Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

MotoGP-WM 2017: Yamaha und Viñales als große Gewinner

Von Günther Wiesinger
Start in Termas de Río Hondo: Am Schluss gewinnt immer Yamaha

Start in Termas de Río Hondo: Am Schluss gewinnt immer Yamaha

Eine Zwischenbilanz nach 2 von 18 MotoGP-Rennen: Movistar-Yamaha hat alles richtig gemacht, Honda tut sich schwer, Ducati im Rückwärtsgang, Suzuki im Niemandsland.

Nach den ersten zwei MotoGP-WM-Läufen 2017 seine bereits erste Tendenz klar erkennbar.

Und meine Vermutung, dass der Weg zum Titel in diesem Jahr über Maverick Viñales führen wird, hat sich eindrucksvoll bestätigt.

Aber für diese Behauptung musste man ja keinen besonders großen journalistischen Spürsinn haben – denn der 22-jährige Spanier hatte alle vier Wintertests klar dominiert.

Movistar-Yamaha ist der große Gewinner der ersten beiden Grand Prix. Viñales und Rossi waren zweimal auf dem Podest, es gibt eine Doppelführung in der WM.

Renndirektor Lin Jarvis kann froh sein, dass Lorenzo nach neun Jahren abtrünnig geworden ist, denn Viñales hat nach zwei Rennen schon zwei Siege eingeheimst: Lorenzo hat 2016 in den letzten zwölf Grand Prix nur einmal gewonnen.

Durch die Verpflichtung von Viñales hat Yamaha mindestens soviel Fachkenntnis und Spürsinn bewiesen, wie 2008 bei der Verpflichtung von Lorenzo.

Dazu kommt: Yamaha macht traditionell kleine Schritte bei der technischen Weiterentwicklung, sie haben das beste Paket für die Rennen, das zeigt Rossi, der in Katar vom zehnten Startplatz auf Platz 3 brauste.

Repsol-Honda

Weltmeister Marc Márquez lässt das Team meist besser aussehen, als es in Wirklichkeit ist. Das ist mit extrem viel Risikobereitschaft verbunden und geht manchmal schief – wie in Termas de Río Hondo, wo Marc nach zwei Runden schon 2 sec voran lag.

Dani Pedrosa steht weiter klar im Schatten des Ausnahmekönners, er wird auch sein zwölftes Jahr bei Repsol-Honda nicht mit einem Titelgewinn krönen – trotz Riding Coach Sete Gibernau und trotz des neuen Crew-Chiefs Giacomo Guidotti, es ist der dritte in vier Jahren.

Pedrosa gewann im Vorjahr nur ein Rennen – genau so viele wie Jack Miller. Markenkollege Cal Crutchlow gewann zwei.

Ein alter Hut: Ohne Marc Márquez sähe es bei HRC traurig aus.

Aber die Fahrer werden bei HRC oft zum Spielball der Ingenieure, das hat in all den Jahren, als kein Doohan, Rossi oder Márquez vorhanden war, zu langen Durststrecken geführt.

2016 führte HRC den neuen Motor mit der gegenläufigen Kurbelwelle ein, jetzt den Big Bang, solche Konzepte gab es schon, sie wurden aber beseitigt, als man nur 20 oder 21 Liter Sprit verbrauchen durfte. Jetzt bei 22 Liter kommen sie wieder zum Vorschein.

Bei der Nachwuchsförderung hat Honda keine glückliche Hand: Pedrosa und Crutchlow sind 31 Jahre alt, Miller (im 3. Jahr) und Rabat (im 2. Jahr) sehen bisher nicht wie künftige MotoGP-Weltmeister aus.

Da haben sich Yamaha, Suzuki und Tech3-Yamaha schon geschickter verstärkt – mit Fahrern mit Viñales, Rins, Folger und Zarco.

Dabei kommen alle diese Fahrer aus der Moto2, wo Honda die Einheitsmotoren liefert. Aber dann landen die Talente alle bei der Konkurrenz.

