Rossi gegen Márquez: Wer endlich loslassen sollte

Kolumne von Michael Scott
Malaysia 2015: Die Esakalation zwischen Valentino Rossi und Marc Márquez

Malaysia 2015: Die Esakalation zwischen Valentino Rossi und Marc Márquez

Das Pfeifkonzert gegen MotoGP-Sieger Marc Márquez in Misano war nichts Neues – ganz im Gegenteil. Den Honda-Star und Valentino Rossi (Yamaha) verbindet seit Jahren eine gepflegte Feindschaft.

Die Spanische Nationalhymne hat keinen Text. Das liegt daran, dass es in Spanien neben der offiziellen Landessprache noch drei starke Regionalsprachen gibt: Nur eine zu verwenden, würde die anderen ausschlißen, alle wären zu kompliziert.

Die italienischen Fans haben bei der Preisverleihung in Misano aber sehr wohl einen Text, oder vielmehr ein Wort, zur Melodie gefunden: «Buh.» Mit einem Pfeifkonzert feierten die gelb gekleideten «Tifosi» das Ende eines grandiosen Rennens, das zwei Dinge aufzeigte: Den brillanten Aufwärtstrend von Yamaha und die beeindruckenden Fähigkeiten eines (einzigen) Honda-Piloten, dem entgegenzuhalten.

Um es mit den Worten des Siegers Marc Márquez zu sagen, nachdem all seine Markenkollegen auf der RC213V mit Problemen zu kämpfen hatten (Stürze oder im Hintertreffen, oder beides): «Zum Glück für die MotoGP-WM macht der Fahrer immer noch den größeren Unterschied als das Motorrad aus.»

Es war natürlich nicht Valentino Rossi, der die wieder gefundene Stärke der Yamaha unter Beweis stellte, sondern der Klassenneuling Fabio Quartararo. Und Márquez musste all seine Technik, seinen Mut und seine List in die Waagschale werfen, um den Rookie am Ende auszutricksen.

Maverick Viñales schaffte es mit der Werks-Yamaha auf Platz 3 – und dann kamen Rossi und sein Schützling Franco Morbidelli.

Márquez und Quartararo zeigten ein großartiges Rennen, aber die Buhrufe der gelben Armee ließen nicht nach, als sei der Sieg unfair – auf Kosten des heimischen Helden sozusagen.

Ich bin mir nicht sicher, was Rossi darüber denkt. In der Vergangenheit hat er die Buhrufe seiner Fans schon verurteilt und mir gefällt die Vorstellung, dass er es als Sportsmann auch wirklich so meint. Gleichzeitig ist er ein unbarmherziger Killer, der mit anderen Fahrern in seinem Revier nie sachte umgegangen ist.

Als Rossi noch der dominierende Fahrer war, war vor allem Max Biaggi die Zielscheibe für seinen Hohn, und er drehte es stets so, dass ihm eine Welle der Zustimmung entgegen schwappte.

Dann kam Sete Gibernau an die Reihe: Rossi quälte ihn und beschuldigte ihn schließlich, ein «Spion» zu sein – denn der Italiener wurde in Katar 2004 nach einem Protest von Gresini ans Ende der Startaufstellung verbannt, weil seine Yamaha-Mannschaft den sandigen Startplatz illegalerweise gesäubert hatte. «Er wird nie wieder ein Rennen gewinnen», tönte Rossi – er sollte Recht behalten.

Sein ehemaliger Freund Marco Melander war der Nächste, der unter den Feindseligkeiten litt.

Rossi konnte alle drei jederzeit besiegen. Mit Márquez war das anders, aber die Sticheleien gingen trotzdem weiter, während der Repsol-Honda-Star ihn auf der Strecke immer mehr in den Schatten stellte. Das schmerzte ganz offensichtlich.

Die beiden Superstars der Motorrad-WM sorgten immer wieder für Aufregung, seit es in Malaysia 2015 zur ersten öffentlichen Eskalation gekommen war.

Zu diesem Zeitpunkt führte Rossi die Weltmeisterschaft 13 Punkte vor seinem Yamaha-Teamkollegen Jorge Lorenzo an. Márquez spielte in der WM-Tabelle keine Rolle mehr. Aber dann beschuldigte Rossi vor dem Sepang-GP plötzlich Márquez, sich mit Lorenzo gegen ihn verbündet zu haben – und das obwohl Márquez in Australien Lorenzo sogar geschlagen und ihm somit fünf Punkte abgenommen hatte. Im Rennen am Sonntag bekämpften sich Rossi und der Honda-Pilot verbissen – und der Italiener kickte Márquez (hat er oder hat er nicht?) schließlich aus dem Rennen.

Die daraus resultierende Verbannung auf den letzten Startplatz für das Saisonfinale in Valencia sollte Rossi den WM-Titel kosten... um gerade einmal fünf Punkte.

Der Vorfall war unbegreiflich, aber es war Valentino, der auf den größten Rückhalt der Fans zählen konnte. Sie liebten ihn und er war erbost. Also musste er ihm Recht sein.

Von dem Moment an brodelte die Feindschaft vor sich hin, Rossi und Márquez zeigten sich die kalte Schulter und verweigerten einmal einen Handschlag. Aber ab und zu kocht der Zwist wieder stärker auf...

Das war nie offensichtlicher als in Argentinien im Vorjahr. Ein deutlich gereizter Márquez, dessen Motor auf dem Grid ausgegangen war, räumte Valentino in einem fragwürdigen Manöver ab.

Als sich der Spanier zusammen mit Teamchef Alberto Puig in der Yamaha-Box entschuldigen wollte, drehten ihnen Rossi und seine Crew demonstrativ den Rücken zu. Die Situation war wieder deutlich angespannter.

Bei Rossis Heimspiel äußerten sich die Feindseligkeiten einmal mehr auf der Strecke, als es der Yamaha-Werksfahrer im Qualifying ganz bewusst auf einen Clash mit Márquez anlegte – und die Schuld dann dem anderen zuschob. Die Unterstützung der italienischen Fans war ihm sicher.

Ein bisschen zynisch, aber gut. Keiner fährt auf diesem Niveau Rennen, um sich Freunde zu machen. Aber es ist auch ein bisschen traurig. Als könnte er nicht loslassen. Das ist tatsächlich unfair. Und die Schuld ist nicht Rossi zuzuschieben. Er ist sehr intelligent und spielt ein cleveres Spiel.

Es sind die Fans, die nicht loslassen können. Und Valentino schlägt Kapital daraus. Sorry, aber sie wirken – und klingen – langsam wie eine Haufen Jammerer.

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