Rücktritt von Felipe Massa: Brasilien vor dem Nichts

Von Mathias Brunner
Felipe Massa

Felipe Massa

​Wenn Felipe Massa Ende November in Abu Dhabi in Formel-1-Rente geht, klafft hinter ihm ein schwarzes Loch: Erstmals seit 1970 wird es keinen brasilianischen Stammfahrer geben!

Treffen der Generationen in Mexiko: Die brasilianische Rennlegende Emerson Fittipaldi umarmte seinen Landsmann Felipe Massa. Fittipaldi, Formel-1-Weltmeister von 1972 und 1974 sowie Indy-500-Sieger und IndyCar-Champion, schaut immer bei Massa vorbei, wenn er einen Grand Prix besucht. Ihr Zusammensein ist von grossem symbolischen Charakter.

Denn Emerson Fittipaldi war der erste Formel-1-Stammfahrer im GP-Sport, als ihn Lotus-Chef Colin Chapman 1970 in die Formel-1-WM holte. Es begann eine Serie, die bis heute ungebrochen ist: Brasilien hatte immer Piloten in der Formel 1. Um nur die Wichtigsten zu nennen – Emerson und Wilson Fittipaldi, José Carlos Pace, Nelson Piquet, Ayrton Senna, Rubens Barrichello, Felipe Massa.

Brasilien schien ein unerschöpfliches Reservoir an vielversprechenden Piloten zu haben, doch nach Felipe Massa blicken die Fans in ein schwarzes Loch. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird die Saison 2018 das erste Jahr seit 1969 ohne brasilianischen Piloten mit Formel-1-Festanstellung.

Schon als Felipe wegen Schwindelgefühlen Ende Juli in Ungarn das Handtuch werfen musste (für ihn kletterte Paul Di Resta in den Williams), verfielen Statistiker ins Grübeln: Genau, es war 606 Rennen her, dass wir einen Grand Prix ohne Brasilianer im Startfeld erlebt hatten, beim Grossen Preis von San Marino 1982.

In den drei wertvollsten Nachwuchsklassen unterhalb der Formel 1 sieht es düster aus: Nur ein Brasilianer in der Formel 2, Sérgio Sette Câmara, der 19-Jährige ist derzeit Gesamtzwölfter. Nur ein Brasilianer in der GP3, Bruno Baptista (20) belegt den 20. Rang. Nur ein Brasilianer in der Formel-3-EM, Pedro Piquet (19) als Gesamt-14.

Schon seit Jahren fällt in Interlagos auf, dass die Zuschauerzahlen rückläufig sind. Während in Mexiko-Stadt 80.000 Fans zu einem Freitagtraining kommen, verliert sich in São Paulo ein Bruchteil davon auf den Tribünen.

Der grösste Grund für den krassen Unterschied bei den Zuschauerzahlen: Die Mexikaner gieren färmlich nach der Formel 1. In Brasilien hingegen hat sich eine gewisse Formel-1-Müdigkeit eingeschlichen.

Das liegt vorrangig an den Identifikationsfiguren. Den Fans ist seit Jahren klar, dass Felipe Massa Siegen und dem WM-Titel nie wieder so nahekommen würde wie zu seiner besten Saison 2008 – als er im Finale von Interlagos hauchdünn Lewis Hamilton unterlag.

Seither ist Massa sieglos. Hätten Sie gewusst, wer der vorherhand letzte brasilianische GP-Sieger ist? Es war Rubens Barrichello in Monza 2009, mit einem BrawnGP-Mercedes.

TV Globo, jahrelang der grosse Leuchtturm der Formel 1 in Brasilien, berichtet nur noch fragmentarisch aus der Formel 1. Der Sender muss sparen und hat Personal von den Strecken abgezogen. Zu Zeiten von Ayrton Senna wäre so etwas undenkbar gewesen.

Felipe Massa warnte schon vor zwei Jahren: «Globo ist aber noch immer die Informationsquelle Nummer 1 für die Fans, was unseren Sport betrifft. Aber wenn die immer weniger Berichte bringen, dann wird das nicht dazu beitragen, das Interesse wieder anzufachen.»

Wirtschaftskrise in Brasilien, immer neue Skandale um Korruption bei Privatfirmen und staatlich geführten Unternehmen, dazu kein neuer Senna weit und breit, das WM-Rennen bereits entschieden – das alles drückt die Stimmung.

Brasilien braucht dringend eine neue Lichtgestalt.

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