Ja, klar: Honda will Marc Márquez kein ungemütliches Leben bereiten.

Aber diese nicht sonderlich weitblickende Politik kann ins Auge gehen.

Ducati Corse

Ducati tritt auf der Stelle. Daran kann auch die 12,5-Mio-Investition für Jorge Lorenzo nichts ändern.

Erinnern wir uns: Im Vorjahr lagen Dovizioso und Iannone in Termas de Río Hondo in der vorletzten Kurve der letzten Runde auf den Plätzen 2 und 3.

Und diesmal?

13. Startplatz für Dovizioso, 16. Startplatz für Lorenzo. Der eine stürzte in der ersten Kurve, der zweite wurde von Petrucci und Aleix Espargaró in die Zange genommen – und abgeschossen. Die Chance auf einen Podestplatz bestand nie.

Also Nullnummer für Ducati in Südamerika – wie für Repsol-Honda.

Eine schallende Ohrfeige: Álvaro Bautista steuerte seine Vorjahres-Ducati auf den grandiosen vierten Platz. Er war im Training schon meist schneller als die Stars aus dem Werksteam.

Hat sich Ducati übernommen? Konzentration auf Lorenzo, daneben aber 16 MotoGP-Bikes in vier Teams im Einsatz, drei Fahrer mehr als Honda, vier Fahrer mehr als Yamaha, drei Kundenteams, insgesamt drei Modelle aus den Jahrgängen 2015, 2016 und 2017 unterwegs, eine logistische Meisterleistung.

Aber so ein Großeinsatz birgt auch die Gefahr der Verzettelung. Renndirektor Gigi Dall’Igna kann sich nicht vierteilen, aber er muss bei jedem Fahrer einmal am Tag vorbeischauen, eine Mammutaufgabe.

Dazu hat er noch die Superbike-WM mit Chaz Davies und Marc Melandri am Hals, die er gegen die überragenden Kawasaki mit Johnny Rea und Tom Sykes gewinnen soll.

Klar, die drei MotoGP-Kundenteams bringen Ducati ein paar Millionen Leasinggebühren in die Kasse. Aber wenn man Giganten wie Honda und Yamaha erfolgreich bekämpfen will, muss man sich aufs Wesentliche konzentrieren und nicht auf Baz und Barbera.

Ducati hat nach dem Verlust der Open-Class-Privilegien Ende 2015 (weichere Hinterreifen, 2 Liter mehr Sprit, Motorenentwicklung nicht eingefroren, 2015 noch 12 statt fünf Motoren, keine Testrestriktionen) keine großen Glanztaten vollbracht.

Klar, es gab zwei Siege 2016, aber auch viele Rückschläge (kein Bike in den Top-Ten in Aragón), Dovizioso und Iannone landeten in der WM auf den Rängen 5 und 7.

Ich behaupte: 2017 wird es nicht besser aussehen. Der Titelkampf wird sch ohne Ducati abspielen. Es ist das vierte Jahr unter der Vorherrschaft von Heilsbringer Gigi Dall’Igna.

Suzuki Ecstar

Dass Andrea Iannone kein gleichwertiger Ersatz für Maverick Viñales sein würde, war zu erwarten.

Naja, und Alex Rins hat Talent, aber er wurde in der Moto3-WM 2013 von Alex Márquez geschlagen und verlor den Moto2-WM-Titel 2016 im zweiten Jahr gegen Johann Zarco.

Also wird sich Suzuki-Teammanager Davide Brivio die Frage gefallen lassen müssen, ob bei der Verpflichtung von Andrea Iannone nicht zu sehr sein italienisches Herz den Ausschlag gegeben hat.

Im Team hatten viele Mitglieder dafür plädiert, Aleix Espargaró zu behalten. Denn mt zwei Neulingen sei keine Kontinuität in der Entwicklung garantiert. Heute weiß man: Johann Zarco, der schon einen gültigen Suzuki-Vertrag für 2017 hatte, wäre als zweiter Fahrer die bessere Lösung gewesen als Rins. Doch Suzuki gab ihn an Tech3-Yamaha frei und bevorzugte Iannone und Rins.

