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Lucio Cecchinello (LCR): «Honda übt Leaderrolle aus»

Von Günther Wiesinger
LCR-Honda-Teambesitzer erklärt mit recht einleuchtenden Beispielen, warum Honda in letzter Zeit mit so machen Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte.

Das LCR-Honda-Team von Lucio Cecchinello ist seit 2006 (mit Casey Stoner) in der MotoGP-Weltmeisterschaft unterwegs. Nach Stoner kamen Fahrer wie Carlos Checa, Randy De Puniet, Toni Elias, Stefan Bradl und Jack Miller, jetzt fährt Cal Crutchlow die dritte Saison für LCR-Honda.

Dazu kommen zwei weitere Gelegenheitsfahrer auf LCR-Honda: Roger Lee Hayden ersetzte 2010 in Laguna Seca/USA den verletzten Randy de Puniet. Und Ben Bostrom fuhr in Laguna Seca eine zweite Maschine als Wildcard-Fahrer neben Stammfahrer Toni Elias.

Im Vorjahr gelangen dem LCR-Team mit Cal Crutchlow die größten Erfolge – zwei GP-Siege, dazu der sechste WM-Rang. Der Brite trug sich als erster MotoGP-Pilot auf einer LCR-Honda in die Siegerliste ein.

SPEEDWEEK.com hat sich mit Lucio Cecchinello über die Ziele für 2017 und die manchmal problematische Honda-Technik unterhalten.
Denn Honda setzte für 2016 einen neuen Motor mit gegenläufiger Kurbelwelle ein und war dann wegen der neuen Einheits-Elektronik anfangs mit erheblichen Problemen konfrontiert. Und jetzt wird mit einem neuen Big-Bang (also mit geänderter Zündfolge) experimentiert.

Honda war 2014 haushoch überlegen. Warum lassen sich die Japaner wenig später auf solche Experimente ein?

Lucio, überrascht dich, dass Honda nach dem letztjährigen Titelgewinn mit Marc Márquez für 2017 schon wieder einen neuen Motor gebracht hat? Es ist eine Big-Bang-Version. Wäre es manchmal nicht sinnvoller, kleinere Schritte zu machen – wie Yamaha, Suzuki und Ducati?

Ich habe in Sepang ein Gespräch mit Repsol-Honda-Teamprinzipal Livio Suppo geführt. Ich habe ihm meine Meinung zur Vergangenheit mitgeteilt. Wenn man sich die letzten MotoGP-Jahre anschaut, dann hatten wir meiner Meinung nach sehr viele Änderungen der technischen Vorschriften. Zu viele.

Wenn Honda entschied, ein neues Motorrad oder einen neuen Motor zu designen, dann haben sie das getan, um das Material innerhalb des vorhandenen Regelwerks zu optimieren. Da die Regeln jedes Jahr geändert wurden, mussten die Honda-Ingenieure dauernd eine Menge Teile re-designen. Manchmal musste sogar die Philosophie der Triebwerke geändert werden.

In welcher Hinsicht?

Ich erkläre das anhand von Beispielen.

Es hat in letzter Zeit niemand erwähnt, dass Honda, wenn ich mich richtig erinnere, als erster Hersteller einen Big-Bang-Motor einsetzte, und zwar schon zur 500-ccm-Zweitakt-Zeit. Auch die Motoren mit einer gegenläufigen Kurbelwelle wurden von Honda erfunden.

Honda hat immer eine technische Vorreiterrolle ausgeübt. In letzter Zeit haben sie auf viele dieser technischen Innovationen und Anwendungen verzichtet, weil es in der MotoGP einen speziellen Fokus gab: Es ging um die Verringerung des Benzinverbrauchs.

Warum hat Honda den Big-Bang-Motor vorübergehend zur Seite gelegt? Weil die Screamer-Konfiguration weniger Sprit braucht.
Warum hat Honda das Triebwerk mit der gegenläufigen Kurbelwelle irgendwann zur Seite gelegt? Weil bei der Motorversion, bei dem sich die Kurbelwelle in Fahrtrichtung dreht, weniger Sprit gebraucht wird.

Honda war wegen dieser Maßnahmen dann der einzige Hersteller, der während der Phase mit dem 20-Liter-Sprit-Limit für die Factory-Status-Maschinen in manchen Rennen mit 18 oder 18,5 Liter über die Distanz kam. Das war 2014 und 2015. Die Open-Class-Teams durften damals 24 Liter verbrauchen. So wollte die Dorna den Abstand zwischen den Werksmaschinen und Kunden-Motorrädern verringern. Inzwischen wurde der Tankinhalt wegen der Einheits-ECU wieder auf 22 Liter erhöht, also ist es mit dem Verbrauch in den Rennen nicht mehr so kritisch.

Man muss kein Ingenieur sein, um sich ausrechnen zu können, dass sich Honda und Yamaha bei maximal 20 Liter Verbrauch in den Rennen allerhand einfallen lassen mussten, um den Durst der Motoren einzuschränken. Es wurde vermutlich die innere Reibung reduziert, man nahm Abstand vom Big-Bang, weil er mehr Sprit verbrauchte, es wurden die Drehzahlen gesenkt und so weiter. Auch mit Hilfe der Motorsteuerung wurde versucht, die Motoren abzumagern.

Erst als man wieder 22 Liter verbrauchen konnte, brachte Honda 2016 die gegenläufige Kurbelwelle zurück, jetzt für 2017 den Big Bang.

Man darf nicht vergessen: Als 2002 die MotoGP-Viertakt-WM begann, waren zuerst 26 Liter-Tanks erlaubt. Bei den 500-ccm-Bikes durfte man 2001 die Tanks noch mit 36 Liter Treibstoff befüllen. Das heißt: Die Teams haben 2014 und 2015 nur halb so viel Treibstoff mitnehmen können wie 2001!

Bald nach der Saison 2002 wurden maximal 24 Liter erlaubt, dann 2007 nur noch 21 Liter, als der Hubraum auf 800 ccm reduziert wurde.

Anschliessend wurde fast jedes Jahr das Technik-Reglement geändert. Honda musste alles adaptieren, Yamaha natürlich auch, Ducati hingegen bekam 2014 und 2015 die Open-Class-Privilegien, sie durften 24 Liter-Tanks verwenden. Dadurch mussten sie nie so intensiv Sprit sparen wie Honda und Yamaha.

Als 2016 erstmals wieder mit 22 Liter Tankinhalt gefahren werden konnte, repräsentierte die Motor-Design-Philosophie von Honda nicht mehr den besten Kompromiss. Deshalb brachte Honda für 2016 zuerst die gegenläufige Kurbelwelle zurück, jetzt den Big-Bang für 2017.

Das sind beträchtliche Neuerungen, deshalb hatten wir meiner Meinung nach bei Honda in letzter Zeit einige Anpassungsschwierigkeiten. Honda ist jetzt dabei, die Fahrbarkeit und die Motorleistung wieder zu optimieren, wobei jetzt nicht mehr die hauseigene Software zur Verfügung steht, was diese Aufgabe zusätzlich erschwert.

Ich hoffe jetzt auf jeden Fall, dass die Vorschriften für einige Zeit stabil bleiben. Und ich glaube, da sind viele Experten meiner Meinung.

Wenn das passiert, wird Honda ohne Zweifel bald die technische Führungsrolle wieder übernehmen.

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