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Jody Scheckter: Der Mann mit dem goldenen Händchen

Vom Formel-1-Fahrer zum Mozzarella-Liebhaber mit Schlachthof: Die bewegte Karriere von Jody Scheckter reicht weit über seine aktive Zeit als Rennfahrer hinaus. Auch nach seinem Formel-1-Abschied feierte er Erfolge.

Die wenigsten Besucher beim Mercedes-Picknick nach dem Festivals of Speed im englischen Brooklands vor ein paar Wochen wussten, dass der drahtige Mittsechziger, der da am Grill bedächtig die Steaks wendete, damit sie schön langsam gar wurden, einst zur ganz besonders schnellen Truppe gehörte.

Zugegeben, sein Äusseres hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert: Zierte sein Haupt während der 70er-Jahre eine damals modische Herren-Dauerwelle, sind die Haare heute etwas weniger und viel glatter, die Gesichtszüge kantiger geworden. Auch an Jody Scheckter, einst Formel-1-Star, inzwischen Geschäftsmann, ist die Zeit nicht spurlos vorbeigegangen.

Eine bewegte Formel-1-Karriere

Eins allerdings ist ihm geblieben: Egal, was er anpackte, er machte es mit Talent und eisernem Willen zum Erfolg, und das auf den unterschiedlichsten Gebieten. Bislang hat sich so ziemlich alles, was er im Laufe seines Lebens ernsthaft in Angriff genommen hat, in Gold verwandelt. Schon als Formel-1-Rennfahrer schrieb Jody Scheckter, heute 64, Geschichte, unter anderem mit einem sechsrädrigen Tyrrell-Monoposto, auf dem er 1976 WM-Dritter wurde.

Zwischen 1972 und 1980 startete der Südafrikaner bei insgesamt 112 Grands Prix, errang dabei dreimal die Pole-Position, heimste zehn Siege und fünfmal die schnellste Runde während eines Rennens ein und wurde 1979 mit Ferrari Weltmeister. Dann trat für die italienische Sportwagenschmiede eine 20 Jahre andauernde Durststrecke ein. Erst 2000 konnte das Unternehmen in seiner Heimat Maranello wieder einen Formel-1-Champion feiern. Der hiess Michael Schumacher.

??Angefangen hatte Scheckter 1970 in der südafrikanischen Formel-Ford-Meisterschaft und war ein Jahr später nach Grossbritannien gezogen, um seine Rennsport-Karriere in Europa fortzusetzen. In seiner Heimat sah er keine Aufstiegschancen. 1972 startete er in Watkins Glen mit einem McLaren-Ford erstmals in einem Formel-1-Rennen, das er nach einem Dreher auf Platz 9 beendete.?

Ein «wilder Hund» in wilden Zeiten?

In Kollegenkreisen hatte sich Scheckter schnell den Ruf erworben, ein «wilder Hund» zu sein, und das zu einer Zeit, da die Lebenserwartung der Rennfahrer nur unwesentlich über der eines römischen Gladiators lag. Insgesamt starben von den 34 Teilnehmern, die zusammen mit Scheckter bei dessen erstem Formel-1-Rennen 1972 in den USA am Start standen, zehn eines unnatürlichen Todes.

Peter Revson (McLaren), Ronnie Peterson (Lotus) und Denis Hulme (McLaren), die in dieser Reihenfolge vor Jackie Stewart die Startpositionen beim Grand Prix von Grossbritannien ein Jahr später in Silverstone besetzten, liessen alle später in ihren Rennautos ihr Leben.?? Ausgerechnet bei diesem Wettbewerb verlor Jody Scheckter am Ende der ersten Runde die Kontrolle über sein Fahrzeug und knallte in die Boxenmauer.

Sein Wagen prallte zurück auf die Strecke, woraufhin neun Fahrzeuge in die bis dato grösste Massenkarambolage der Formel-1-Geschichte verwickelt wurden. Bis auf Andrea de Adamich, der sich beide Beine gebrochen hatte, wurde zum Glück niemand ernsthaft verletzt. Die Aufräumarbeiten dauerten eineinhalb Stunden. Erstmals in der Geschichte musste ein Formel 1-Rennen unterbrochen werden.

Nach der Weltmeisterschaft 1979 kam die Saison 1980 für den Champion einem gewaltigen Absturz gleich, selten stand einem aktuellen Weltmeister ein so lausiges Fahrzeug zur Verfügung. Ferrari hatte eine völlige Fehlkonstruktion an den Start gebracht, mit der Scheckter lediglich beim Grand Prix der USA West in die Punkteränge fahren konnte. Folgerichtig verlor er die Lust an der Rennerei und hörte frustriert auf. ?

Zwei zweite Karrieren

Nach seinem Rücktritt gründete Scheckter in Atlanta/USA die Firma FATS (Fire Arms Training System), die sich auf die Herstellung von Waffensimulatoren für das Scharfschützentraining von Polizei, Militär und Sicherheitsdiensten spezialisierte. Als er das Unternehmen Jahre später verkaufte, lieferte es seine Produkte in 30 verschiedene Länder und war geschätzte 100 Millionen Dollar wert.??

