Marc Surer über Ferrari: Bottas wäre ein Rückschritt!

Von Mathias Brunner
Der Schweizer Formel-1-Experte von Sky spricht über die Situation von Ferrari, über die elementare Rolle der Reifen und darüber, dass Valtteri Bottas gar nicht der grosse Heilsbringer ist.

Kein Rennstall hat weltweit eine so grosse Fangemeinde wie Ferrari. Aber die Tifosi machen sich Sorgen: Sebastian Vettel wurde in England nur dank einer klugen Entscheidung von Sebastian Vettel Dritter, auf trockener Bahn fuhr Ferrari nicht nur Mercedes, sondern auch Williams hinterher. Zeit für eine kleine Standortbestimmung mit dem früheren Formel-1-Piloten Marc Surer (63), GP-Experte der Kollegen von Sky.

Marc, Mercedes-Teamchef Toto Wolff vermutet ja immer, Ferrari könne mehr als wir in den letzten Rennen gesehen haben. Was kann Ferrari wirklich?

Mir fällt einfach auf, dass Ferrari immer dann weniger konkurrenzfähig ist, wenn die harten Reifen verwendet werden. Das haben wir in Barcelona gesehen und nun wieder in Silverstone – mit diesen Walzen fährt Ferrari unter ihrem eigentlichen Niveau. Mit weicheren Reifen ist Ferrari tendenziell stärker.

In England lag Ferrari so weit hinter Mercedes wie vorher nur in Australien. Wie ist das zu erklären?

Ich führe das wirklich vorwiegend auf die Reifen zurück, die schon in Spanien das Bild verfälscht haben. Damals hiess es dann: vielleicht habe Ferrari in Sachen Entwicklung verwachst, die neuen Teile funktionierten wohl nicht. Aber beim nächsten Rennen war Ferrari bei der Musik. Also steht für mich der starke Zusammenhang zwischen Darbietung von Ferrari und Reifentyp fest. Ferrari bringt besonders bei etwas kühleren Bedingungen diese Reifen nicht oder nur schleppend zum Funktionieren. In Österreich ist zwar mit anderen Reifenmischungen gefahren worden, aber da war es am Sonntag für den Geschmack des Ferrari einfach zu kühl.

Ferrari hat bei harten Reifen nur dann einen Vorteil, wenn die Temperaturen hoch sind und diese Walzen an anderen Autos zu überhitzen beginnen. Der Ferrari geht mit den Reifen verhältnismässig behutsam um und hat dann einen Vorteile – siehe Sieg in Malaysia.

Wenn wir schon davon sprechen: Ist der Sieg für Sebastian Vettel rückblickend zu einem schlechten Zeitpunkt für Ferrari gekommen, weil dann auf einmal die Erwartungen so gross wurden?

(Schmunzelt.) Nein, Ferrari hat einen Sieg dringend gebraucht, ihnen war dabei egal, wann der kommt. Für das ganze Team war es ganz wichtig zu sehen – wir können das noch. Und auch für Sebastian Vettel war das nach der verpatzten Saison 2014 sehr wichtig.

Natürlich hat das dann die Erwartungen verschoben, aber bei Ferrari selber hat sich nichts verändert – die wissen genau, wo sie stehen, und sie wissen auch, dass damals in Sepang ein wenig Glück mit ihm Spiel war.

Entwicklungs-Speed und Entwicklungs-Effizienz – so siedelst du Mercedes und Ferrari da an?

Es ist einfacher, wie Mercedes einen Vorsprung verwalten zu können. Die können in Ruhe entwickeln. Ferrari ist in der Lage des Aufholen-Müssens, die Entwicklungsschritte sollten also grösser sein, und da läuft man unweigerlich Gefahr, dass dann mal das eine oder andere Teil nicht wie gewünscht funktioniert. Das ist für mich in Spanien passiert. Der grosse Schritt, den man sich erhofft hatte, der blieb aus. Einmal abgesehen von der Reifenfrage. Mercedes hat kleinere Schritte gemacht, aber die waren alle Volltreffer.

In England war Williams eigentlich das ganze Wochenende stärker als Ferrari. Siehst du das als Ausreisser oder als Trend?

Für mich ist Ferrari hinter Mercedes noch immer die Nummer 2, weil sie unterm Strich das bessere Auto haben als Williams. Bei Williams ist mir aufgefallen, dass sie Top-Speed geopfert haben zu Gunsten von mehr Abtrieb in den Kurven. Sie fuhren verhältnismässig grosse Flügel, weil die Kurventempi in England wichtiger sich als die Höchstgeschwindigkeit. Und das war bislang ja immer ihr grosses Plus. Als es dann zu nieseln begann, fielen die Williams zurück. Das beweist, dass sie noch immer nicht mit dem gleichen Abtrieb fahren wie Mercedes oder Ferrari. Auf trockener Bahn konnten sie das in Silverstone dank des bärenstarken Mercedes-Motors kaschieren.

Wo stehst du in der Personalie Kimi Räikkönen?

Kimi ist die ideale Nummer 2. Er macht keine Politik, er ist immer fair. Aber ich finde schon: das ist nicht mehr der Kimi von früher.

Wer ist für dich die beste Alternative für den Finnen?

Für mich wäre es Nico Hülkenberg, doch ich habe nicht den Eindruck, dass er als zweiter Deutscher nicht zu Ferrari passt. Aber an dieser Stelle muss ich mal festhalten – dieser so hoch gehandelte Bottas ist langsamer als Massa, den Ferrari vor zwei Jahren entlassen hat. Wenn sie Bottas nehmen, machen sie einen Schritt zurück. 2014 wurde aus meiner Sicht das Bild bei Williams verfälscht durch die vielen Unfälle von Massa. Ich sehe, dass Felipe nun bei Williams mit Bottas auf dem gleichen Niveau mit Bottas fährt, also glaube ich, dass Ferrari sich keinen Gefallen damit täte, wenn sie den Finnen holen. Dann können sie ja auch gleich Massa zurückholen.

Was erwartest du von Ferrari auf den kommenden Strecken in Ungarn, Belgien und Italien?

Wenn es in Ungarn heiss sein sollte, sehe ich Ferrari als echten Rivalen von Mercedes im Kampf um den Sieg. Ich kann mir hingegen nicht vorstellen, dass Williams in Ungarn besonders gut sein wird. Auf den Highspeed-Strecken von Spa-Francorchamps und Monza hingegen sieht es wieder ganz anders aus. Da wird sich Ferrari wie in England der beiden Williams erwehren müssen.

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