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GP-Piloten: Wo sind die Rebellion und die Streiks?

Kolumne von Michael Scott
Enea Bastianini zählte in Misano zu den Sturzopfern

Enea Bastianini zählte in Misano zu den Sturzopfern

Werden die heutigen GP-Fahrer ab der Moto3- bis in die Königsklasse immer weiter verweichlicht? Oder müssen sie tatsächlich tapferer sein als je zuvor?

Ach, die guten alten Zeiten. Als Rennsport noch Rennsport war und Fahrer noch harte Kerle. Nicht wie diese in Watte gepackten, überbezahlten Social-Media-Berühmtheiten von heute.

Ich scherze natürlich: Niemand, der mit einem 260 PS-Bike Rennen fährt, ist verweichlicht. Doch ich dachte in Misano über diese Sache nach, als es am Renntag zu regnen begann. Denn das ist eben, was in Misano passiert. Egal, in welche Richtung du die Strecke fährst oder wie oft du sie neu asphaltierst. Die Strecke wird rutschig. Als Ergebnis sahen wir am Renntag ein paar Stürze. 80 auf alle drei Klassen verteilt. Obwohl die jungen Wilden aus der Moto3-Klasse den Löwenanteil daran hatten.

Das brachte die Gesamtzahl der Stürze über das Misano-Wochenende auf 140. Ich denke, das ist ein Rekord. Oder setzt zumindest die Messlatte sehr hoch. In Le Mans ereigneten sich 94 Stürze. Dort stürzten 22 Moto3-Piloten innerhalb weniger Sekunden auf einer Ölspur. In Assen zählten wir 91 Stürze.

Misano hat in dieser Hinsicht eine Vergangenheit. In der guten alten Zeit, 1989, um genau zu sein, war der Asphalt noch heikler als jetzt – ein Fleckenteppich unterschiedlicher Asphaltstücke mit schlechten Drainagen und armseligen Auslaufzonen. Die Helden des Paddocks fuhren dort auf widerspenstigen 500-ccm-Zweitaktern.

Egal welche Jahreszeit, in diesem Fall war es Mai, das Wetter ist an der Adriaküste unvorhersehbar. Regen im Training zeigte, dass die Streckenbedingungen tödlich werden. Statt des üblichen Anstiegs von 10 bis 15 Prozent bei den Rundenzeiten waren es mehr als 40 Prozent, wie der damalige Weltmeister Eddie Lawson berichtete. Es war das Jahr, als die neugeformte IRTA über fast alles mit der FIM stritt und die Fahrer wiederum mit der IRTA. Der aktuelle Zankapfel war das Verbot der IRTA von Reifenwärmern in der Startaufstellung. Die Fahrer zogen bereits einen Protest an der Startlinie in Erwägung. Das feuchte Wetter befeuerte paradoxerweise diesen Streit weiter an.

Diese Ereignisse waren ein Paradebeispiel für das heillose Durcheinander. Der Rennstart war bereits verzögert worden, als in der Besichtigungsrunde die ersten Tropfen zu Boden fielen. Als die Mechaniker die Reifen und Bremsen wechselten, führten Lawson und Randy Mamola die Werksfahrer zurück in ihre Motorhomes. Sie würden in einer Stunde zurückkehren und die Streckenbedingungen erneut prüfen.

So geschah es. Sie fuhren eine weitere Aufwärmrunde und alle, bis auf ein paar Privatfahrer, steuerten wieder die Box an. Die Zuschauer buhten, das Rennen begann mit eineinhalb Stunden Verspätung. Nach vier Runden regnete es wieder, Kevin Schwantz führte das Feld zurück in die Boxen, als die rote Flagge gezeigt wurde. Trotz der roten Köpfe der Organisatoren hatten die Fahrer schon ihre Entscheidung getroffen.

Um es kurz zu machen: Sie fuhren dann ein 29 statt 35 Runden langes Rennen, aber alle außer zwei Werkspiloten weigerten sich, an den Start zu gehen. Die Ausnahmen waren Pierfrancesco Chili und sein Teamkollege für ein Rennen: der zweifache Superbike-Weltmeister Fred Merkel. Von HB gesponsert, aber in einem italienischen Team verpflichtet, wurden sie beauftragt, den Streik zu brechen, sonst...

Merkel fuhr nach ein paar Runden an die Box und beklagte Kupplungsprobleme. Chili fuhr weiter, verfolgt vom deutschen Privatfahrer Michael Rudroff. Am Ende lag der Brite Simon Buckmaster auf einer Dreizylinder-Production-Honda vor dem Deutschen. Der erste und einzige Königsklasse-Podestplatz für beide. Für Chili war es eines von nur drei Top-3-Resultaten in der Königsklasse.

Frankie weinte, sah aber eher beschämt als triumphierend aus nach seinem einsamen GP-Sieg. Für den Rest der Saison und darüber hinaus wurde er von den anderen Werksfahrern geächtet.

Vorspulen bis 2017. Fast 30 Jahre sind vergangen, aber die Situation ist nicht anders. Am Sonntagmorgen in Misano wurden die Streckenbedingungen im Regen wieder tödlich. Manche Moto3-Fahrer stürzten und stiegen zweimal wieder auf. In der Moto2-Klasse war es nicht viel anders. Was würde im Hauptrennen des Tages passieren?

Es mag ein Faktor der heutigen Zeit sein, dass nicht einmal darüber gesprochen wurde, kein Rennen zu fahren. Nicht ein Anzeichen für einen Protest der Fahrer. Die heutigen Helden machten das, wovon viele dachten, dass es auch die damaligen hätten tun sollen: Sie gingen raus und fuhren ihre Rennen. Schließlich kann man den Gasgriff in zwei Richtungen drehen und sie haben heutzutage Airbags in ihrem Leder. Neun MotoGP-Fahrer stürzten. Alle ohne sich zu verletzen.

Sind die Fahrer heute mutiger? Nicht mehr so sensibel? Noch bewundernswerter? Oder werden sie einfach so gut bezahlt, dass sie sich Rebellion nicht leisten können...

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