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Ayrton Senna: Wieso der Mythos ungebrochen ist

Kolumne von Mathias Brunner
Am GP-Wochenende von Brasilien werden die Fans zu Hunderten zum Grab von Ayrton Senna pilgern, auf dem Friedhof Morumbi. 28 Jahre nach dem Tod Sennas hält die Faszination für den Ausnahme-Rennfahrer an.

Friedhof Morumbi, knapp vierzig Autominuten von der Interlagos-Rennstrecke entfernt: Eine schlichte Bronzeplatte erinnert an den unvergessenen Rennfahrer Ayrton Senna. Auf der Platte steht: «Nichts kann mich trennen von der Liebe Gottes.»

28 Jahre nach dem schwarzen Imola-Wochenende, als die Renngemeinde um Roland Ratzenberger und Ayrton Senna trauerte, ist der Mythos Senna in seiner Heimat Brasilien so stark wie eh und je. Auch an diesem Wochenende werden wir Tausende von Flaggen und T-Shirts sehen, die an den dreifachen Formel-1-Weltmeister erinnern, und viele Fans werden still vor seinem Grab stehen.

Vor einigen Jahren habe ich mich mit dem Österreicher Jo Leberer unterhalten. Ich wollte von ihm wissen, wieso die Menschen Senna in solch kraftvoller Erinnerung bewahren.

Die Zusammenarbeit zwischen Josef Leberer und dem Brasilianer begann aus Zufall. Der Österreicher blickt zurück: «Das erste gemeinsame Rennen war 1988 der Brasilien-GP in Rio de Janeiro. Zu meinem Job in der Formel 1 kam ich über Professor Willy Dungl, der in den 1970er Jahren Niki Lauda betreut hatte und das auch fortsetzte, als Lauda seine zweite Formel-1-Karriere bei McLaren begann. McLaren-Teamchef Ron Dennis sprach Dungl an, er wolle einen Betreuer für seine beiden Fahrer, ob er, Dungl, da vielleicht jemanden wüsste. Willy, in dessen Reha-Klinik ich damals tätig war, hat dann mich vorgeschlagen.»

«Im Grunde war es also ein Zufall. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wenn du so willst. Willy sagte mir: ‚Du bist prima geeignet, du hast in Sachen Betreuung alles drauf, du bist kommunikativ, das ist dein Job.’ Und schon sass ich im Flieger Richtung Brasilien!»

Jo Leberer spürte sofort: Ayrton Senna ist kein Rennfahrer wie jeder andere. «Alle in der Formel 1 arbeiten sehr erfolgsorientiert und zielstrebig, und Senna war das beste Beispiel dafür. Er war extrem fordernd, aber er gab auch enorm viel. Er hatte eine unfassbar tolle Einstellung – willensstark, hingebungsvoll, positiv, kämpferisch, unglaublich diszipliniert, detailtreu, leidenschaftlich, natürlich auch kompromisslos. Was viele jedoch erst im Laufe der Zeit kennenlernten, das war seine extreme Menschlichkeit, eine tiefe Wärme.»

Die Fitness der damaligen Rennfahrer war eher naja. Jo Leberer bestätigt: «Zu Beginn war Ayrton vielleicht körperlich nicht der fitteste Fahrer. Alain Prost war besser vorbereitet. Dafür war Ayrton schon damals von der mentalen Seite her der Massstab. Senna hat dann sehr bald begriffen, dass er eine weitere Stufe erklimmen kann, wenn er mehr an sich arbeitet und hat dies mit der ihm eigenen Konsequenz begonnen. Er wusste, er sitzt in einem Siegerauto, aber er merkte, er muss körperlich stärker werden, und das hat von Jahr zu Jahr umgesetzt, bis er auch in dieser Hinsicht der Beste war.»

Vielleicht haben Senna und Leberer auch so einen guten Draht zueinander gefunden, weil sich nicht nur fast gleich alt waren, sondern auch die gleichen Werte schätzen. «Ich glaube, er hat an mir geschätzt, dass ich auch, auf meine Weise, versuche, das Beste zu geben. Er war kein Mensch, der schnell jemandem vertraut hat. Aber es dauerte nicht lange, bis wir ein Vertrauensverhältnis hatten. Das ist gerade bei der Arbeit mit einem Fahrer ganz wichtig. Als Mensch hat er sich nach und nach geöffnet, und ich lernte mehr kennen als den Racer Senna.»

«Das macht es für mich auch bis heute so schwierig, wenn ich höre, dass er als rücksichtslos dargestellt wird. So in der Art, dass er quasi durch die Gegner durchfahre, um zum Erfolg zu gelangen. Ich wusste, dass es die andere Seite von Senna gab. Wir er sich schon bald um Kinder in Brasilien zu kümmern begann, seine Unterstützung für Krankenhäuser, seine Arbeit als Menschenfreund. Aber er sagte mir oft: ‚Das will ich alles nicht publik machen. Ich habe noch zu wenig Macht, um wirklich etwas zu bewegen. Aber es ist meine Absicht, die Dinge in Brasilien zum Positiven zu wenden.’ Diese Seite also kannte ich von Senna schon früh, und ich fand sie extrem bewegend.»

«Im Team wurde er vergöttert. Die Mechaniker und Ingenieure spürten und sahen, wie viel er zu geben gewillt war. Das hat alle mitgerissen. Das war schon faszinierend, diese zwei Gesichter, wenn du so willst – auf der einen Seite der zu allem entschlossene Rennfahrer, auf der anderen Seite ein scheuer, fast zurückhaltender Privatmann, dem das Wohl seiner Landsleute über alles ging. Dem Land ging es damals schlecht. Alle zwei Wochen gab ihnen Senna Hoffnung, dass das Leben besser sein kann.»

«All diese Facetten haben mich schon sehr fasziniert. Und ich war nicht der Einzige: Ich habe es oft erlebt, dass ihn Menschen trafen, auch solche, die mit Rennsport überhaupt nichts am Hut haben, und von diesen Augen, von diesem tiefgründigen Wesen, von dieser magnetischen Art in den Bann gezogen wurden. Das ist Charisma, das ist Ausstrahlung, das ist die Grundlage für den heutigen Mythos.»

«Ayrton Senna ist immer präsent geblieben. Die ganzen Jahre ist bei Gesprächen rund um den Globus die Rede immer wieder auf Senna gekommen. Die Erinnerung an Ayrton ist frisch. Bis in die moderne Formel 1 sind an den Rennstrecken Senna-Flaggen oder Spruchbänder und Verkaufsartikel zu sehen. Das ist einmalig.»

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