Wayne Rainey und Misano: 25 Jahre danach

Von Günther Wiesinger
Vor 25 Jahren erlebte der dreifache 500-ccm-Weltmeister Wayne Rainey in Misano seinen verhängnisvollen Unfall. Der Yamaha-Star stürzte als 500-ccm-WM-Leader und sitzt seither im Rollstuhl.

Wayne Rainey gewann die 500-ccm-Weltmeisterschaft 1990, 1991 und 1992 auf der Marlboro-Yamaha im Team seines Freundes «King Kenny» Roberts. 1993 kämpfte er verbissen gegen Suzuki-Star Kevin Schwantz um den vierten Titel in Serie. Als die WM in die entscheidende Phase ging, knackste sich Rainey in Donington am 31. Juli am Samstag bei einem Crash einen Rückenwirbel an.

Sein deutscher Physiotherapeut Gerd Borghoff wollte den blonden Kalifornier zum Verzicht auf Brünn (22. August) und den Misano-GP (5. September) überreden; er warnte Wayne vor den ernsthaften Konsequenzen eines weiteren Sturzes. Doch Rainey wollte seine WM-Chancen nicht aufs Spiel setzen.

Borghoff legte konsequent seine Arbeit nieder.

Wayne Rainey stürzte im Rennen in Italien, mit verheerenden Folgen, er leidet seither an einer Querschnittslähmung und sitzt im Rollstuhl.

Rainey war ein vorbildlicher Rennfahrer, gewiss talentiert, aber er war auch ein emsiger Arbeiter. «51 Tage bin ich in der Off-season im Winter Dirt Track gefahren», sagte er mir einmal beim WM-Start im März.

1984 kam er erstmals für die 250er-WM nach Europa, aber die ungewohnten Schiebestarts brachten ihn zur Verzweiflung. Kenny Roberts schickte ihn für ein paar Jahre zurück in die US-Meisterschaft, bis auch in Europa Rennen mit stehendem Start eingeführt wurden.

Rainey: Der Besuch bei Reinhold Roth

«Not being able to walk is my smallest problem», sagte mir Wayne Rainey ein Jahr nach dem Unfall, der vor genau 25 Jahren in Misano passiert. Er wollte damit auf all die schlimmen Begleiterscheinungen hinweisen, die man in Kauf nehmen muss, wenn der Körper von der Brust abwärts gefühllos und untauglich wird.

Rainey übernahm bereits im folgenden Jahr 1994 das Yamaha-250-Werksteam von Roberts. Aber irgendwann sah er ein, dass er einen Fehler gemacht und seine Rehabilitation nicht vehement genug vorangetrieben hatte. «Ich muss alle Muskeln besser mobilisieren und stärken, die mir noch verblieben sind», sagte er und zog sich aus dem GP-Business zurück.

Als Wayne einmal eine etwas niedergeschlagen Phase durchmachte, forderte ich ihn auf, mit mir Reinhold Roth im Allgäu zu besuchen, der sich 1990 in Rijeka viel schlimmer verletzt hatte, weil er auch schwere Kopfverletzungen davongetragen hatte und seither ein Pflegefall ist.

Rainey düste mit dem Privatjet nach Deutschland, er fragte mich nachdem nächstgelegenen Flughafen. «Friedrichshafen», entgegnete ich und buchstabierte ihm diesen Namen. Rainey antwortete belustigt: «Hört sich an wie Fried Chicken.»

Der Besuch von Wayne bei Reinhold und seiner Familie bleibt für mich unvergesslich. An diesem Tag wurde mir bewusst: Unsere eigenen täglichen Probleme sind nicht der Rede wert.

Wayne Rainey hielt sich nach seinem Rückzug aus dem 250er-GP-Team beruflich einige Jahre zurück, er fuhr Go-Kart-Rennen mit Eddie Lawson und übernahm erst vor drei Jahren das Management der US-Meisterschaft, die er in Moto America umtaufte. Was ihn ärgert: Er hat bisher keinen neuen GP-Fahrer hervorgebracht.

In Waynes Ära gab es mit Hennen, Baker, Roberts, Mamola, Baldwin, Lawson, Schwantz, Chandler und Wayne selbst einen amerikanischen GP-Sieger nach dem andern.

Roberts gewann drei 500-ccm-Titel, Lawson vier, Rainey drei, Schwantz einen.

Das Duell um die 500-ccm-WM-Krone 1993 wurde besonders erbittert geführt.

