Kubica: Deshalb geht es auch um seinen guten Ruf

Von Andreas Reiners
Robert Kubica

Robert Kubica

Robert Kubicas Comeback-Geschichte ist eine lesenswerte. 2019 erhielt sie jedoch einen sportlichen Makel. Den will der Pole nun in der DTM ausmerzen. Das birgt Risiken.

Als Sportfan liebt man solche Geschichten. Comebacks. Die Story des bereits Geschlagenen, der wieder aufsteht. Der Held, der sich gegen alle Wiederstände durchsetzt, der auf sein Schicksal pfeift und Unglaubliches schafft. Der sich wieder zurückkämpft.

So gesehen ist die Geschichte von Robert Kubica auch heute immer noch eine wunderbare und lesenswerte. Dass der Pole sich nach seinem schweren Rallyeunfall im Februar 2011 trotz schwerster Armverletzungen Jahre später zurück in einen Formel-1-Boliden gekämpft hat, ist beeindruckend.

Aus allen Träumen gerissen

Der Unfall hatte ihn jäh aus allen Königsklassen-Träumen gerissen, damals soll er bereits einen Vorvertrag bei Ferrari unterschrieben haben. Von allen Widrigkeiten ließ er sich nie beirren.

Rund um die Formel 1 herrschte Vorfreude und Euphorie, als sich Kubicas Rückkehr abzeichnete. Erst 2017 durch erste Testfahrten, dann als Ersatzpilot und schließlich 2019 als Stammfahrer für Williams.

Für Kubica ging am 17. März 2019 eine scheinbar endlose Wartezeit zu Ende: Seinen davor letzten Formel-1-WM-Lauf bestritt der Pole am 14. November 2010 in Abu Dhabi, damals als Renault-Werksfahrer (er wurde Fünfter). Einschließlich des 17. März 2019 musste der WM-Vierte von 2008 damit unfassbare 3046 Tage oder 8 Jahre, 4 Monate und 3 Tage auf seine Rückkehr warten!

Die Tatsache, dass der Kanada-GP-Sieger 2008 überhaupt wieder am Lenkrad eines modernen Formel-1-Renners sitzen kann, «ist die Verwirklichung eines fast unmöglichen Traums», wie es Robert einmal bezeichnet hat.

Doch die Geschichte erhielt ein paar Dellen, denn große Comeback-Storys liest man zwar überall gerne, doch wenn der Protagonist dann plötzlich doch nur hinterherfährt, erlischt das Interesse leider recht schnell. Ein Comeback ist toll, doch die Leute wollen eine Fortsetzung. Das wird der ganzen Nummer zwar nicht gerecht, ist aber auch der heutigen Schnelllebigkeit geschuldet.

Keine Frage: Kubicas Ruf hat dabei auch gelitten.

Dass er 2019 in einem völlig desolaten Williams saß, der Sekunden hinter der Konkurrenz her dümpelte, wurde dann irgendwann schon gar nicht mehr erwähnt. Das interne Duell mit George Russell verlor Kubica schließlich auch sehr deutlich.

Riesiger Respekt

Der Respekt vor seinem Comeback?

Immer noch riesig. Doch die Geschichte war dann irgendwann auserzählt, es tat sich kein neuer Spannungsbogen auf.

Anfang des Jahres wurde er dank seines Sponsors PKN Orlen Ersatzfahrer bei Alfa Romeo. Eine nette Rentenankündigung, könnte man meinen. Zurück in die zweite Reihe, um die Karriere ausklingen zu lassen.

Doch Kubica will es nochmal wissen, mit 35 sucht er in der DTM eine ganz neue Herausforderung. Auch auf die Gefahr hin, dass es noch ein paar Dellen mehr an seiner Legenden-Geschichte gibt.

DTM-Chef Gerhard Berger freut sich auf den großen Namen. «Wir freuen uns sehr, einen Fahrer vom Kaliber und Prestige eines Robert Kubica in der DTM zu haben. Er wird eine fantastische Ergänzung sein. Tatsächlich hat unsere Serie eine lange und illustre Geschichte als Anziehungspunkt für F1-Fahrer – darunter Rennsieger wie Mika Häkkinen, Keke Rosberg und David Coulthard – und die Ankunft von Robert setzt diese Tradition fort», sagte der Österreicher, dem positive Nachrichten nach dem Aus von Aston Martin natürlich gelegen kommen.

Berger warnt

Berger warnt: «Wie seine Grand-Prix-Vorgänger jeweils festgestellt haben, herrscht in der DTM ein unglaublich enger Wettbewerb. Das ist keine leichte Herausforderung. Dennoch bin ich mir absolut sicher, dass Robert sich in der DTM sehr schnell bewähren wird und dass er ein wertvoller Teil des spannenden BMW-Fahreraufgebotes für 2020 sein wird. Wir freuen uns alle darauf, ihn in Aktion zu sehen.»

Klar ist: Die Erwartungshaltung an einen ehemaligen Formel-1-Fahrer ist in der DTM eine ganz andere, auch wenn die Vergangenheit gezeigt hat, wie schwierig es ehemalige Formel-1-Recken wie Ralf Schumacher oder David Coulthard hatten, denn die Umstellung von einem Formel- auf einen Tourenwagen hat es in sich.

Auch Kubicas früherer Formel-1- und jetziger BMW-Kollege Timo Glock kann ein Lied davon singen, er hat mehrere Saisons gebraucht, um sich einzugrooven. Die Gefahr, mit den üblichen Anpassungsproblemen sportlich in die Bedeutungslosigkeit durchgereicht zu werden, ist nicht von der Hand zu weisen. In der DTM kann das schnell passieren.

Denn hinzu kommt die Konstellation mit dem Kundenteam ART Grand Prix. Ein erfahrenes Team, trotzdem etwas anderes als eine gestandene Werksmannschaft.

Wie stark ist der BMW?

Kubica weiß, dass es als Kundenteam nicht einfach ist, viel hängt natürlich auch davon ab, wie stark der BMW im Vergleich zum Audi ist. WRT hatte es 2019 als Audi-Kundenteam bewiesen, dass es möglich ist, gute Ergebnisse zu erzielen. Eine gewisse Anlaufzeit inklusive Startschwierigkeiten sollte man aber wohl in jedem Fall einrechnen.

«ART Grand Prix gehört seit Jahren zu den großen Namen im internationalen Rennsport. Ich bin sicher, dass wir in der DTM gemeinsam viel erreichen können. Natürlich müssen wir im Vergleich zu den renommierten DTM-Teams noch Erfahrung sammeln, doch wir werden hart arbeiten, um uns kontinuierlich zu steigern», so Kubica.

Der Plan ist ambitioniert, aber auch spannend: Mit 35 Jahren noch einmal in die DTM, ein neues Auto, eine neue Herausforderung, mit einem Kundenteam, David gegen Goliath, als Underdog - also als Held, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt, der sich wieder zurückkämpft.

Keine Frage: Sportfans lieben solche Geschichten.


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