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Neues Quali-Format: FIA hat Angst vor Eigentor

Von Mathias Brunner
Kurz vor dem Abschlusstraining

Kurz vor dem Abschlusstraining

​Wieder einmal wird über ein neues Format fürs Abschlusstraining nachgedacht. Anfang 2016 ging das gewaltig in die Hose. Aber noch ist der Vorschlag nicht vom Tisch, die Qualifikation umzukrempeln.

Die Fans haben gesprochen: Sie reagierten in den sozialen Netzwerken ablehnend, also vor gut einem Monat durchs Internet geisterte – das Qualifying solle künftig aus vier Elementen bestehen. Tenor der GP-Freunde: «Wieso etwas reparieren, das nicht kaputt ist?»

Formel-1-Sportchef Ross Brawn hatte zuvor erklärt: «Wir gucken uns derzeit das Quali-Format an und auch das Punktesystem. Wir stehen dazu in engem Kontakt mit den Rennställen und mit der FIA. Viele Fans sagen uns in Umfragen: „Für die Rennställe über Platz 10 hinaus geht es um nichts, auf den Ferner-liefen-Plätzen nur noch das Material geschont.“ Also denken wir darüber nach, wie wir mehr Anreize erzeugen können, dass auch ein Kampf um Rang 12 attraktiv ist. Die Teams sagen mir, das stimme so nicht, aber die Zuschauer haben eben diesen Eindruck. Punkte bis Platz 15 könnte eine Lösung sein. Wir wollen aber auch nicht zu viel ändern.»

«Was die Qualifikation angeht, so möchten wir die Spitzenfahrer an der Spitze beim Mehrkampf erleben, wer von ihnen der Schnellste ist. Auf der anderen Seite wissen wir: Wenn die Quali ein wenig quer läuft, mit Top-Piloten, die wegen Technikproblemen, wegen eines Fahrfehlers oder wegen Wetterkapriolen von weiter hinten starten müssen, diese Spitzenfahrer erzeugen dann bei ihrer Aufholjagd ein tolles Rennen. Ein möglicher Weg: Wir schränken die Anzahl Reifensätze ein, das würde die Fahrer zwingen, die Leistung auf den Punkt zu bringen und die Rennställe hätten weniger Zeit für die ideale Abstimmung. Wir müssen jedoch auch da vorsichtig vorgehen, weil das heutige Quali-Format erfolgreich und populär ist.»

Aus diesem Grund würde das bisherige Format weitgehend behalten, die schnellsten Acht aus Quali 3 würden jedoch noch einmal antreten: Zu einer alles entscheidenden Wettfahrt um die Pole-Position. Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting: «Ich finde das eine hübsche Idee mit diesem vierten Quali-Segment, aber dann müsste auch das Reifenreglement geändert werden. Wir müssten sicherstellen, dass die Fahrer genügend Reifen zur Verfügung haben. Das gilt auch für Regenreifen und Intermediates für Mischverhältnisse.»

Die FIA ist ein gebranntes Kind, was Änderungen des Qualifyings angeht, denn im März 2016 schoss der Automobil-Weltverband ein peinliches Eigentor.

Wenige Minuten vor Schluss des Qualifyings in Melbourne: Theoretisch die heisseste Phase des Formel-1-Abschlusstrainings, nun sollte es für die besten Grand-Prix-Fahrer der Welt um alles gehen – wer ist dieses Mal wohl der schnellste Mann im Albert-Park?

Und dann das: Auf der Bahn – niemand! Die Fans trotteten von den Tribünen herunter, die meisten schüttelten ungläubig den Kopf darüber, was sie soeben erlebt hatten. Viele fluchten, völlig zu Recht, der Ruf nach «Geld zurück» wurde laut. Die Formel 1 hatte sich mit dem neuen Quali-Prozedere bis auf die Knochen blamiert.

In der Theorie sollte das neue Ausscheidungsverfahren die Spannung erhöhen und das Überraschungsmoment fördern. In der Praxis waren alle vom Blick auf die herunterzählende Uhr fasziniert, weniger vom Geschehen auf der Bahn. Einige Rennställe schickten ihre Piloten zu spät auf die Bahn und gaben sich damit der Lächerlichkeit preis. Zum Schluss hatten die Piloten keine Reifen mehr oder keine Möglichkeit, sich zu verbessern. Also wurde nicht mehr gefahren. Dafür hatte doch kein Melbourne-Besucher ein Ticket gekauft!

Ferrari-Star Sebastian Vettel spottete: «Jetzt sind wir wirklich im Zirkus angekommen. Das ist vielleicht eine gute Idee, wenn die Pole nach dem Zufallsprinzip vergeben werden soll. Aber in der Formel 1 sollte es doch um Sport gehen. Nein, diese Idee ist schei....»

Die Rennfahrer hatten sich schon im Rahmen der Barcelona-Tests bei ihrem FIA-Ansprechpartner Charlie Whiting lautstark über das neue Prozedere beschwert. Sie warnten praktisch im Chor: «Das ist die Antwort auf eine Frage, die keiner gestellt hatte. Am früheren Qualiprozedere gab es nichts auszusetzen.»

Das Ausscheidungsverfahren, das dem geänderten Format zugrunde lag, ist im Sport keine Neuheit, um genau zu sein, hatte es die Formel 1 kopiert: Im Bahnradsport und beim Dirt-Track kennt man dieses Prinzip, bei dem am Ende zwei Fahrer übrigbleiben und um den Triumph kämpfen, seit längerem. In beiden Fällen handelt es sich um Rennen, nicht um ein Qualifikationsverfahren.

Wieso also ein neues Abschlusstrainingsformat? Auf diese Weise sollte das Training spannender gestaltet werden, die Fans sollten mehr Aktion auf der Bahn erleben. Im Eliminationsverfahren kann es sich ein Pilot selten leisten, unbekümmert an der Box zu stehen. Der Grundgedanke war richtig, aber wichtige Punkte wurden dabei ausser Acht gelassen.

Angefangen bei den Reifen: Wenn ein Fahrer nur eine beschränkte Anzahl des schwarzen Goldes zur Verfügung hat, muss sich niemand wundern, wenn er mit seinen Ingenieuren ausheckt – lieber noch einen Satz fürs Rennen zur Seite legen und eben im Training einmal weniger auf die Bahn gehen.

Zur Sicherheit wiederholte die Formel 1 dann die Farce von Australien im Rahmen des zweiten GP-Wochenendes von Bahrain, frei nach dem Motto «aus Schaden dümmer».

Ab China wurde wieder im bewährten Quali-Ablauf gefahren – bis heute.

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