KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Matthias Walkner: Intime Details zur Rallye Dakar

Von Günther Wiesinger
Der Dakar-Gesamtzweite Matthias Walkner (Red Bull KTM) schilderte im ORF offenherzig brisante Details zum Motorradfahren in abgelegenen Gegenden. Er trainiert in Österreich im «Tal der Gesetzlosen».

Der 30-jährige Matthias «Hiasi» Walkner trat gestern in der satirischen Late-Night-Show «Willkommen Österreich» auf ORF1 um 22.15 Uhr auf und zog sich im Gespräch mit den beiden unbarmherzigen Kabarettisten und Moderatoren Dirk Stermann und Christoph Grissemann sehr schlagfertig aus der Affäre.

Walkner, 2012 MX3-Motocross-Weltmeister auf KTM, 2014 Rallye-Raid-Weltmeister und 2017 Dakar-Gesamtzweiter auf der Red Bull-KTM, wurde als erfolgreichster Motorradrennfahrer Österreichs präsentiert, was nicht ganz der Wahrheit entspricht, denn auch sein Entdecker Heinz Kinigadner ist zweifacher Weltmeister – er gewann die 250er-Cross-WM 1984 und 1985.

Marcel-Hirscher-Kumpel Walkner absolvierte gestern einen Medientag in Wien und schilderte am Abend im ORF ein paar interessante Einblicke in die auf 8000 km und zehn Etappen verkürzte Rallye Dakar, die von 2. bis 14. Januar dauerte.

Matthias brachte sogar sein Roadbook in die Sendung mit und erklärte Einzelheiten zur Navigation durch Paraguay, Bolivien und Argentinien, er zeigte auch seine vergoldete Tuareg-Trophäe her und gab unter anderen Einblicke zum privaten Training im «Tal der Gesetzlosen» und in die Stoffwechsel-Gegebenheiten während so einer Marathon-Rallye.

Was tut einem Fahrer am meisten weh, wenn man nach einer 800-km-Etappe vom Motorrad steigt?

Der Schädel. Es ist extrem mühsam für den Kopf, jeden Tag um 3 Uhr aufzustehen und um 4 Uhr loszufahren. Man kommt dann meistens um 15 Uhr im Etappenziel an.

Wo schläft man?

Im Motorhome. Dort ist nur Platz für uns Fahrer. Es geht uns super. Früher haben die Fahrer noch im Zelt geschlafen, vor allem in Afrika. Heute ist alles moderner geworden. Wir haben ein klimatisiertes Motorhome... Wir führen fast ein Luxusleben.

Du bist bei der Dakar 2016 als Sieganwärter gestürzt. Es hat dann ein Gegner angehalten und sich um dich gekümmert. Das ist eine sehr wertvolle Szene. Könnte es nach so einem Sturz sein, dass du niemals gefunden wirst, wenn du in ein Loch fällst?

Nein, niemals nicht. Denn wir haben vom Veranstalter einen GPS-Tracker, und wenn der für 5 oder 10 Minuten still steht, wirst du von denen angerufen. Wenn du nicht reagierst, dann kommt hoffentlich mal wer nachschauen...

Würdest du als Führender auch irgendwo anhalten, wenn du einen Letztplatzierten irgendwo liegen siehst? Oder würdest du weiterfahren und dir denken: «Schade.»

Wir fahren immer Etappen, also von A nach B. Und als Führender siehst du den Letzten nie... (Gelächter im Publikum).

Aber das ist doch gelebte Solidarität, wenn ein Gegner stehenbleibt, absteigt und fragt: «Wie geht’s dir mein, Lieber?» Und de dann wartet, bis die Rettungskräfte eintreffen. Wie schwer war deine Verletzung 2016?

Der Oberschenkel war ziemlich massiv gebrochen, rechts war das Kreuzband gerissen. Es hat fast ein halbes Jahr gedauert, bis ich wieder Motorrad fahren konnte.

Du trainierst auch daheim in Kuchl im Bundesland Salzburg in den heimatlichen Wäldern. Darf man das überhaupt? Oder ist das Umweltverschmutzung? Muss man so ein Training beim örtlichen Förster anmelden und ihm sagen: Ich werde jetzt mit 130 km/h durch deine Pilze brettern?

