe machen. Ich bin sicher, wenn wir das ganze Set-up einmal drei Tage lang optimal hinkriegen, können wir im Rennen um die Plätze 10 bis 12 fighten. In Texas wäre zum Beispiel Platz 9 oder 10 möglich gewesen.
Im Grunde bin ich erst zwei Renndistanzen gefahren. Katar war nicht so schlecht, da wäre ohne Fehler in der letzten Kurve Platz 14 und der Open-Sieg möglich gewesen. Aber dort habe ich am Anfang etwas Zeit gebraucht, um Vertrauen zum Motorrad aufzubauen. Danach ist es relativ gut gelaufen. Ich war in Doha am Schluss eigentlich derjenige in unserer Gruppe, der noch überholen konnte.
In Argentinien war es leider im Rennen ganz anders rum. Dort war es am Anfang ganz okay, ich bin dann in den letzten Runden eingegangen.
Wir müssen die Lehren aus den ersten Rennen ziehen und uns bei den nächsten Rennen steigern.
Cal Crutchlow hat 2014 auch ein paar schlechte Rennen erlebt. Heute kräht kein Hahn mehr danach.
Wir haben bei Forward eine starke Technikcrew und ein schlagkräftiges Technikpaket. Auch die Unterstützung von Bridgestone ist ausgezeichnet. Ich kann bei Reifentechniker Pit Baumgartner immer wieder Informationen beziehen, wie es beim Werksteam mit Rossi und Lorenzo und Tech3 mit den Reifen aussieht, was sich dort bewährt und was nicht.
Mein Crew-Chief Sergio hat sehr viel ?Wissen, er bemüht sich sehr, er zerbricht sich ständig den Kopf, wie wir Verbesserungen erzielen können.
Wir wissen, wir können die Open-Class gewinnen. Das bleibt unser vorrangiges Ziel.

Du willst in diesem Jahr erstmals auch während der Rennsaison Offroad trainieren?

Ja, ich wollte das auch nach dem Argentinien-GP machen, aber ich bin einige Tage wegen einer starken Erkältung flachgelegen. Eine Nachwirkung der Air-Condition in Argentinien.
Ich muss nur 15 km weg nach Augsburg in den Enduro-Park, dort bin ich 2014 auch mehrmals gefahren.
Fitnessmässig fühle ich mich ohnedies sehr gut. Die Renndistanz in Argentinien war kein Problem. Aber nach dem 15. Platz war die Stimmung bei mir schon extrem gedrückt.

Du hast dir im Winter Plätze zwischen 8 und 12 als Ziel gesetzt. Nachdem Suzuki und Ducati deutlich stärker sind als erwartet, dazu die Open-Gegner, musst du die Ziele revidieren? Plätze zwischen 10 und 14 sind realistischer?

Werden wir sehen. Es darf nicht weiter nach hinten gehen. Argentinien war für mich der Super-GAU.
Es hat sich herausgestellt, dass die Open-Teams alle auf gleichem Niveau sind und dass auch das Avintia-Team mit Ducati sehr schlagkräftig ist, mit Barbera und di Meglio, man darf beide nicht unterschätzen.
Das Forward-Team war 2014 in der Open-Class dominierend. Das ist darauf zurückzuführen, dass es das einzige Team mit einem echten Prototyp war. Honda hatte einen Production-Racer gebaut, Ducati ist erst in Aragón mit Barbera in die Open-Class eingestiegen. Forward war schon 2014 mit konkurrenzfähigem Open-Material ausgerüstet.

Du warst beim ersten Sepang-Test 2015 Gesamtachter. Aber dort hatten Crutchlow und Redding noch Mühe mit den Werks-Honda, beide Suzuki waren hinter dir, Hernandez war verletzt, Ducati hatte noch die GP14. Fällt es dir schwer, diese neuen Kräfteverhältnisse zu akzeptieren?

Die Zielsetzungen habe ich bereits geändert. Ich weiss, dass wir jetzt nicht mehr um dieselben Resultate kämpfen können wie letztes Jahr.
Aber es ist schon so, dass mir das nicht so leicht fällt, dass ich jetzt ab Platz 10 rechnen muss und mir nicht mehr die Top-5 anschauen sollte. Aber die ersten fünf waren auch 2014 nicht immer erreichbar.
Ich bin jetzt mit einer neuen Situation konfrontiert. Das ist kein Weltuntergang. Ich muss mich jetzt damit auseinandersetzen. Ich fahre? in der Open-Kategorie...
Die MotoGP-WM ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Vorne sind die Werksfahrer oder die Factory-Teams, das sind je vier Piloten von Honda, Yamaha und Ducati sowie zwei Suzuki, also 14 starke Gegner. Und dann kommt die Open-Class, zu der ich dazu gehöre.

2016 wird es keine Open-Class mehr geben, es ?kommt dann eine Einheits-ECU für alle, auch für die Werksteams, statt Brigdestone steigt Michelin als Reifenlieferant ein. Der Abstand zwischen den Kundenteams und den Factory-Teams wird dann geringer?

Ja, das hoffen wir. 2016 werden sich die Kräfteverhältnisse jedenfalls ändern. Wenn alle die gleiche Elektronik haben, wird das Feld noch dichter zusammenrücken.

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