KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Timo Glock offen wie nie: «Was mache ich nur falsch?»

Von Andreas Reiners
Timo Glock

Timo Glock

Es ist das verflixte siebte Jahr: Timo Glock erlebt eine seine bislang schwierigste DTM-Saison. Und spricht offen über die mentalen Belastungen und Probleme.

Timo Glock grinst. Immer mal wieder lacht er, scherzt. Für ein Krisengespräch ist der DTM-Star überraschend gut gelaunt. Es ist auch nicht das erste in dieser Saison, seiner siebten in der DTM.

Eine Saison, in der es der Titelkampf sein sollte, in der es aber so gar nicht läuft, wo er sich schon vor der Halbzeit sang- und klanglos aus dem Titelrennen verabschiedet hat.

Doch deshalb den Humor verlieren? Nee, soweit ist es dann auch noch nicht.

Komplexe Situation

Man merkt Glock im Gespräch an, wie komplex es ist, die Situation aufzudröseln. Eine Erklärung zu finden für eine Krise, für die es die eine Erklärung gar nicht gibt.

Wo es vielleicht auch Dinge gibt, die gar nicht erklärbar sind. Wo Außenstehende dann auch noch sagen: «Der hat es hinter sich, der Glock ist nur noch ein Auslaufmodell.»

Wo er selbst aber weiß: Ich kann es noch. Es passt nur nichts zusammen. So Jahre gibt es halt mal. Oder um ein Zitat aus dem Fußball von Weltmeister Andreas Brehme mal frei in den Motorsport zu übertragen: «Haste Scheiße am Auto, haste Scheiße am Auto.»

Dreimal wurde er von Teamkollegen abgeschossen. Vom Safety Car benachteiligt. Oder am Auto ging etwas kaputt. 23 Pünktchen sind es nach acht von 18 Rennen, 104 weniger als Tabellenführer René Rast (Audi). Er ist der schlechteste der sechs BMW-Fahrer. Weit weg vom Titelkampf, noch weiter weg von den eigenen Ansprüchen. An den neuen Autos liegt es nicht, er fühlt sich in den Turbo-Boliden genauso wohl wie er es im Vorjahresauto tat. Auch an etwas abgedrehtere Gründe wie den Verlust seines «Yellow Beast» glaubt er nicht.

Glock macht den Großteil mit sich selbst aus. Die meisten seiner Freunde haben mit Motorsport nicht viel am Hut. Außerdem ist die Lust, das Thema auch nach einem Rennwochenende durchzukauen, begrenzt.

Andauernde Konfrontation

«Denn du wirst dann andauernd mit den Problemen konfrontiert. Wie oft ich das Wort Pech schon gehört habe – das haftet inzwischen schon an mir. Es raubt Energie, wenn du immer wieder über die negativen Dinge reden musst. Ich versuche deshalb, es Zuhause nicht mehr zu tun und abzuschalten», sagte er Auto Bild Motorsport.

Stattdessen versucht er, die Situation positiv anzugehen. Ein bisschen wie Lewis Hamilton in der Formel 1: «Für ihn gibt es nur positiv. Und: Er macht immer genau das, was er will. Das ist der Trick, den ich auch versuche: Das Ganze positiv zu sehen. Es funktioniert nur nicht so ganz im Moment.»

Denn da gibt es immer wieder die Stimme im Hinterkopf, die nervt. Die immer wieder fragt: «Was mache ich falsch, dass es jetzt nicht so läuft?» Er gibt zu: «Diese Momente nagen an einem, es ist schwer.»

Selbstzweifel noch weit weg

Von Selbstzweifeln ist er aber noch weit weg. «Die würden kommen, wenn ich hinterherfahre. Aber ich war vom Speed her immer dabei. Aber: Du hinterfragst dich und deine Abläufe oder auch das Setup des Autos, ob man den richtigen Weg eingeschlagen hat. 2018 wussten wir blind, dass und wie es funktioniert. Dieses Jahr auch, trotzdem hast du immer kleine Zweifel.» Mit Mentaltrainern hat er zusammengearbeitet, hat auch gewisse Dinge für sich herausgezogen. Doch in einer Situation wie dieser bringt auch der beste Mentaltrainer nichts.

Was hilft? Die Familie. Auch wenn er viel von den sportlichen Problemen mit nach Hause bringt. Verheiratete Männer kennen das: Die Frau sagt oder fragt etwas, man ist aber nicht zu 100 Prozent bei der Sache.

Glock kennt das auch: «Meine Frau sagt immer: ‚Du bist vergesslich geworden‘. Ich bin aber meistens nur vergesslich, wenn ich über diese Dinge nachdenke. Sie sagt etwas, aber es kommt nicht an, weil ich darüber nachdenke, wie ich aus der Situation komme. Ich bin dann mit dem Kopf nicht zu 100 Prozent da», so Glock.

Kinder lenken ab

Ablenkung bringen seine beiden Kinder. Die interessieren sich nicht für ein verpatztes Setup, Kollisionen, Luftdrücke oder Fahrfehler. Die wollen mit ihrem Vater spielen.

Hinzu kommt: Glock kennt einen sechs Jahre alten Jungen, der schwer krank ist. «Das sind wahre Probleme. Meine sind da nur Randnotizen», so Glock: «Das realisierst du, wenn du Kinder hast, das holt dich in die Realität zurück. Sie leben dir vor, wie einfach man denken sollte. Sie denken im Jetzt.»

Wenn Glock ans Jetzt denken soll, muss er lachen. Ist es eine verlorene Saison? «In meinem Alter ja», sagt er. Weiß aber auch, dass das nicht so falsch ist. Glock: «Jede Saison ist verloren, in der ich nicht um die Meisterschaft fahre. Ich bin keiner, der vorher herumposaunt, dass er Meister werden will. Aber im Innern war ganz klar mein Ziel, um die Meisterschaft zu fahren.»

Wie viele gute Jahre stecken noch in ihm, wie viele Anläufe? Jünger wird er ja schließlich nicht mehr. Darüber denkt er nicht nach. «Momentan bin ich vom Speed her dabei und habe viel, viel Spaß daran. Ich warte ab, was noch kommt.»

Und nennt als Beispiel Gabriele Tarquini. Der Italiener ist stolze 57 Jahre alt und fährt immer noch. «Und immer noch schnell», sagt Glock und lacht. Seinen Humor hat er zum Glück noch nicht verloren.

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