(Es wird ein Film eingespielt). Nein, bei uns daheim geht das... Wir nennen unsere Gegend das «Tal der Gesetzlosen». Da herrschen ein bisschen andere Gesetze. Die Förster und Bauern haben eh ihre Freude, wenn der Walkner mal durch ihr Feld fährt. Das geht schon. (Heftiger Applaus).

Wie schnell fährst du auf diesem engen Waldweg?

Einen 80er oder so.
Aber was wirklich beeindruckend ist und was man selber nicht wahrhaben will: Wir erreichen bei der Dakar auf manchen Etappen mehr als 130 km/h Schnitt. Dabei besteht die Unterlage nur aus Schotter, Sand oder Steinen. Und jeder, der schon mal geschaut hat, welchen Schnitt er auf der Autobahn zusammenbringt – 130 Schnitt ist nicht so langsam.

Begegnet man da auch Tieren?

Ja. Fünf Esel haben mir in diesem Jahr fast die Nerven gekostet...

Weil sie dich überholt haben?

(Die Antwort geht im Applaus unter).

Warum heißt es immer noch Dakar-Rallye, obwohl in Südamerika gefahren wird?

Es soll einfach der Mythos der ursprünglichen Rallye Paris-Dakar aufrecht erhalten werden. Das Interesse ist enorm. Wir hatten insgesamt 10 Millionen Zuschauer an der Strecke. Das war sehr beeindruckend. Auf den letzten 40 km nach La Paz rein standen die Fans in 6er oder 7er-Reihen. Auf diesem letzten Teilstück sahen wir eine halbe Million Zuschauer. Das zu erleben, das ist ein Wahnsinn für einen Europäer.

Zeig uns dein Roadbook. Was wird darauf verzeichnet?

(Die Aufzeichnungen werden mehr als einen Meter lang ausgerollt). Ganz links stehen die km, zum Beispiel: 47,8. In der Mitte daneben wird beschrieben, wie diese Kreuzung in etwa ausschaut, die «off piste»-Abschnitte sind gestrichelt, es gibt dort also keine Straßen. Die Angaben des Veranstalters sind schwarz geschrieben, meine persönlichen Angaben notiere ich mit bunten Farben. Das sind Zusatzinformationen.
Wenn da zum Beispiel von mir '280' hingeschrieben wird, dann kommt das vom Kompass, wo Norden '360' ist, Süden '180'. So navigiert man halt in der Wüste.

Das Navigieren ist schwierig, weil es in der Wüste keine Spuren gibt?

Richtig. Wenn du in der Wüste als Erster startest, gibt es keine Spuren. Der Veranstalter sagt dir zum Beispiel: Bei km 53,3 musst du Cap 0/350 fahren. Das hört sich relativ leicht an, aber du hast keine Referenz, du kannst dich nur an Bäumen oder Bergen orientieren... Aber wenn alles gleich ausschaut, ist das nicht so einfach. Wenn du dann auf Cap 0/380 fährst, bist du gleich mal 400 der 500 Meter neben der richtigen Spur.
Das ist halt das Spannende an dieser Rallye, man muss mit dem Roadbook navigieren. Das ist die Challenge. Mit einem «Navi» könnte jeder navigieren. Und der Speed würde noch höher sein, es würde noch gefährlicher. Es gab bisher ohnehin im Schnitt 1,5 Tote pro Jahr.

Wie kannst du dich bei 130 km/h Schnitt noch um diese Rolle vom Roadbook kümmern?

Ich kann’s eh nicht. Ich verfahr’ mich eh relativ oft. (Applaus).

Kriegt man für den zweiten Gesamtrang nur diese Trophäe? Oder ist so ein Ergebnis auch mit einem Geldpreis verknüpft?

Mir wurde gesagt, ich krieg’ noch ein Geld. Anscheinend bekommen die ersten Drei vom Veranstalter 50.000, 25.000 und 20.000 Euro. Ich hoffe, das wird bald überwiesen. Ich brauch’s. Für 25.000.- kann ich mir ein schönes Winterauto leisten.

Letzte Frage: Wie erledigt man als Fahrer das große und das kleine Geschäft bei der Dakar? Steigt man da ab oder erledigt man das im Fahren?

Beim großen Geschäft war ich glücklicherweise noch nie in der Lage, es beim Fahren verrichten zu müssen. Das kleine habe ich schon hin und wieder mal gemacht, ja.

Holt man dann das Gerät aus der Hose raus oder macht es man beim Fahren auf dem Gerät?

Wenn keiner zuschaut, holt man ihn «aussa»...

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