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MotoGP: Fluch und Segen der Mittelmäßigkeit

Kolumne von Michael Scott
MotoGP-WM: Zu viel Einheitsbrei?

MotoGP-WM: Zu viel Einheitsbrei?

Einheitselektronik, Beschränkung der Anzahl von Zylindern, begrenzte Anzahl von Motoren pro Saison und Einheitsreifen. Ist die technische Vereinfachung Fluch oder Segen für die MotoGP-WM?

Treue Leser werde ich nicht daran erinnern müssen, dass ich die technische Vereinfachung der MotoGP-WM durch die Dorna immer beklagt habe. Einheitselektronik, Beschränkung der Anzahl von Zylindern, begrenzte Anzahl von Motoren pro Saison, eingefrorene Motorentwicklung während der Saison und Einheitsreifen. Das ist unter der Würde einer Weltmeisterschaft.

Diese Weltmeisterschaft hat uns schon eine Bandbreite von schwerfälligen Einzylindern bis hin zur Herrlichkeit der Guzzi V8, neben Vier-, Fünf- und Sechszylinder-Maschinen von Honda, geliefert. Und eine ganze Generation von kreischenden Zweitaktern, bevor die fabelhaften 990er von Aprilias Dreizylinder-Reihenmotor bis zu Hondas einzigartigem V5 folgten.

Doch selbst ein alter Griesgram wie ich muss mit widerwilliger Bewunderung zugeben, dass es im Hinblick auf die Ziele der Dorna wirklich funktioniert hat.

Dorna-Boss Carmelo Ezpeleta ist entschlossen, nicht nur die generellen Kosten im Motorradsport zu senken, sondern auch die Vorteile der finanzstarken Hersteller einzudämmen. So sollen die Werksteams wieder in die Sichtweite der Satellitenteams rücken, welche die Nachfolger der Startaufstellung füllenden Privatfahrer sind. Drei unterschiedliche Sieger in den ersten drei Rennen zeigten, dass die ausgleichende Wirkung auf das Kräfteverhältnis den Rennsport zumindest weniger vorhersehbar macht. So sorgten ein paar beeindruckende junge Fahrer dafür, dass einige sogar von einer neuen «goldenen Ära» sprechen.

Man kann es aber auch anders sehen. So eröffnete sich den Mittelmäßigen die Chance, außergewöhnlich zu sein. Und es machte die Außergewöhnlichen durchschnittlicher. In der MotoGP-Klasse ist die Bezeichnung «mittelmäßig» weit von einer Beleidigung entfernt. Auch die Jungs, die auf Platz 18 oder 23 landen, sind außergewöhnlich talentiert, obwohl es immer einfach ist, ihnen Geringschätzung entgegenzubringen.

Die Abstände sind sehr gering. Unter den neu geschaffenen Bedingungen werden sie noch kleiner. Beim Saisonauftakt unter dem Flutlicht von Katar wurden die Top-8 beispielsweise nur von etwas mehr als sieben Sekunden getrennt. Drei von ihnen – Crutchlow (4.), Petrucci (5.) und der lange führende Zarco (8.) – stammten aus Satellitenteams.

Ein weiteres Beispiel: Seht Euch Tito Rabat an. Über zwei Jahre hinweg ein hoffnungsloser Fall auf der Honda. Er hat überlegen einen Moto2-Titel gewonnen, bevor er aufstieg und in Vergessenheit geriet. Bedeutet das, dass es ihm an Talent fehlt? Auf der Ducati hat es nun klick gemacht. Er ist ein ernsthafter Anwärter auf die Top-10. In Texas war er der zweibeste Ducati-Fahrer und besiegte Jack Miller, was ihm nicht besonders oft gelang, als sie noch Marc VDS-Teamkollegen auf Honda waren.

Und dann werfen wir noch einen Blick auf Suzuki und ihren Fahrer Andrea Iannone. Im letzten Jahr hoffnungslos, in diesem Jahr stark.

Es hat sich für «The Maniac» nicht viel verändert. Vielleicht wurde eine kleine Verbesserung der Kraftentfaltung der Suzuki erreicht und die (bereits exzellente) Balance verbessert. Und der Fahrer war eben auch ein bisschen weniger «maniacal» als zuvor, auch Dank der Konzentration auf seinen sehr konkurrenzfähigen Teamkollegen Alex Rins. Hinzukam die Sorge, dass sein Platz im Suzuki-Team in Gefahr ist.

Diese kleinen Veränderungen hatten große Auswirkungen auf das Potenzial von Iannone und der Suzuki. Das zeigte sich auch bei Alex Rins, der in Argentinien erstmals auf dem MotoGP-Podest stand.

Für 2018 erhielt Suzuki die Zugeständnisse als «concession»-Team zurück, die auch für KTM und Aprilia gelten. Die Motorenentwicklung wurde also während der Saison nicht eingefroren, Suzuki darf mehr Motoren einsetzen und die Testtage werden nicht beschränkt. Mit bisher drei Podestplätzen 2018 läuft Suzuki jedoch Gefahr, diese Privilegien wieder zu verlieren. Das Blatt hat sich gewendet.

Die geringen Abstände zeigen sich auch bei den anderen «concession»-Teams Aprilia und KTM, obwohl beide noch keine ernsthafte Gefahr darstellen. Nicht weit weg, aber nah genug. Diese kleinen Optimierungen sind nicht einfach zu bewerkstelligen. Näher am Sieger, aber trotzdem außerhalb der Punkteränge zu liegen, ist nur ein kleiner Trost. Es ist noch immer ein schwieriges Spiel.

Also, was ist besser? Hat meine Ablehnung der technischen Vereinfachung einen Sinn in der realen Welt? Oder sollte ich einfach die Klappe halten, das Spektakel genießen und meine Gedanken verwerfen, dass der Rennsport über den Sport hinaus noch eine Bedeutung hat?

Die alten Tage boten ein hohes Level an technischem Wettstreit mit spannendem (wenn auch teurem) Fortschritt, was für die gesamte Motorradtechnologie bedeutend war. Im Sinn von Rennsport verbessert die Serienproduktion.

Ingenieure lernten besondere Lektionen und lösten Probleme unter Zeitdruck. Aber der Erfolg war den Werken mit dem größten Budget vorenthalten und somit drei oder vier glücklichen Fahrern.

Die neue Welt bietet einen banaleren, aber engeren Kampf mit Motorrädern, die sogar hinter der Technik von Serienmaschinen zurückfallen. (Ein Beispiel dafür ist das raffinierte Doppelkupplungsgetriebe, das Honda in manchen seiner Serienmaschinen verbaut, das in der MotoGP-Klasse aber verboten ist. Das zwingt die Ingenieure dazu, geheimnisvolle, aber eigentlich nutzlose Seamless-Getriebe zu entwickeln.)

Ich persönlich vermisse das clevere Zeug. Aber ich genieße die Rennen. Ich freue mich, dass sich Fahrer wie Crutchlow in der Lage befinden, Rennen zu gewinnen. Der Kampf um die WM-Punkte ist viel enger als in der Zeit, als die Werke noch freie Hand hatten. In jedem Fall gewinnen noch dieselben Fahrer. Doch heutzutage ist ihr Vorsprung geringer. Aber lasst die technische Vereinfachung nicht noch weiter voranschreiten.

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