Klar: Zarco (26) ist fünf Jahre älter als Rins. Aber er ist deutlich schneller und belastbarer. Er hat als einziger Fahrer zwei Moto2-WM-Titel gewonnen – dazu 15 Moto2-Rennen in zwei Jahren.

Und Rossi zeigt ja mit seinen 38 Jahren, dass das Alter nebensächlich ist.

Ein Suzuki-Duo Iannone/Zarco oder Aleix Espargaró/Zarco wäre aus heutiger Sicher auf jeden Fall interessant gewesen.

Inzwischen ist klar: Der Großteil der überraschenden Suzuki-Erfolge 2016 war der Fahrkunst von Maverick Viñales geschildet, der WM-Vierter wurde und viermal aufs Podest fuhr.

Aprilia Racing Team Gresini

Neuzugang Aleix Espargaró hat beim Katar-GP eine einwandfreie Leistung abgeliefert, er verlor im Rennen als Sechster nur 1 Sekunde auf Márquez und eine halbe auf Pedrosa. Das kann man jetzt als Heldentat von Aprilia und Aleix feiern oder als Armutszeugnis von Repsol-Honda bezeichnen, beide Meinungen sind berechtigt.

Fakt ist: Die Aprilia war schon ab Misano 2016 in den Rennen ein schlagkräftiges Paket, es wurde weiter verbessert.

Aber es bewahrheitet sich auch, dass der unverständliche Rauswurf von Bautista nach zwei mühseligen Entwicklungsjahren ein schwerwiegender Fehler war, denn Rookie Sam Lowes gilt bisher als Reinfall des Jahres, Das war vorhersehbar – nach seinen 38 Moto2-Stürzen im Jahr 2016.

Álvaro Bautista lacht sich ins Fäustschen: In Termas de Río Honda steuerte er die 2016-Ducati des Aspar-Teams auf den grandiosen vierten Platz. Es wird nicht das letzte Mal in diesem Jahr gewesen sein, dass er das Aprilia-Werksteam (null Punkte in Südamerika) blamiert hat.

Unbestritten ist: Die Aprilia RS-GP 17 hat den schwächsten Motor im Feld, das bringt Nachteile im Qualifying, dafür ist sie kein Reifenfresser, das macht sich in den Rennen bezahlt. Zumindest für Aleix Espargaró. «Lowes ruiniert die Rennreifen mit seiner Fahrweise sowieso nach acht Runden», sagte ein Aprilia-Teammitglied.

Red Bull KTM

Der Auftritt von MotoGP-Neuling Red Bull KTM kann sich durchaus sehen lassen. Firmenchef Stefan Pierer sprach immer von einem Lernjahr, und das Konzept der Innviertler beweist viel technologischen Wagemut und Einfallsreichtum. KTM tritt als einziger Hersteller mit einem Gitterrohrstahlrahmen an, als einziges Team mit WP Suspension und mit einem aggressiven Screamer-Motor.

In Argentinien kassierten Pol Espargaró (Platz 14.) und Bradley Smith (15.) die ersten Punkte. KTM-Berater Heinz Kinigadner sagt: «In der zweiten Saisonhälfte wollen wir bei den Top-Ten anklopfen.»

Dazu muss aber die überschüssige Kraft des 1000-ccm-V4-Motors gezähmt und einsetzbarer gemacht werden; beim Montag-Test nach dem Jerez-GP kommt ein Engine-Upgrade. Auch über einen Big-Bang wird nachgedacht.

Die Fahrer sind von der Begeisterung und der Professionalität von KTM (bisher 271 WM-Titel gewonnen) hingerissen. «Ich möchte in diesem Jahr 38 WM-Punkte sammeln», sagt Bradley Smith, der die Startnummer 38 trägt.

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