Im MotoGP-Sprint in Jerez krachte es ständig

Wachsen nach Art der Formel 1

Kolumne von Michael Scott
Unser Kolumnist fragt sich diesmal, was die MotoGP von der Formel 1 lernen kann, ob sie das überhaupt wollen sollte, und bringt ein paar ziemlich kreative Vorschläge für fette Schlagzeilen.

Die Motorradsaison beginnt also. Eine Woche später als die Formel 1 und in anderer Hinsicht rückständig. Ein armer Verwandter – buchstäblich. Aber auch wenn unsere Meisterschaft nur halb so viele Räder und nicht einmal ein Viertel der Fangemeinde hat, ist sie doch ein Jahr älter als die «Königsklasse auf vier Rädern».

Da die Saison bereits in vollem Gange ist, wird diese Kolumne die Rennen für sich selbst sprechen lassen. Wir lassen hier die brennenden Fragen beiseite. (Wird Marc Marquez auf seiner neuen Ducati durchstarten? Wird Acosta in seinem ersten Jahr zu den Gewinnern gehören? Ist Bagnaia stark genug für den Dreifachschlag? Und so weiter. Antworten werden folgen.)

Aber wie kann die ältere Weltmeisterschaft das Image des Juniorpartners mit den schmutzigen Fingernägeln loswerden, das dem Sport immer noch anhaftet trotz aller Wissenschaft, abstrusen Elektronik und raffinierten Marketing – und den viel ausgefeilteren dynamischen Gleichungen von Fahrzeugen mit einem beweglichen, selten stabilen Schwerpunkt. Zumindest im Vergleich mit einem Auto, das simpel wie ein Küchentisch auf vier Ecken gestellt wird. Ganz zu schweigen vom menschlichen Faktor, wenn man von einem F1-Fahrer nur die Oberseite seines Helms sieht, während die sportlichen Fähigkeiten eines MotoGP-Fahrers einen großen Teil der Faszination ausmachen.

Und dann die Sache mit der Gefahr. F1-Fahrer kommen von der Strecke ab und haben vielleicht einen Brummschädel. MotoGP-Fahrer schlagen auf dem Boden auf und haben Glück, wenn sie nur Prellungen davontragen. Aufregender, gefährlicher, sportlicher und technisch viel interessanter zu sein, war wohl zu wenig.

In der Formel 1 geht oft nicht vorrangig um den Sport, sondern mehr um das Drumherum. Dass die erste Runde im glitzernden Bahrain ein unglaublich langweiliges Rennen war, spielte keine Rolle. Die Formel 1 beanspruchte trotzdem alle Klicks für sich.

Wie könnte die MotoGP mithalten?

Also, ein Sexskandal in der Boxengasse ist längst überfällig. Keine unangebrachten Pimmel-Bilder oder Mobbing von weiblichen Nachwuchskräften, bitte... zu geschmacklos. Eher etwas reißerisch Amüsantes: Rivalen, die beim Partnertausch in den Motorhomes erwischt werden vielleicht.

Geschlechterfluidität könnte für jede Menge Schlagzeilen sorgen, aber man muss dabei sehr vorsichtig vorgehen. Es handelt sich um einen sensiblen Bereich, und dieser Absatz soll weder boshaft noch frivol sein. Denn es ist interessant, dass die Ausrichter der diesjährigen Frauenweltmeisterschaft bisher ein Problem ignoriert haben, mit dem sich viele andere Sportarten auseinandersetzen müssen: Was tun, wenn eine Transfrau auftaucht und zu gewinnen beginnt?

Physische Schlägereien wären eine gute Idee. Rossi und Max Biaggi sind einmal kräftig aneinandergeraten, aber die PR-Maschinerie hat erfolgreiche Schadensbegrenzung betrieben. Auch ein ernsthafter verbaler Schlagabtausch zwischen Lorenzo und Pedrosa wurde von keinem Geringeren als dem (ehemaligen) König von Spanien entschärft. Böser Fehler. Jorge Martín sieht im Allgemeinen so aus, als wäre er sofort bereit, etwas anzufangen, wenn er einen Fehler macht. Er sollte nicht aufgehalten werden.

Drogenschmuggel wurde bereits versucht (der frühere 500er-Champion Marco Lucchinelli wurde für eine Weile ins Gefängnis gesteckt, ebenso Juan Garriga, und das Paul Bird MotoGP-Team kam nicht viel weiter, als einer seiner Truckies an der Grenze mit Waffen und Drogen erwischt wurde. Aber niemanden, der nicht direkt involviert war, interessierte das wirklich. Das Gleiche gilt für Geldwäsche.

Natürlich kann eine überragende Persönlichkeit den Unterschied ausmachen. Aber solche Persönlichkeiten wie Barry Sheene und Valentino Rossi gibt es nur selten, und es scheint derzeit keine weiteren am Horizont zu geben. Nicht einmal das Genie von Marc Márquez hat die Fantasie beflügelt... und um fair zu sein, er ist ein durch und durch sympathisches Wesen.

Und dann ist da noch der Faktor Videokonsum. Netflix' «Drive to Survive» hat der Formel 1 einen enormen Schub gegeben. Amazons «MotoGP Unlimited» scheiterte daran, das Gleiche zu erreichen... nicht, weil es an sich weniger interessant war, sondern zumindest teilweise, weil übereifriger Schnellschnitt die unverzichtbaren Untertitel überlagerte, die aufgrund der überwiegend spanischen Dialoge in den Boxen erforderlich waren.

Vielleicht kommt der Aufschwung, wenn man sich an den Rockzipfel der F1 hängt. Es gibt bereits Gerüchte, dass der F1-Eigentümer Liberty Media eine Mehrheitsbeteiligung an der Dorna erwerben möchte, obwohl die Antimonopolvorschriften dem im Wege stehen könnten. Aber war es Zufall, dass Pramac Ducati seine Teamvorstellung in Bahrain am Vorabend des F1-Eröffnungsrennens abhielt, mit Unterstützung von Verbindungen innerhalb der Autoserie?

Andererseits verstärkt die Anbiederung an F1 nur den Status der schlechten Beziehungen. Hier ist eine bessere Idee: Lassen wir die MotoGP so, wie sie ist, mit einem Kern von Fans, die keine großen Netflix-Serien brauchen, um ihr Interesse aufrechtzuerhalten – weil die Rennen ohnehin so verdammt gut sind.

Es mag nur eine Nische sein. Aber es ist unsere Nische.

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