KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Hat Ducati mit dem V4 den entscheidenden Vorteil?

Von Günther Wiesinger
In der Superbike-WM treten vier Werke mit Reihenvierzylindern an, nur Ducati hat sich für einen V4-Motor entschieden. Ingenieur Jan Witteveen nimmt die Konzepte unter die Lupe.

In der Superbike-Weltmeisterschaft 2019 treten fünf verschiedene Motorenhersteller an: Ducati vertraut nach dem Rückzug von Aprilia als einziger auf einen V4-Motor, BMW, Honda, Kawasaki und Yamaha verwenden Reihenvierzylinder.

Bis letztes Jahr hieß es bei den Superbikes Zwei-oder Vierzylinder, außerdem Reihen- oder V-Motor. Jahrzehntelang war Ducati mit dem Twin siegreich, dieses Jahr setzen auch die Roten aus Bologna erstmals auf einen 1000-ccm-Vierzylinder-Motor und haben sich wie in der MotoGP-WM für einen V4 entschieden.

Der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen erklärt die Vor- und Nachteile der Reihen- und V-Motoren.

Jan, V4 oder Reihenmotor – ist das mehr als nur eine Glaubensfrage?

Ein V-Motor hat leistungsmäßig Vorteile. Der Motor ist außerdem kompakter und um rund 20 Zentimeter schmaler, du hast also auch aerodynamische Vorteile.

Beim V4 hast du bei der Leistungsausbeute Vorteile, denn du kannst den Einlasskanal von oben gerade machen du hast mehr Platz für die Airbox und dadurch eine bessere Füllung.

Vom Motor her eignet sich das V4-Konzept besser. Für das Fahrwerk und das Fahrverhalten sind beide Motoren-Konzepte heute gleich zu bewerten.

Kawasaki ist momentan am erfolgreichsten mit dem Reihenmotor, Suzuki, Yamaha, Honda, MV Agusta und BMW haben auch einen. Aprilia hingegen war 2010, 2012 und 2014 mit dem V4-75-Grad-Motor Superbike-Weltmeister.

In der Superbike-WM kommt noch ein anderer Aspekt dazu. Ich brauche als Hersteller ein Serienmotorrad als Basis. Kawasaki hat momentan die Nase vorn, weil sie das beste Team und sehr gute Fahrer haben. Bei Kawasaki fließen die Rennsporterfahrungen sofort in die Serie mit ein. Und wenn es nötig ist, kann das Basismodell weiterentwickelt und neu homologiert werden.

Ducati hat früher bei den Superbikes auch eine Zeit lang vom V2-Konzept profitiert, weil sie mehr Hubraum als die Vierzylinder verwenden durften.

Ab diesem Jahr hat Ducati den neuen V4-Motor, bei dem die Kurbelwelle rückwärts dreht, wie in der MotoGP-WM. Dadurch kann ich einen Teil des gyroskopischen Effekts der Räder ausgleichen. Die Kreiselkräfte heben sich dann teilweise auf; so erzeuge ich ein neutraleres Fahrverhalten in den Kurven. Die Räder drehen sich nach vorne, die Kurbelwelle nach hinten, das ergibt in den Kurven einen deutlichen Vorteil. Das Motorrad verhält sich neutraler und stabiler; somit ist das Fahrwerk auch einfacher abzustimmen. Dann könnte sich die Situation zum Vorteil von Ducati ändern.

Wie beurteilst du den V4-75-Grad-Superbike-WM-Motor von Aprilia?

Meiner Meinung nach ist dieser 75-Grad-Winkel nicht so optimal wie der 90-Grad-MotoGP-Motor. Weil ich bei 90 Grad die Ansaugkanäle gerader gestalten kann und ich mehr Platz für die Airbox habe. Aber sonst sind die Vorteile identisch wie beim V4 im Vergleich zum Reihenvierzylinder-Motor.

Was spricht dann für 75 Grad?

Bei 75 Grad wird das Triebwerk kompakter. Aprilia hat jetzt die Serien-RSV4 mit 1100 ccm, dann ist der Motor mit 75-Grad-V-Winkel kompakter.

Früher wurde viel über die unterschiedlichen Zündfolgen diskutiert – Screamer oder Big-Bang hieß die Devise. In der MotoGP-Klasse gibt es momentan nur Big-Bang-Versionen.

Bei einem V4-Motor brauche ich keine Ausgleichswelle. Beim Reihenmotor auch nicht, wenn ich die Screamer-Zündfolge verwende. Andere Zündfolgen – wie sie heute üblich sind – brauchen eine Ausgleichswelle, die in Kombination mit der rückwärts drehenden Kurbelwelle einfach zu lösen ist.

Man kann natürlich auch behaupten: Wer gewinnt, hat die bessere Lösung.

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