Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

MotoGP: Deutsche Live-TV-Rechte bei Servus im Free-TV

Von Günther Wiesinger
Knalleffekt in der deutschen TV-Szene: Mit ServusTV übernimmt nach 2018 erstmals ein österreichischer Sender die Live-TV-Rechte für die MotoGP-WM.

Zuerst hat das kleine Österreich vor zehn Tagen den Coup mit Johann Zarco gelandet, als der beste MotoGP-Privatfahrer-Rookie der letzten 22 Jahre (seit Max Biaggi) für zwei Jahre für das Red Bull-KTM-Werksteam engagiert wurde.

Und jetzt platzt die nächste Bombe: Eurosport verliert nach der Saison 2018 überraschend die Live-Rechte für die MotoGP-WM mit den Klassen Moto3, Moto2 und MotoGP.

Beim Jerez-GP haben wir gehört, dass die Entscheidung des Rechte-Inhabers Dorna beim Mugello-GP (1. bis 3. Juni) verlautbart werden soll.

Das bedeutete, dass bereits eine Vorentscheidung gefallen sein musste, wer die begehrten Rechte für die nächsten vier Jahre erhalten soll.

Seit dem Sommer 2017 wird diskutiert, denn am Saisonende 2018 läuft der Vier-Jahres-Vertrag von Eurosport für die deutschen Exklusiv-Live-TV-Rechte aus. Manel Arroyo, Managing Director von Dorna Sports S.L. und seit 1992 bei der Dorna verantwortlich für die TV-Rechte, sondierte seit Monaten die Möglichkeiten.

«Wir haben die Angebote für den deutschen Markt ausgeschrieben und klären jetzt, welche Sender in Frage kommen», erklärte Manel Arroyo beim Katar-GP 2018 im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «ServusTV aus Österreich wäre als Partner auch für Deutschland vorstellbar, sie haben ja bereits seit zwei Jahren die Live-Rechte für Österreich. Der Sender gehört zum Red Bull Media House, und mit Red Bull haben wir seit vielen Jahren eine enge Zusammenarbeit auf vielen Gebieten.»

Eurosport verfügt bis zum Saisonende in Deutschland über die exklusiven Live-Rechte für Free- und Pay-TV, Verbreitung Eurosport 1 über Kabel, Satellit und Digital-Terrestrisch.

Jetzt wurden die Rechtepakete von der Dorna für 2019 und die folgenden Jahre neu ausgeschrieben.  

Über die Gebühren wird Stillschweigen vereinbart. Fakt ist: Sport1 bezahlte für die vier Jahre von 2011 bis 2014 rund 3,5 Millionen Euro pro Jahr.

Übrigens: In der Superbike-WM sind die Live-Rechte in Deutschland für Eurosport nicht exklusiv, deshalb kann ServusTV seit dem Saisonstart 2017 auch in Deutschland übertragen. In der MotoGP-WM besitzt ServusTV hingegen nur Live-Rechte für Österreich, das Ausland darf nicht abgedeckt werden, das wird mit Hilfe von Geo-Blocking sichergestellt. ServusTV ist seit Oktober 2008 über Kabel- und Satelliten-Fernsehen auch in Deutschland und der Schweiz zu empfangen, doch in diesen Ländern wurde das Signal während der MotoGP-Übertragungen seit Beginn der Saison 2016 verschlüsselt. Rechteinhaber in Deutschland blieb weiter exklusiv Eurosport.

ServusTV: 2014 gegen Eurosport unterlegen

ServusTV hat beim letzten MotoGP-Rechteverkauf 2014 gegen Eurosport den Kürzen gezogen, aber in der neuen Bieterrunde für die vier Jahre nach 2018 den Zuschlag erhalten. ServusTV hat die MotoGP-Übertragungen in den letzten zweieinhalb Jahren mit viel Aufwand betrieben und jeden Grand Prix mit bis zu zehn Mitarbeitern beschickt, um die Chancen für die Zukunft zu erhöhen und die Dorna von der Qualiät der Übertragungen zu überzeugen.

