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Chris Vermeulen: «Stoner könnte Rennen gewinnen»

Von Ivo Schützbach
Chris Vermeulen

Chris Vermeulen

Der ehemalige MotoGP-Pilot Chris Vermeulen ist ein aufmerksamer Beobachter der Rennsportszene. Was sagt er zu Rossi und Márquez? Warum traut er Stoner Siege zu?

Der Australier Chris Vermeulen (33) war 2003 Supersport-Weltmeister auf der Ten-Kate-Honda und kämpfte in diesem Team 2004 und 2005 auch in der Superbike-WM ganz vorne mit, ehe ihn Suzuki für die MotoGP-WM 2006 verpflichtete. Er gewann 2007 den MotoGP-Regen-GP in Le Mans; es blieb bis heute der bisher einzige Sieg in der Viertakt-Ära für Suzuki.

Chris Vermeulen wechselte dann 2010 in die Superbike-WM zurück, blieb aber im Kawasaki-Werksteam wegen einer Knieverletzung erfolglos und trat Ende 2011 mit 28 Jahren vom Rennsport zurück.

In Le Mans wurde er 2012 kurz rückfällig, als er Colin Edwards im Forward-MotoGP-Team auf der Suter-BMW ersetzte.

Chris wollte dann MotoGP-Testfahrer bei Suzuki werden, wurde aber nicht berücksichtigt.

Jetzt lebt Vermeulen wieder in Australien. Seine englische Frau Toni hat inzwischen zwei Kinder zur Welt gebracht.

Chris Vermeulen verfolgt die MotoGP-WM und Superbike-WM heute als als TV-Kommentator für den australischen Sender «Fox Sports». SPEEDWEEK.com hat sich auf Phillip Island mit ihm unterhalten.

Chris, Rossi und Márquez sind seit dem Sepang-GP nicht gut aufeinander zu sprechen. Wird sich die Beziehung zwischen den beiden Rivalen normalisieren? Oder ist dieser Zug abgefahren?

Die Rivalität zwischen den Topfahrern ist riesig, sie können keine Freunde sein. Wir haben das bei Valentino schon immer gesehen: mit Biaggi, Gibernau und Stoner. Aber auch zwischen Márquez und Lorenzo und Pedrosa. Diese Jungs sind hier, um Rennen zu gewinnen und nicht um Freunde zu sein.
Rossi und Márquez werden keine Freunde mehr. Als Marc in MotoGP kam war das kein Problem, er war schnell und Valentino eines seiner Idole. Das hört aber schnell auf, wenn du gegeneinander kämpfst.

Kannst du den aktuellen Vorsprung von Yamaha gegenüber Honda erklären? Was haben sie die letzten Monate besser gemacht?

Schwer zu sagen, ich bin diese Motorräder nie gefahren.
Die Yamaha schaut so aus, als wäre sie einfacher zu fahren. Ich glaube auch, dass sie mit Lorenzo den besten Fahrer haben. Wahrscheinlich ist er im Moment der schnellste Fahrer der Welt. Dazu haben sie einen so erfahrenen Piloten wie Valentino. Zusammen liefern sie sehr viele Informationen, die Yamaha vorwärts bringen.
Pedrosa war letztes Jahr verletzt, er konnte Honda weniger Infos als normal liefern. Honda braucht diese Infos aber. Márquez ist immer noch relativ neu in MotoGP und sein Fahrstil ist anders.
Dieses Jahr sehen wir eine Standard-ECU von Magneti Marelli. Diese unterscheidet sich grundlegend von der bisherigen Honda-Elektronik. Für die Ingenieure von Yamaha und Ducati ist es offensichtlich einfacher zu verstehen wie diese genau funktioniert, Honda hat mehr daran zu knabbern.

Du hältst den puren Speed von Lorenzo für höher als jenen von Márquez?

Sie sitzen auf unterschiedlichen Bikes und groß ist der Unterschied sicher nicht. Marc kann genau so schnell sein wie Jorge, er ist aber nicht so konstant. Über eine Renndistanz liegt Lorenzo leicht vorne.

Ducati fährt dieses Jahr nach den gleichen technischen Regeln wie Yamaha und Honda und scheint trotzdem näher dran zu sein?

