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Franz Tost über junge Fahrer: «Einige sind blöd»

Von Adam Cooper
​Kommen die Piloten heute zu früh in die Formel 1? Toro Rosso-Teamchef Franz Tost sagt im ersten Teil unserer Geschichte: «Wenn wir uns die Jungen anschauen, dann ist die Formel 1 ein wenig Kindergarten.»

Rennlegende Mario Andretti fragt sich, ob das Ferrari-Cockpit für Charles Leclerc nicht vielleicht zu früh kommt. Tatsächlich finden wir 2019 ein sehr junges Startfeld – mit den GP-Neulingen George Russell, Lando Norris und Alex Albon. Antonio Giovinazzi hat erst zwei WM-Läufe bestritten. Charles Leclerc steigt mit der überschaubaren Erfahrung von 21 Grands Prix zu Ferrari auf, Pierre Gasly tritt mit 26 Grands Prix bei Red Bull Racing an. Die Frage muss erlaubt sein: Werden die heutigen Piloten zu früh in die Formel 1 und zu Spitzenteams geschubst?

Ratz-fatz finden sich selbst überaus talentierte Piloten im Abseits wieder: Stoffel Vandoorne wurde bei McLaren zwei Jahre lang von Fernando Alonso vermöbelt und hat keinen Stammplatz mehr. Daniil Kvyat fiel bei Red Bull in Ungnade, hat jetzt aber eine neue Chance erhalten.

Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost sagt: «Wenn wir uns die ganzen Jungen anschauen, dann ist die Formel 1 ein wenig Kindergarten. Diese Fahrer sind nicht so reif wie die Piloten vor zehn oder zwanzig Jahren. Sie kommen sehr jung in den GP-Sport, mit 18 und 19 Jahren. Sie haben in ihrer Jugend nichts Anderes gemacht als Rennen gefahren, im Kartsport oder in Nachwuchsklassen. Aber die Formel 1 ist ein anderes Niveau. Und das geht übers reine Fahren weit hinaus. Das Fahren ist für diese jungen Piloten an ihrem Job noch das Einfachste. Das können sie packen. Aber das ganze Drumherum, angefangen bei der Arbeit mit den Technikern.»

Der 62jährige Tiroler weiter: «Vor der Formel 1 haben sie vielleicht mit einem Ingenieur gearbeitet. Jetzt haben sie auf einmal einen Spezialisten für das Chassis, einen für die Datenerfassung des Autos, einen für den Motor, einen für die Datenerfassung der Antriebseinheit, einen für die Aerodynamik und so weiter. Das ist ein enormes Arbeitsvolumen.»

«Und dann ist da die Medienarbeit. Sie müssen unheimlich viele Interviews geben, und sie sollten sich dabei gut überlegen, was sie sagen. Das vergessen sie bisweilen, das ist gut für die Medien und nicht so gut für den Zitierten. Dazu kommen die ganzen sozialen Netzwerke, und einige Piloten sind – und das sage ich absichtlich so hart – blöd, weil sie alles von sich preisgeben.»

«Die ganze Arbeit für Medien und Marketing, das kostet viel Kraft. Das ist für einen routinierten Piloten ganz anders. Der spult seine Interviews herunter, er weiss exakt, was er sagen kann, er ist locker. Ein junger Pilot ist nervös, er muss gut nachdenken, das verbraucht Energie, eine Energie, die er auf der Rennstrecke haben müsste. Es ist unsere Aufgabe, die jungen Piloten entsprechend zu führen.»

«Wenn die jungen Fahrer nicht richtig geleitet werden, dann wird es schwierig. Dies ist auch der Grund, warum ich mit diesen Jungs besonders zu Beginn einer Saison oft an einem Tisch sitze. Man muss sich das vorstellen: Sie fliegen um die halbe Welt nach Australien, sie haben das Land noch nie gesehen, sie kennen die Piste nur aus dem Fernseher, es ist ihr erstes Rennen, der Jetlag nagt an ihnen. Wir müssen sie so gut es geht auf all dies vorbereiten.»

«Ich sage den Piloten oft: „Es ist eines, in die Formel 1 zu kommen. Aber dort aus sportlicher Sicht zu überleben, das ist etwas ganz Anderes.“ Also sind wir gefordert. Auch die Fahrer müssen hart an sich arbeiten. Wenn diese tiefe Leidenschaft für die Formel 1 nicht in einem Piloten schlummert, dann wird er keinen Erfolg haben. So einfach ist das.»

Der 51jährige Fred Vasseur ist Teamchef von Sauber. Als Rennstallbesitzer von ART hat er jahrelang mit den vielversprechendsten jungen Piloten gearbeitet. Nur wenige Männer im Fahrerlager haben so viel Erfahrung darin wie er. Auf die Frage nach der Belastung der Jungspunde meint Vasseur: «Vieles ist sehr psychologisch, du bist immer auf Messers Schneide. Der Konkurrenzkampf ist unfassbar gross. Wenn es gut läuft, dann sind die Fahrer leicht zu managen, dann bekommt das eine gewisse Eigendynamik. Aber wenn es nicht gut läuft ...»

«Das soll nicht als Eigenkritik für ART gelten, aber Fahrer wie Stoffel Vandoorne oder Lewis Hamilton wären auch mit anderen Rennställen Meister geworden. Sie haben damals dominiert. Hamilton klammern wir mal aus, aber die meisten jungen Piloten kommen dann in die Formel 1, und auf einmal fahren sie im hinteren Teil des Feldes, Podestplätze können sie sich gleich mal abschminken. So etwas ist auch für erfahrene Piloten schwer verdaulich. Und der Druck nimmt ständig zu. Lewis kam in die Formel 1, und der McLaren war einer der besten Rennwagen im Feld. Wie wäre es wohl gekommen, wenn er für das sechstbeste Team gefahren wäre?»

Vasseur ist nicht der Ansicht, dass man den jungen Piloten Druck vom Kessel nehmen sollte. «Klar brauchen sie Druck. Druck ist die Essenz dieses Geschäfts. Ich muss immer ein wenig schmunzeln, wenn ein junger Fahrer sich über Druck beklagt. Denn sobald er die Möglichkeit zum Gewinnen hat, wird er merken – der Druck wird noch viel grösser! Hamilton und Vettel stehen doch ganz anders unter Hochspannung als ein Fahrer, der um Rang 15 kämpft.»

«Ganz wichtig ist es, viel mit den Fahrern zu reden. Du musst wissen, was sie fühlen. Haben sie mit irgend etwas Mühe? Dann können wir das anpacken. Aber der Sinn der Sache besteht nicht darin, Druck von ihren Schultern zu nehmen. Denn wenn sie im Auto sitzen, dann sind sie ganz alleine, dann müssen sie unter voller Belastung Leistung abliefern. Niemand kann ihnen das abnehmen.»

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