Nicht zuletzt im Hinblick auf die MotoGP-Rechte hat ServusTV im Winter den Superbike-TV-Vertrag mit der Dorna für 2018 vorsorglich verlängert, obwohl dort kein deutscher Teilnehmer mehr am Start ist und die Quoten niemandem vom Stuhl reißen.

«Es ist kein Geheimnis, dass es zu unserer Politik gehört, die Zusammenarbeit mit existierenden Partnern zu verlängern», erklärte Dorna-TV-Direktor Manel Arroyo noch im März. «Eurosport überträgt seit 27 Jahren MotoGP-Rennen, also seit dem ersten Jahr der Dorna-Ära, die 1992 begonnen hat. Eurosport hat einen erheblichen Anteil an der Entwicklung des GP-Sports und immer einen wertvollen Beitrag geleistet.»

Aber nach dem Argentinien-GP 2018 hat bei der Dorna offenbar ein Meinungsumschwung stattgefunden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Offenbar hat ServusTV ein überzeugendes Sendekonzept abgeliefert. Die Österreicher bestreiten alle Grand Prix mit durchschnittlich zehn Personen, das Kommentatoren-Team ist hochkarätig: Christian Brugger, Andrea Schlager, Walter Zipser, Alex Hofmann, Stefan Bradl, Gustl Auinger und Andreas Meklau sind unumstrittene Motorsport-Experten.

Dagegen nimmt sich die aktuelle Eurosport-Truppe vergleichsweise mickrig aus: Harry Weber, Jan Stecker, Ruben Zimmermann, Stefan Nebel.

Dass die Eurosport-Truppe beim verzögerten MotoGP-Start in Las Termas zur Vertuschung ihrer eigenen Unwissenheit in punkto Reglement 18 Minuten lang über die Dorna gelästert hat, die als Inhaber der kommerziellen MotoGP-Rechte mit der Race Direction, den FIM MotoGP-Stewards, der Startverschiebung und den verhängsten Strafen leider gar nichts zu tun hat, kam bei den Spaniern auf jeden Fall nicht gut an. Das war schon beim Texas-GP eine Woche später zu spüren.

In Austin leistete sich Eurosport den nächsten Fauxpas: Jan Stecker interviewte Alberto Puig am MotoGP-Grid während der amerikanischen Hymne. «Es ist eh nicht unsere…», meinte er. Puig schlief auf der Stelle das Gesicht ein.

Dass Stecker statt «national anthem» seine eigene englische Version («national hymne») zum Besten gab, überrascht nicht. Er sagt ja auch gern «windshadow» statt «slipstream», «round» statt «lap», «curve» statt «corner» oder «turn» und so weiter.
Aber auf seiner Website rühmt er sich, er könne auch auf Englisch moderieren.

Eurosport: Warum der Zuschauerschwund?

Eurosport-Eigentümer ist das amerikanische Medienunternehmen «Discovery», das sich offenbar mit den Olympia- und Fußball-Bundesliga-Rechten finanziell übernommen hat, berichten Experten. Deshalb gehen die MotoGP-Rechte jetzt nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich verloren – dort bekommt nach der Saison 2018 der Sender «Canal+» den Zuschlag.

Wer sich in einschlägigen Foren umsieht, findet auch Informationen der Zuseher, warum zum Beispiel beim Jerez-GP 2018 gleich 180.000 Zuschauer weniger das MotoGP-Rennen angeschaut haben als 2015. Der ständige Wechsel von Free-TV zu PayTV, von Eurosport1 auf Eurosport2, das Ausfallen der Übertragungen wegen Tennis, Radsport und Snooker und die dauernde Ungewissheit, also ein fragwürdiges Sendekonzept, hat offenbar viele Zuschauer vertrieben.

Auch die häufigen Kommentatorenwechsel gelten als Gift für das TV-Geschäft. Raudies, Ringguth, Hofmann, Orasche, Waldmann und so weiter werden vermisst, an Weber, Stecker und Nebel scheiden sich die Geister.

Der Eurosport-Player gilt bei den Fans als ewiges Ärgernis, dazu fünf Werbeblöcke in 40-Minuten-Rennen. Bei ServusTV läuft die Werbung im Split-Screen, man verpasst also nichts.