So weit waren sie letztes Jahr nicht entfernt. Vergiss nicht, Dovizioso beendete die ersten drei Rennen als Zweiter, Iannone hat einige starke Rennen gezeigt.
Ich glaube, dass die neuen Regeln mit der Einheits-ECU Ducati geholfen haben, um näher an die Spitze heranzukommen. Alle Ducati-Fahrer sind jetzt schneller. In Sepang stieg Casey Stoner auf das Bike und war auch schnell.
Für mich sieht es so aus als wäre es Ducati gelungen, dass sich das Motorrad jetzt einfacher fahren lässt – und es ist konkurrenzfähiger. Viel fehlt zu Yamaha und Honda nicht.

Dovizioso und Iannone siehst du aber nicht auf dem Level von Lorenzo/Rossi und Pedrosa/Márquez?

Nichts gegen die zwei Andreas, beide sind sehr schnell. Aber die anderen sind die vier Besten der Welt.
Iannone hat wenig Erfahrung, er lernt in MotoGP stetig dazu. Dovi lieferte zu Beginn der letzten Saison einen hervorragenden Job ab. Nach drei zweiten Plätzen sah es so aus, als könnte er um den Titel kämpfen. Aus unerfindlichen Gründen fiel er dann aber zurück. Lag es am Motorrad oder am Vertrauen, er konnte sich nicht mehr anpassen.

Werden wir Casey Stoner jemals wieder in einem Rennen sehen?

Darüber würde sich jeder freuen. Aber ich bin nicht Casey. Ich kenne ihn gut, aber nicht so gut. Wenn er sagt, dass er keine Rennen mehr fährt, dann glaube ich ihm.
Auf eine Art ist das traurig, er ist immer noch einer der Schnellsten. Gut vorstellbar, dass er auf einigen Strecken gewinnen würde. Oder zumindest um den Sieg kämpfen.

Du hast deine Karriere wegen Verletzungen beendet, Casey ein Jahre nach dem zweiten Weltmeistertitel. Es gibt doch sicher Tage, an denen ein Ex-Rennfahrer wehmütig wird und gerne wieder fahren würde?

Wenn du kein Vergnügen daran hast, wenn du es nicht mehr willst als alles andere auf der Welt, dann macht es keinen Sinn. Auf der Rennstrecke riskierst du alles, du musst es auf den Punkt bringen.

Ist Jack Miller so talentiert, wie HRC denkt?

Ohne Zweifel, er kann sehr gut Motorradfahren. Dass ihm HRC einen Drei-Jahres-Vertrag gegeben hat, ist eine Riesensache, das gab es nie zuvor. Sie glauben an seine Fähigkeiten.
Aber auch er musste die Erfahrung machen, dass konkurrenzfähig sein in Moto3 und Moto2 etwas anderes ist als in der MotoGP-Klasse. In der MotoGP reicht es nicht, nur schnell zu sein. Du musst alles zusammenbekommen, du musst trainieren, mit deinen Technikern arbeiten, die Unterschiede am Motorrad verstehen – alles.
In der MotoGP sehen wir die besten Fahrer der Welt, die meisten von ihnen haben eine Meisterschaft oder wenigstens Rennen gewonnen. Gegen diese Leute ist es nicht einfach. Das versteht Jack so langsam. Ich hoffe, dass er es dieses Jahr besser zusammenbringt und damit konkurrenzfähiger wird.

Vor 20 Jahren kam der Nachwuchs in der Weltmeisterschaft aus nationalen Serien. Heute sieht es so aus, als würde der Red-Bull-Rookies-Cup die zukünftigen Stars produzieren? Ist das der einzige Weg heute?

Es sieht so aus, die meisten Fahrer kommen so nach oben: Rookies-Cup, Moto3, Moto2, MotoGP.
Wenn du aus einem Nachwuchs-Cup oder danach aus der Moto3 und Moto2 kommst, dann hast du von jungen Jahren an härtesten Wettstreit. Außerdem bekommst du von den richtigen Leuten Unterstützung. Von Leuten, die viel über den Sport wissen. Die wissen, wie man Erfolg hat. Leute wie Alberto Puig, Emilio Alzamora, sie sind von Anfang an dabei und helfen jungen Fahrern. Das macht einen großen Unterschied aus.

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