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Lewis Hamilton: Instinktfahrer und Diplomatiestümper

Von Mathias Brunner
Keiner hat 2015 öfter gewonnen als Lewis Hamilton

Keiner hat 2015 öfter gewonnen als Lewis Hamilton

Zum zweiten Mal nach 2008 ist Lewis Hamilton Formel-1-Champion. Er tritt damit einem exklusiven Zirkel bei: Nur 16 Rennfahrer konnten mehr als einen WM-Titel gewinnen!

Juan Manuel Fangio, Alberto Ascari, Jack Brabham, Graham Hill, Jim Clark, Jackie Stewart, Emerson Fittipaldi, Niki Lauda, Nelson Piquet, Alain Prost, Ayrton Senna, Michael Schumacher, Mika Häkkinen, Fernando Alonso, Sebastian Vettel – und nun Lewis Hamilton. Der 29jährige Engländer hat sechs Jahre nach seinem ersten Titel (damals mit McLaren) nachgedoppelt, gemessen an seiner Begabung war es höchste Zeit.

Lewis Hamilton hat 11 von 19 Saisonrennen gewonnen (mehr als jeder andere), er hat 7 Mal die schnellste Rennrunde gefahren (ebenfalls mehr als jeder andere), er stand 16 Mal auf dem Siegerpodest (keinem gelang das öfter), niemand sonst legte Serien von vier und dann von fünf Siegen in Folge hin.

Hamilton holte den Titel, obschon er öfter ausfiel als sein Titelrivale Rosberg (Lewis drei Mal, Nico zwei Mal). Er holte den Titel, obschon er bei den Rennen von Deutschland und Ungarn das Feld von hinten aufrollen musste (und in beiden WM-Läufen aufs Podest vordrang).
Niemand wird es in Frage stellen – Lewis Hamilton verdient Weltmeister geworden.

Natürlich werden einige Verschwörungsspinner nun mit erigiertem Zeigefinger darauf hinweisen, dass der Weltmarke Mercedes der Weltenbummler Hamilton als Champion eben lieber sei.

Während es nicht von der Hand zu weisen ist, dass Lewis die grösste weltweite Formel-1-Fangemeinde vorweisen kann, grösser als Alonso, grösser als Vettel, und ganz sicher grösser als Rosberg, so ist das Argument doch Quatsch. Hätte Rosberg den Titel geholt, so hätten andere Konspirations-Theoretiker bestimmt darauf verwiesen, dass der deutschen Marke mit dem Stern eben der deutsche Fahrer lieber sei.

Mercedes kam für Lewis Hamilton genau zum richtigen Zeitpunkt seiner Karriere. McLaren hatte ihn sorgfältig aufgebaut und in die weltweite Auslage gestellt, um ein Haar wäre Lewis sogar schon in seiner ersten Saison Weltmeister geworden. Aber McLaren legte ihm auch eine Zwangsjacke an, angefangen mit dem Kontroll-Menschen Ron Dennis, dem nachgesagt wird, dass er in der Firmenkantine darüber wacht, ob die Servietten nach links oder nach rechts gefaltet werden.

Klar sind auch die beiden österreichischen Mercedes-Steuermänner Kontroll-Menschen, Renndirektor Toto Wolff und Niki Lauda, Aufsichtsrats-Chef des Rennstalls. Aber die beiden Wiener sind clever genug, Lewis einfach nur Hamilton sein zu lassen. Motto: Wenn es ihn glücklich macht, ein Knuddeltier zur Rennstrecke mitzubringen, dann eben in Gottesnamen.

Es hat allerdings auch gewiss nicht geschadet, Hamilton vor Augen zu führen, dass sich Nico Rosberg an einem Rennwochenende durch nichts ablenken lässt. Von da an blieb Nicole Scherziger öfter mal zuhause und Roscoe ebenfalls ...

Einfach ist es Lewis Hamilton nicht gemacht worden. Nicht nur, dass sich bisweilen die Technik gegen ihn verschworen zu haben schien (drei Ausfälle in den Rennen, zwei in den Qualifyings). Nico Rosberg erwies sich – für einige etwas überraschend – als ebenbürtiger WM-Gegner, vor allem auf mentaler Ebene.

Sich durchzubeissen, das entspricht voll und ganz der Lebenseinstellung Hamiltons. «Still I rise», ist nicht zufällig farbig in seine Haut eingeschossen, an Widerständen zu wachsen, das taugt ihm, das peitscht ihn vorwärts.

Ich finde es überaus erfrischend, dass Lewis Hamilton ein hundslausigmiserabler Schauspieler ist. Wie immer er sich fühlt, ist ihm gleich anzusehen. Ich finde es auch gut, dass er ab und an mal tüchtig auf den Tisch haut, intern wie in der Öffentlichkeit. Das macht ihn menschlich, und nichts ödet mehr an als Piloten, die wie Fahr-Roboter wirken und sich in Worthülsen verstecken.

Rennsport, das muss doch ein Emotionsgewitter sein – bei Lewis Hamilton haben wir gewissermassen die Blitz- und Donnergarantie.

Natürlich war es nicht die feine englische Art, nach dem Qualifying zum Monaco-GP seinem Stallgefährten zu unterstellen, ihn in eine Falle gelockt zu haben (die FIA-Rennkommissare waren anderer Meinung).

Natürlich war es nicht die feine englische Art, in Spanien beim Duell mit Rosberg die Motoreneinstellung zu verändern, entgegen der Team-Anweisung, wohlgemerkt. Aber das war nur die Retourkutsche für Bahrain, wo Nico das Gleiche getan hatte.

Natürlich war es nicht die feine englische Art, nach dem Belgien-GP aus dem Nähkästchen zu plaudern und Nico Rosbergs trotzige Antwort auf die Kollisionsvorwürfe in die Öffentlichkeit zu tragen.

Und es war bestimmt kein netter Zug, Nico Rosberg zu unterstellen, er sei quasi mit dem goldenen Löffel im Mund an der Côte d’Azur aufgewachsen, während er, Lewis, sich aus einer Wohnung in der britischen Provinz habe hochhangeln müssen, die sich nicht für eine Fotostrecke in «Schöner wohnen» geeignet hätte. Es war auch überschaubar komisch, über Rosberg zu verbreiten, im Grunde sei er ja gar kein Deutscher.

Gerade in Zeiten dieser unsäglichen, alles erstickenden politischen Korrektheit ist es aber schön, dass Hamilton auch mal mit Streichhölzern spielt. Lewis ist vielleicht nicht der wortgewandteste Vertreter seines Sports, aber er lässt keinen kalt.

Wir sollten dafür dankbar sein, dass er aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, auch wenn er sich damit hin und wieder selber schadet. Das gilt auch für den Umgang mit seinen Technikern, reichlich dokumentiert in Form pampiger Wortmeldungen am Boxenfunk. Ein Meister-Diplomat wird aus diesem Lewis Hamilton wohl nie werden, ein Meister-Fahrer ist er längst.

Lewis Hamilton ist für mich ein toller Champion, weil eines der grössten Naturtalente gekrönt worden ist, welche die Formel 1 je in ihrer Mitte haben durfte; ein wundervolles Vollgastier, ein Instinktfahrer erster Güteklasse.

Vor einiger Zeit hat Hamilton gesagt: «Sollte ich meine Formel-1-Karriere mal beenden mit nur einem Titel, dann werde ich mir immer vorwerfen, dass ich zu wenig aus meinen Möglichkeiten gemacht habe.»

Diese Sorge ist erstmal vom Tisch.

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