«Dorna-TV-Leute sind schwer enttäuscht, so viel kann ich sagen. Eurosport schafft es gerade mal die 'Die Hard'-Fans zu holen. Das ist schwach», erklärte ein TV-Fachmann nach dem Jerez-GP.

Bei ServusTV herrscht Klarheit: Schon bisher wurden Samstag und Sonntag alle wichtigen Trainings, Qualifyings und natürlich die Rennen übertragen – immer im Free-TV. Daran wird sich auch nach der Ausweitung der Live-MotoGP-Rechte auf Deutschland 2019 nichts ändern.

Der Privatsender ServusTV gehört zum Red Bull Media House, dessen Motorsport-Portfolio umfangreich ist. Das RBMH ist zum Beispiel Promoter der Rallye-WM WRC. Auch Printprodukte wie Servus in Stadt in Land, Bergwelten, Terra Mater und Seitenblicke sowie Internet-Portale wie SPEEDWEEK.com und andere Projekte sind Bestandteil des Red Bull Media House.

Ex-GP-Pilot Alex Hofmann hat Eurosport schon nach der Saison 2015 Richtung ServusTV verlassen.

In punkto «Technical Reach», darunter versteht man die Anzahl der Haushalte, die technisch die Möglichkeit haben, einen Sender zu erreichen, macht Dorna mit ServusTV jetzt einen kleinen Schritt zurück. Der "Technical Reach» liegt bei Eurosport und ServusTV in Deutschland bei über 90 Prozent.

Der tatsächliche Marktanteil in Deutschland liegt für Eurosport bei ca. 1 Prozent, für ServusTV bei ca. 0,2 bis 0,3 Prozent, diese Werte sind ausbaufähig, das ist klar. Aber bei der Dorna wird das Projekt ServusTV langfristig gesehen.

Die Dorna ist von Eurosport enttäuscht, auch wenn die Zusammenarbeit in etlichen anderen Ländern von Benelux bis Rumänien (außer Frankreich und Deutschland) nach 2018 fortgesetzt wird.

MotoGP im Fernsehen: Künftig ein Pflichttermin?

Für die Dorna und ServusTV mit dem neuen Sportchef Christian Nehiba (vormals ORF) hat die Zukunft bereits begonnen. «Wir wollen auch in Ländern wie in Deutschland neue Fans für unseren Sport und das Fernsehen begeistern», hört man bei der Dorna. «Wir wollen darstellen, wie aufregend, spektakulär und großartig MotoGP ist. Diese Message und die Qualität der Übertragungen muss in Zukunft wieder stark in den Vordergrund gerückt werden. Die MotoGP-Fans sollen wieder vor die TV-Bildschirme gelockt werden. Unser Motto: ‘Du darfst dir die MotoGP-WM nicht entgehen lassen.’»

«Alles was wir gemeinsam mit Red Bull angepackt haben, ist ein Erfolg geworden», stellte Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta 2016 nach dem ausverkauften ersten Grand Prix in Spielberg begeistert fest.

Tatsächlich ist Red Bull seit vielen Jahren in vielen Bereichen ein verlässlicher Partner der Dorna geworden.

«In der MotoGP bekommt man den besten Gegenwert für sein Geld», gab Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz das Kompliment einmal zurück.

Tatsächlich erstreckt sich die Zusammenarbeit zwischen Dorna und Red Bull auf viele Gebiete. Seit 2007 existiert der Red Bull Rookies Cup als Gehschule für Motorradtalente, Johann Zarco (Gesamtsieger 2007) hat es sogar schon bis in die Königsklasse gebracht.

Dazu ist Red Bull KTM in allen drei GP-Klassen vertreten, Red Bull ist Co-Sponsor bei Repsol-Honda. und unterstützt ein Dutzend GP-Fahrer mit Personality-Sponsorships – zum Beispiel Marc Márquez, Pedrosa, Dovizioso, Miller, Oliveira, Binder, Bradl und so weiter. Dazu ist Red Bull Promoter des GP von Österreich in Spielberg und kauft seit Jahren die Namensrechte für zwei bis drei Grand Prix im Jahr, zuletzt in Austin und Jerez 2018.

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