Fazit Wales GB: Holt Toyota den «falschen» Titel?
Toyota – im Foto Ott Tänak – könnte zum ersten Mal seit 1999 wieder Marken-Weltmeister werden
Über Mangel an Abwechslung kann man sich in der Rallye-WM 2018 wirklich nicht beschweren. Sah es nach der Rallye Türkei noch so aus, als würde der Titelkampf zwischen Thierry Neuville (Hyundai) und Ott Tänak (Toyota) entschieden, scheint nach der Wales Rally GB in Großbritannien vom letzten Wochenende plötzlich Sébastien Ogier (Ford) im Vorteil. Überflieger Tänak, der sich mit einer Serie von drei Siegen überraschend in die Spitzengruppe katapultiert hatte, hat dagegen zwei Rallyes vor dem Saisonende wieder 21 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Neuville.
Zu «verdanken» hat Tänak diesen Rückschlag der technischen Unzuverlässigkeit seines Yaris WRC, die in Wales zum Ausfall führte. Nach einem Sprung bohrte sich der Motorschutz so tief in den Boden, dass er nicht nur komplett abriss, sondern auch eine Handvoll Fans mit improvisiertem Bergewerkzeug mehrere Minuten zum Ausbuddeln brauchten. So etwas darf bei einem World Rally Car nicht passieren.
Tänak ließ die Technik nicht zum ersten Mal in der laufenden Saison im Stich. Auch Teamkollege Jari-Matti Latvala hatte schon mehrfach ähnlichen Kummer. Und Esapekka Lappi beschwert sich seit Monaten darüber, dass ihm der Motor bei bestimmten Bremsmanövern immer abstirbt. Man könnte sagen: Toyota verhindert den Titel für Tänak.
In der Herstellerwertung liegt die japanische Marke dagegen derzeit an der Spitze. Einziger realistischer Gegner ist Hyundai mit 20 Zählern Rückstand. Holt Toyota zum ersten Mal seit 1999 den Markentitel – ein Jahr früher als erhofft –, ist ausgerechnet der Mann dafür verantwortlich, dem vor etwas über zwei Jahren kaum jemand zugetraut hatte, ein vernünftiges Werksteam auf die Beine zu stellen – Tommi Mäkinen.
Der viermalige Rallye-Weltmeister mag eine schwierige Persönlichkeit haben, die dazu geführt hat, dass für seine Technik- und Managementabteilung keiner der großen Namen der Szene arbeiten will. Ob darin die technischen Probleme begründet sind, die den Yaris WRC gelegentlich befallen, bleibt Spekulation.
Aber zumindest bei seinen Fahrern hat Mäkinen ein goldenes Händchen bewiesen. Ott Tänak hat sich unter der Regie des inzwischen 54 Jahre alten Finnen endgültig zum Titelkandidaten gemausert. Und mit Jari-Matti Latvala und Esapekka Lappi hat Mäkinen dem Esten die Flügelmänner zur Seite gestellt, die sowohl Sébastien Ogier als auch Thierry Neuville beziehungsweise deren Teams gerne hätten.
Besonders deutlich wird dies, wenn man den Anteil der jeweiligen Nummer-1-Fahrer am Punktestand in der Herstellerwertung heranzieht. Tänak hat für Toyota 44 Prozent der Marken-Punkte geholt. Anders ausgedrückt: Mehr als die Hälfte gehen auf das Konto von Latvala und Lappi. Hyundai ist zu 53 Prozent von Neuville abhängig, Ford/M-Sport sogar zu 56 Prozent von Ogier.
Beide sind in ihren Teams auch mehr oder weniger auf sich alleine gestellt, wenn es darum geht, den direkten Titelkonkurrenten Punkte wegzunehmen. Bei der Wales Rally GB kamen Latvala und Lappi vor Tabellenführer Neuville ins Ziel. Das hätte Mannschaftskapitän Tänak geholfen – wäre er denn ins Ziel gekommen. So konnte sich stattdessen Ogier bei den beiden Toyota-Finnen für eine Hilfe bedanken, zu der seine eigenen Teamkollegen Elfyn Evans und Teemu Suninen nicht in der Lage waren.
Zu deren Verteidigung muss man zugeben, dass der Ford Fiesta WRC auch kein Muster an Zuverlässigkeit ist. Ogier verlor am Freitag den ersten und zweiten Gang, Grund für seinen zu diesem Zeitpunkt scheinbar aussichtslosen Rückstand. Das Auto von Evans legte ein Problem mit einem Sensor sogar komplett lahm.
Neben der mangelnden Werksunterstützung durch Ford waren sicher diese beiden Problemfelder Gründe für Sébastien Ogiers anstehenden Wechsel zu Citroën. Hat ihm Teamchef Pierre Budar stärkere Teamkollegen versprochen, als er dieses Jahr bei M-Sport hat? Immerhin hält sich hartnäckig das Gerücht, dass auch Esapekka Lappi zu den Franzosen wechselt.