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Casey Stoner (Ducati): Unverhüllte Kritik an Lorenzo

Von Günther Wiesinger
Casey Stoner, umringt von den Ducati-PR-Managern Julian Thomas (li.) und Artur Vilalta

Casey Stoner, umringt von den Ducati-PR-Managern Julian Thomas (li.) und Artur Vilalta

«Manchmal musst du dich als Fahrer umstellen, wenn du die Motorradmarke wechselt. Das ist leichter, als ein Ding aus Metall und Gummi umzubauen», sagt Casey Stoner an die Adresse von Lorenzo.

Casey Stoner ist in diesem Jahr seit Sepang im Januar nicht mehr auf der Ducati Desmosedici gesessen, denn er musste sich an der linken Schulter operieren lassen. Das ist eine Nachwirkung des Suzuka Eight-Hours-Sturzes von 2015 auf der Werks-Honda.

Seither bestand immer wieder die Gefahr, dass die Schulter auf dem Gelenk sprang.

Der Australier Casey Stoner ist für 2016 zu Ducati zurückgekehrt und agiert jetzt als MotoGP-Edeltester und Markenbotschafter.

In Mugello nahm sich Casey Zeit für ein Gespräch mit einer kleinen Gruppe von Berichterstattern.

Casey, der Platz von Dani Pedrosa bei Repsol-Honda war lange frei. Wäre das nichts für dich gewesen?

Nein, danke. Mir geht es gut. Ich bin glücklich mit meiner Testfahrer-Aufgabe bei Ducati.

Und was macht die lädierte Schulter?

Es dauert lange, aber es wird langsam besser. Ich befinde mich jetzt im vierten Monat seit der Operation.

Ich darf die wieder hergestellte Schulter aber sechs Monate lang nicht voll belasten. Ich mache also nur leichte Therapie und bemühe mich, die Beweglichkeit wieder zurückzubekommen.

Ich muss Geduld haben.

Was sagst du zur Performance von Jorge Lorenzo?

Man hat schon am Saisonende 2017 gesehen, dass er wieder Selbstvertrauen gewann und schneller wurde. Ganz sicher.

Aber es gab dann im Frühjahr 2018 etwas am Motorrad, das es ihm nicht erlaubte, sich und seinen Fahrstil eng genug an das Motorrad zu adaptieren.

Aber wir wussten immer: Wenn er dieses letzte Ding findet, das er vermisst hat, dann wird er die Erwartungen erfüllen. Wir alle wissen, wozu Jorge fähig ist.

Es ging um eine Kleinigkeit. Erst in Mugello hat er sich auf der Ducati wirklich wohlgefühlt. Er bekam das ersehnte Detail – und plötzlich hatte er die gewünschte Pace.

Ist die Ducati ein schwerfälligeres und aggressiveres Motorrad? Wie würdest du die Desmosedici beschreiben?

Die Ducati ist sicher schwerer als üblich und ganz klar schwerer als eine Yamaha. Jeder, der von einer Yamaha auf ein anderes Motorrad umsteigt, beschwert sich, dass sein neues Bike nicht so leicht zu handhaben ist wie die Yamaha.

Das sind Symptome und Eindrücke, die sich wiederholen.

Aber wenn das Fahren anstrengender ist, musst du halt mehr trainieren. Das ist eine Pflicht, wenn du mit der Ducati gewinnen willst. Du musst dich mehr plagen als die Gegner in deiner Umgebung.

Du musst arbeiten und diese Probleme dadurch umgehen.

Was du mit dem Motorrad aufführen kannst, ist beschränkt. Es ist ein Stück aus Metall und Gummi, mit dem wir arbeiten. Es ist einfacher, wenn du dich als Fahrer umstellt als wenn du das ganze Motorrad umbauen lässt.

Kurz gesagt: Du musst dich manchmal als Fahrer an neue Gegebenheiten anpassen.

Ist die Ducati schwieriger zu fahren als die Honda? Du hast Erfahrung mit beiden Fabrikaten.

Auf manchen Gebieten ist die Ducati schwieriger zu beherrschen.

Aber an anderen Stellen ist sie stabiler und sie gibt dir mehr Vertrauen. Die Ducati ist kein so schlechtes Motorrad. Das sieht man bei Jack Miller, der von Honda kommt. Dovi ist Honda und Yamaha gefahren und war noch nie so konkurrenzfähig wie auf der Ducati. Alle Maschinen haben Schwächen und Stärken. Es liegt am Fahrer, die Schwächer so gering wie möglich zu halten und den größten Nutzen aus den Stärken herauszuholen.

