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Russland-GP Sotschi ein Knaller: Stimmung schlägt um

Von Mathias Brunner
Sergio Pérez in netter Gesellschaft

Sergio Pérez in netter Gesellschaft

​Die GP-Premiere von Sotschi 2014 liess Fans und Fachleute weitgehend kalt: Wieso war am vergangenen Wochenende die Stimmung im Fahrerlager eine ganz andere?

Vor zwölf Monaten gab es viel Kritik für die Rennstrecke auf dem olympischen Gelände von Sotschi. «Ein typisches Tilkodrom», wurde da geschimpft, «wie soll es bei so einem Layout auch ein interessantes Rennen geben?» Tatsächlich würden wir den Russland-GP 2014 jetzt nicht eben als Hitchcock-Thriller bezeichnen. Die meisten Fans erinnern sich noch an den gewaltigen Verbremser von Nico Rosberg in der ersten Runde, aber sonst ist das Rennen von 2014 weitgehend vergessen.

Es wurde gejammert, Sotschi verströme den Charme von Disneyland: So gut wie perfekt, aber ohne Seele. Die Gebäude der Winterspiele 2014, die Architektur einiger Hotels, der nahe Vergnügungspark, der Postkartenhimmel, das alles trug zu diesem Eindruck bei.

Nun aber ist der Formel-1-Tross in ganz anderer Stimmung aus Sotschi abgereist, und das hat zahlreiche Gründe.

Wir haben einen mitreissenden Grand Prix erlebt. Eine Folge aus niedrigen Temperaturen, daher kalten Reifen, das wiederum führte zu Abflügen und Safety-Car-Phasen. Von wegen, Sotschi produziere keinen spannenden Sport!

Ein Grund für zufriedene TV-Zuschauer ist ausgerechnet jener Mann, der die neue Turbo-Ära immer wieder schlechtgeredet hat – Serienpromoter Bernie Ecclestone. Er ist mit den Teams einig geworden, dass mehr Kämpfe im Mittelfeld gezeigt werden müssen (die Formel-1-Fans hätten ihm das auch vorher sagen können). Seither dürfte den meisten klargeworden sein: Man kann in Sotschi durchaus überholen.

In diesem Grand Prix war alles drin: Packende Zweikämpfe, funkenschlagende Rennwagen, Kollisionen, platte Reifen, wagemutige Streckenposten, unbelohnte Helden wie Rosberg und Sainz, strategische Kniffe, was dank Reifenflüsterer Sergio Pérez zu einem dritten Rang von Force India führte, Bösewichte (Grüsse an Kimi Räikkönen), zwei Weltmeister, die sich über Grid-Girls kugeln, Vettel und Hamilton, und dabei schien es sie nicht zu stören, dass die aparten Damen «in eine Art Teebeutel gekleidet sind», wie es der frühere Formel-1-Fahrer Martin Brundle bezeichnete.

Nein, in diesem Rennen war wirklich Pfeffer drin. Der spannende Rennverlauf war auch eine Folge der mangelnden Trainingszeit der Teams: Zunächst mit einer Dieselpanne auf der Rennstrecke (welche Ironie: ein Fahrzeug, das die Piste reinigen sollte, versaute die Bahn mit Treibstoff), dann der Regen, am Samstagmorgen der schwere Unfall von Carlos Sainz – das alles führte dazu, dass die Techniker und Fahrer weniger Erfahrungswerte als üblich hatten und das Rennen viele Unbekannte barg.

Das packende Rennen liegt auch am Verhalten der Piste: Der Asphalt ist noch immer recht neu, seit 2014 fanden weniger Rennen darauf statt als auf anderen Strecken. Das führt zu weniger Verzahneffekt zwischen Piste und Reifen, die Autos rutschen mehr, sehr zur Freude der Zuschauer.

Auch neben der Rennstrecke gab es jede Menge Kontroversen, was zur Dramatik des Wochenendes beitrug: Ein Leitthema des ganzen Wochenendes – der sich anbahnende Ausstieg von Red Bull aus dem GP-Sport und die verzweifelten Versuche von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone, die Weichen in Richtung einer Lösung zu stellen.

Es gibt aber noch andere Gründe, wieso das zweite Russland-GP-Wochenende ein Erfolg geworden ist: Es sind deutlich mehr Zuschauer gekommen, die Infrastruktur ist verbessert, die Russen haben aus Fehlern des ersten Jahres gelernt. Es gab mehr Verpflegungsstände, mehr Videowände, mehr Auskunftspersonal, das überdies besser ausgebildet wurde. Die Russen holten 1700 freiwillige Mitarbeiter, hunderte davon aus dem Ausland. Das Verkehrskonzept ist optimiert, mit mehr Bussen und mehr Extrazügen zum Bahnhof, der gleich am olympischen Gelände liegt.

Die Sicherheitskontrollen sind weniger barsch als 2014, es gibt mehr Personal, das der englischen Sprache mächtig ist, alles wirkt entspannter als vor einem Jahr.

Das wiederum liegt an einer ganz anderen Ausgangsposition: 2014 wusste keiner, ob die Ukraine-Krise nicht eskaliert, der Formel-1-Tross reiste in düsterster Stimmung an, weil nur Tage zuvor Jules Bianchi in Suzuka einen schweren Unfall hatte und im Koma lag. Im Juli 2015 ist der Franzose dann verstorben.

Die Stimmung im Fahrerlager dieses Mal: deutlich entspannter, viele Mitglieder des Formel-1-Trosses haben einen grossen Teil ihrer Skepsis gegenüber Russland abgelegt.

Auch von den Tribünen wurde mehr Begeisterung gespürt: Den Fans wurde vor dem Rennen eine unterhaltsame Show geboten mit 500 Künstlern. Da könnte sich manch anderer GP-Organisator eine Scheibe abschneiden. Dazu gab es für die Fans Konzerte auf dem Renngelände, unter anderem mit der dreifachen Grammy-Gewinnerin Natalie Imbruglia.

Natürlich kann eingewandt werden, das alles sei nichts anderes als reinste Propaganda für Russland, so wie der ganze Grand Prix nichts anderes ist als eine Prestigeveranstaltung für die Regierung. Dem stimme ich zu. Aber ist das Rennen in Abu Dhabi etwa anders oder jenes in China?

Die russischen Organisatoren sprechen heute von 149.000 Fans, die an den vier Tagen ins «Sochi Autodrom» gekommen sind, 20.000 am Donnerstag, 25.000 am Freitag, 42.000 am Sonntag und 62.000 am Sonntag. Bei einem Blick in die Tribünen würden wir diese Zahlen mit Vorsicht geniessen, aber zweifellos sind mehr Fans gekommen als vor einem Jahr.

2016 wird der Sotschi-GP im Frühling ausgetragen, bei hoffentlich freundlicherem und wärmeren Wetter. Die Organisatoren versprechen sich davon einen weiteren Turbo, was die Zuschauerzahlen betrifft. Für 2017 wird geplant, den Grand Prix zum Nachtrennen zu machen.

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