Rainey hatte die WM-Führung drei Wochen nach dem Donington-Crash in Brünn mit einem überlegenen Sieg (7,7 sec vor Cadalora) zurückerobert. In der WM lieferten sich beiden Rivalen Schwantz und Rainey das ganze Jahr über erbarmungslose Fights.?

Schwantz wurde in Brünn nur Fünfter, wegen Problemen mit dem Grip und dem Chassis. In Donington war Schwantz durch den stürzenden Doohan aus dem Sattel befördert worden.

Es waren noch drei Rennen zu fahren: Misano, Seca und Jarama.
Nur elf Punkte trennten WM-Leader Rainey und Herausforderer Schwantz vor dem Rennen in Misano.

Beide Titelanwärter traten verletzt an. Rainey hatte sich fünf Wochen vor Misano in Donington einige Rückenwirbel gequetscht. Das Team Roberts engagierte sogar einen Rückenchirurgen, um den Weltmeister bei den restlichen Rennen zu betreuen.

Schwantz hatte in Donington seine rechte Hand beschädigt. Er erzählte, er hätte in Misano auf der Gegengeraden am liebsten mit der linken Hand das Gas aufgedreht...

War war bei Rainey in England passiert? Der Amerikaner stürzte am Samstag in der Zielkurve und landete auf seinem Allerwertesten. Auch ein Rückenwirbel wurde beschädigt. Trotzdem ging Wayne am Sonntag an den Start, aber er gab vor den Ärzten und vor Teamchef Kenny Roberts zu, dass er Doppelbilder sah. Deshalb war er froh, dass ihn Teamkollege Luca Cadalora im Rennen überholte und er ihn beschatten konnte. Rainey wurde Zweiter. Doohan räumte am Ende der Geraden in Runde 1 Schwantz und Barros ab.

Rainey siegte nachher in Brünn und stürzte in Misano im Rennen.

Rainey war im Misano-Qualifying schneller als Kevin gewesen, aber keiner war in einer wirklich guten Verfassung. Auch ihre Motorräder offenbarten Probleme. Rainey bekam bei seinem Yamaha-Werks-Chassis Hilfe vom französischen Hersteller ROC, auch die Dunlop-Reifen wurden verbessert.

Im Rennen führte Rainey vor seinem Teamkollegen Luca Cadalora, Schwantz lag 1,9 Sekunden zurück. Der Kalifornier witterte die Aussicht auf den vierten Titelgewinn in Serie.

In der 10. von 29 Runden warf Rainey seine YZR-Yamaha in eine mittelschnelle Rechtskurve, das war damals Turn 1, jetzt ist es die Zielkurve, weil die Fahrrichtung seit 2007 gedreht wurde. Cadalora erzählte als Augenzeuge, Rainey sei etwas vom Scheitelpunkt abgekommen, es gab dort eine Bodenwelle, sein Hinterreifen rutschte bei mehr als 160 km/h weg, dann fand er wieder Grip. Wayne stürzte ausgangs Turn 1 spektakukär, das Motorrad traf offenbar seinen Rücken. Beim Unfall wurde der sechste Brustwirbel zertrümmert, das Rückenmark wurde stark beschädigt, Wayne blieb regungslos liegen. Er war sofort von der Brust abwärts gelähmt.

«Ich erinnere mich an die zehn Runden. Ich war müde, es fühlte sich an, als hätte ich bereits eine komplette Renndistanz absolviert», schilderte Rainey später. «Im Nachhinein weiß ich: Ich hätte ich die Verletzung besser ausheilen lassen sollen. Aber ich musste Kevin besiegen! An dieser Gefahrenstelle, wo du bremst, das Bike umwirfst und das Gas aufdrehst, dort hatte ich ein Problem. Ich hatte keinen Highsider, aber das Hinterrad brach aus, ich wurde nach innen weggeschleudert. Deshalb flog ich vor dem Motorrad von der Piste, das Motorrad blieb mir auf den Fersen. Es verfolgte mich. So ist das alles passiert. Wir denken, dass mich das Motorrad getroffen hat.»

Nach diesem Unfall wurde 13 Jahre lang in Misano kein Grand Prix gefahren. Seit der GP-Sport 2007 zurückgekehrt ist, wird die Piste in der Gegenrichtung befahren.

Wayne Rainey gehört für immer zu den besten Rennfahrern, die dieser Sport jemals gesehen hat.

Bei der Erinnerung an ihn und seine Glanzleistungen bekomme ich Gänsehaut. Wayne war und ist eine Persönlichkeit, wie ich in diesem Sport nur wenige getroffen habe.

Er meistert sein Leben auch im Rollstuhl vorbildlich. Diese Leistung ist noch höher einzuschätzen als seine drei WM-Titel.

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