Dann zog es Scheckter wieder zurück nach England. Hauptgrund dafür war seine zweite Frau Clare, die aus der Grafschaft Hampshire in Südengland stammte und ihm ein Buch über organischen Landbau geschenkt hatte. Scheckter, auch nach mehr als 40 Jahren fern der Heimat mit immer noch unverkennbar südafrikanischen Akzent: «Das Buch hat in mir die Leidenschaft für diese Art von Landwirtschaft geweckt und mich später zum Besessenen gemacht.»

Nördlich von Southampton kaufte er ein grösseres Stück Land, um dort die Laverstoke Park Farm zu errichten, einen Bauernhof, der für die Produktion organischer und biodynamischer Lebensmittel ausschliesslich zur Selbstversorgung gedacht war. Das allerdings ging seiner Familie, bestehend aus ihm, Frau und zwei Kindern aus erster sowie vier Sprösslingen aus zweiter Ehe, ziemlich schnell auf den Geist. «Wenn wir einen Ochsen geschlachtet hatten», erinnert sich Scheckter, «gab es zu Hause wochenlang Ochse, nichts anderes als Ochse. Gleiches passierte uns mit dem Gemüse. Das durfte so nicht weitergehen.»??

Als logische Konsequenz begann Scheckter damit, seine Produkte der Bevölkerung rund um seinen Hof herum zugänglich zu machen und zu vermarkten. «Wir wollten von Anfang an für die Region da sein», sagt Scheckter, «und unsere Produkte sozusagen direkt vom Feld auf die Gabel liefern», was sich im Englischen recht poetisch anhört: «From field to fork.»

??Ohne Kompromisse gesunde Nahrung mit dem bestmöglichen Geschmack herzustellen, lautete fortan die Devise, für die jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse, Verfahren und Techniken die Basis bilden. «Um dieses Ziel zu erreichen», so Scheckter, «sind eine gesunde Umwelt und ein möglichst langsames Wachstum von Vieh und Pflanzen das A und O. Das beginnt mit einem gesunden Boden. In einer einzigen Handvoll Erde stecken mehr Organismen als es Menschen rund um die Erde gibt. Durch die Verbesserung der gesunden Bakterien und Pilze in unseren Böden helfen wir den Pflanzen dabei, die benötigten Nährstoffe leichter aufzunehmen. Wir sind davon überzeugt, dass wir weiter gehen als die biologischen und biodynamischen Prinzipien vorschreiben.»

 Mehr als 1500 Wasserbüffel

Die Biodynamik geht auf den österreichischen Philosophen und Esoteriker Rudolf Steiner zurück. Er sah schon 1924 die Gefahren durch die chemische Landwirtschaft voraus. Laut Scheckter wird die Farm biologisch-dynamisch als Ganzes betrachtet – biologische Abfälle wandern auf den Kompost und werden dem Boden später wieder zurückgegeben. Gepflanzt wird nach den Zyklen des Mondes soweit das bei britischem Klima möglich ist.??

Die 1000 Hektar Land der Laverstoke Park Farm sind samt und sonders nach Demeter als biologisch-dynamisch zertifiziert, inzwischen gibt es hier Schweine, Kühe, Schafe, Hühner und vor allem Wasserbüffel sowie einen Schlachthof. Ausserdem arbeiten auf dem Hof Wissenschaftler für die landwirtschaftliche Forschung. Mehr als 1500 Wasserbüffel, die Scheckter aus Italien und Rumänien importierte, dürfen sich bei ihm zweieinhalb Jahre lang ihres Lebens erfreuen bis sie es zu 250 Kilogramm wohlschmeckender Muskelmasse gebracht haben.

Ihre Mütter liefern währenddessen die Milch, aus der auf der Laverstoke-Park-Farm Mozzarella hergestellt wird. Zwar gibt es unter manchen Gourmets immer noch das Vorurteil, dass dieser Käse, sofern er nicht direkt aus Italien stammt, geschmacklich an gedünsteten Leitz-Ordner erinnert, so gilt das keineswegs für den Scheckter-Mozzarella. Einhelliges Urteil von Italienern ebenso wie von anderen Feinschmeckern: «Phantastisch!» Und der Ex-Rennfahrer fügt seine eigene Erklärung fast bescheiden hinzu: «Ich mag halt Mozzarella sehr gerne.»

??Scheckter wäre nicht Scheckter, hätte er seine Farm nicht längst in eine Goldgrube verwandelt. Was als Hobby begann, beschäftigt mittlerweile über 100 Mitarbeiter, produziert jedes Jahr 25.000 Tonnen Kompost für den Boden und liefert neben Fleisch, Obst und Gemüse sogar Hopfen und Weintrauben. Ausserdem gibt es im Hofladen Salami, luftgetrockneten Rinderschinken, Würste, Speck oder Pasteten und neuerdings sogar Eiscreme.

«Mittlerweile habe ich so viel zu tun, dass ich kaum noch Zeit finde, mich um alles zu kümmern», klagt Scheckter, dem auf der Farm so gut wie nichts entgeht und der trotz aller Erfolge seine Bodenständigkeit bewahrt hat. Wäre das nicht so, würde er wohl kaum persönlich am Grill stehen und saftige Steaks brutzeln. Biologisch-dynamisch korrekt, versteht sich.

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