Ducati ist immer ein bisschen ungewöhnliches Motorrad gewesen. Aber sie hat viele Stärken – das lässt sich nicht bestreiten.

Welche Phase bei Ducati ist schlimmer – jene von Rossi oder jene von Lorenzo?

Schwer zu vergleichen. Jorge hat jetzt ein Rennen gewonnen.
Aber ich würde sagen, die Periode von Valentino war schlimmer. Denn Jorge hat viel öfter um Podestplätze gekämpft.
Und er hat oft ein Rennen angeführt, auch wenn er am Schluss nicht ganz vorne angekommen ist.

Aber Lorenzo stand bis Mugello bei Ducati fast immer im Schatten von Dovizioso.

Viele Fahrer schauten auf Valentinos Ducati-Performance und redeten sich dann ein: Wenn er es nicht geschafft hat, dann habe ich eine Ausrede. Sie haben es dann nicht einmal richtig probiert.
Aber wenn ein Ducati-Fahrer vorne ist, dann werden alle anderen wachgerüttelt. Denn es sieht jeder: Das Motorrad ist siegfähig, es gibt keine Ausreden.

Als Valentino zu Ducati kam, haben alle darauf gewartet, dass er dort ein siegfähiges Motorrad baut. Aber das ging nicht in so kurzer Zeit. Die Yamaha war ganz unbestritten ein erstklassiges Motorrad, mit und ohne ihn. Sie haben auch ohne ihn Titel und Rennen gewonnen.

Es ist sehr schwierig, wenn du das Fabrikat wechselt und dort ein Bike bauen willst, das deinen Ansprüchen gerecht wird.

Es geht schneller, wenn du dich als Fahrer an die Maschine anpasst. Wenn du das Chassis-Material ändern und das gesamte Engineering auf den Kopf stellen willst, brauchst du viel Zeit.

Wie hast du die Leistung von Jorge bis zum Sieg in Mugello beurteilt?

Er war nahe dran. Ein Sieg lag immer in Reichweite. Es fehlten ihm in den Rennen oft nur ein paar Zehntel.

Und es fehlte ihm an Selbstvertrauen. Er konnte in Führung gehen, aber wenn er von einem Gegner überholt wurde, fehlt ihm das Vertrauen. Deshalb ist der nächste vorbeigefahren und dann wieder einer. Manchmal ist er gegen Rennende wieder stärker geworden.

Die Situation war nie ein Desaster. Er brauchte einfach eine Kleinigkeit, damit er wieder so fahren konnte, wie es für ihn in der Vergangenheit erfolgreich war.

Hättest du Jorge bei Ducati behalten, wenn du entscheiden hättest müssen?

Es wäre von der Einstellung von Jorge abhängig gewesen. Wenn er wirklich scharf auf eine weitere Saison bei Ducati gewesen wäre, wäre das eine gute Option gewesen.

Aber wenn wir weitere Jahre gesehen hätten wie die ersten eineinhalb, wenn er also nicht wirklich an Ducati geglaubt hätte und nicht unbedingt bleiben wollte, dann gab es keinen Grund, ihn zu behalten. Dann ist es besser, wenn er woanders fährt, dort wieder an der Spitze mitmischt und das WM-Gefecht spannender macht.

Dann ist es sinnvoller, wenn ein anderer Pilot nach 2018 die Möglichkeit bekommt, seine Werks-Ducati im Werksteam zu steuern.

Jeder muss tun, was das Herz will. Wenn ihm sein Herz sagt, er muss weg bei Ducati, muss Jorge diesem Ruf folgen.

Wie schätzt du die Leistung deines Landsmanns Jack Miller bei Pramac-Ducati ein?

Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass er manchmal nicht beständig genug ist. Aber in diesem Jahr leistet er gute Arbeit. Ich bin beeindruckt. Jack strengt sich auf und neben der Piste enorm an.

Denn du kannst es dir nicht leisten, neben der Piste einfach nur deinen Spaß zu haben und dann zu glauben, du hättest genug Kondition für das ganze Rennen.

Was die Fitness betrifft, wirkt Jack jetzt viel besser vorbereitet. Sein vierter Platz in Le Mans war wirklich eindrucksvoll. Auch Platz 2 von Petrucci war eine ausgezeichnete Darbietung.

Vielleicht wird Jack während der Saison stärker und stärker.

Vielleicht kann er bei manchen Rennen um das Podest fighten. Wir werden sehen.

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