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Toto Wolff: «Ferrari öffnet die Büchse der Pandora»

Von Mathias Brunner
Toto Wolff und Sebastian Vettel in China

Toto Wolff und Sebastian Vettel in China

​Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist davon überzeugt, dass sich Ferrari mit der Stallorder zwischen Vettel und Leclerc jede Menge Ärger einhandeln kann: «Ferrari öffnet die Büchse der Pandora.»

Es ist immer wieder verblüffend, wie einfach die englische Sprache einen Sachverhalt auf den Punkt bringt: Was die Briten so anschaulich «a can of worms», also eine Büchse Würmer nennen, das ist bei uns die Büchse der Pandora. Sie enthielt gemäss der griechischen Mythologie alle der Menschenheit zuvor unbekannten Übel wie Mühe, Krankheit und Tod. Als Pandora (die erste Frau, aus Lehm von Hephaistos erschaffen, auf Anweisung von Zeus) neugierig eine Büchse öffnete, entwich das Schlechte in die Welt. Sie machte die Büchse schnell wieder zu, aber der Schaden war schon angerichtet. Mythen hin oder her – Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist der Überzeugung: «Ferrari riskiert es, die Büchse der Pandora zu öffnen.» Wegen der Stallorder zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc.

In der Anfangsphase folgte Vettel seinem jungen Stallgefährten wie ein Schatten. Seb war zwar gut losgefahren, dann in der ersten Kurve wurde er hinter Bottas eingeklemmt, davon profitierte frech Leclerc. Ex-GP-Pilot Martin Brundle nach sechs Runden: «Es ist klar, dass Vettel nun der schnellere Mann ist. Wann reagiert Ferrari?»

In Runde 9 erhielt Vettel die Aufforderung, Tempo zuzulegen, um vorne die Mercedes nicht entwischen zu lassen. Gleichzeitig erhielt Charles die Warnung: «Du musst schneller fahren, sonst holen wir Vettel nach vorne.»

Es war das Spiegelbild von Bahrain: Damals lag Vettel vorne, doch der dahinter fahrende Leclerc konnte offenbar mehr Tempo zeigen.

Eine Runde später der Befehl an Leclerc: «Lass Seb vorbei!» Charles wehrte sich: «Aber ich ziehe ihm doch weg.» Nein, tat er nicht. Vettel ging vorbei.

Leclerc maulte danach am Funk, worauf vom Ferrari-Kommandostand kühl zurückkam: «Wir machen hier unseren Job, konzentrier dich aufs Fahren.»

Vettel konnte sich frelich nicht so vom zweiten Ferrari absetzen wie geplant, er liess zwei Mal ein Rad blockieren, sprach später von Schwierigkeiten mit den Reifen. Leclerc meldete sich unaufgefordert zu Wort und sagte patzig: «Ich verliere hier Zeit – nur falls ihr das vielleicht wissen wollt.» Antwort von den Technikern: «Wir diskutieren das.»

In der Folge zeigte sich: Vettel hatte kein Rezept gegen die Silberpfeile und wurde Dritter. Ferrari war so mit seinen Piloten beschäftigt, dass es Red Bull Racing mit Max Verstappen schaffte, den Niederländer an Leclerc vorbeizubringen.

Nach dem Rennen war der 21jährige Monegasse verärgert. «Natürlich ist das frustrierend. Ich hatte das Gefühl, dass wir beide attackiert haben. Am Ende mussten wir die Positionen wechseln und Seb konnte nicht so richtig davonfahren. Meine Reifen bauten ab, und ich konnte erst später wieder besser angreifen.»

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto versuchte, Wogen zu glätten: «Ich verstehe Charles’ Gefühle. Aber Sebastian war etwas schneller, weshalb wir ihn nach vorne brachten um zu sehen, ob er an die Mercedes heranfahren kann. Es ging nicht darum, einem Fahrer den Vorzug zu geben. Es ging darum, als Team zu einem wichtigen Zeitpunkt des Rennens alles zu versuchen.»

Zurück zu Toto Wolff. Er meint: «Das ist eine ganz schwierige Situation, denn du willst natürlich, dass das schnellere deiner beiden Renner die Gegner angreifen kann. Sebastian fand, er sei der Schnellere, also hat Ferrari die Reihe umgedreht. Das ist nachvollziehbar. Aber es ist auch klar – wenn du das anfängst, dann wird es sehr kompliziert, du erzeugst einen Präzedenzfall, du öffnest die Büchse der Pandora. Denn es ist absehbar, dass wir dann in jedem folgenden Rennen von einem Piloten hören: ?Ich kann schneller fahren.'»

«Ich weiss, wie knifflig das alles ist. Wir haben das mit Nico Rosberg und Lewis Hamilton durchgemacht, später auch mit Valtteri Bottas und Lewis. Wir hatten Situationen, in welchen beide so Dampf gemacht haben, dass wir fürchten mussten, vielleicht mit gar keinem Auto ins Ziel zu kommen. Das ist also kein Ferrari-Problem. Das ist ein Problem aller Rennställe, wenn zwei Alpha-Tiere am Lenkrad zerren.»

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