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Ducati: Sieg der Logik über die Leidenschaft?

Kolumne von Michael Scott
Der italienische Hersteller verkörpert Leidenschaft wie keine andere Marke, doch genau jene Leidenschaft brach den Roten fast das Rückgrat. Ein Kampf zwischen Leidenschaft und Logik.

Wer könnte schon die MotoGP-Teampräsentation von Ducati 2002 vergessen? Es war vielleicht die einzige gute Sache des Jahres, da der Wechsel zu den Viertaktern stattfand. Die Veranstaltung fand in Spanien statt, mit vielen Worten, aber nur einem Zweck. Das Wort, das am Anfang und am Ende fast jeden Satzes stand: Leidenschaft.

Einige Zeit lang schien die Leidenschaft allein auszureichen. Die Desmosedici waren von Anfang an sehr kraftvoll und leidenschaftlich schnell. Bei den Vorsaison-Tests des nächsten Jahres jagte Capirossi mit unglaublichen 341 km/h über die Gerade von Barcelona.

2003 gewann derselbe Fahrer auch den ersten Königsklasse-Grand-Prix für die Marke – ebenfalls in Spanien. In den nächsten beiden Jahren sorgte er für zwei weitere Siege und den ersten von drei in Motegi, dem Hinterhof der japanischen Hersteller. Drei Siege in der Saison 2006 machten ihn zum WM-Anwärter. Er hätte sie vielleicht gewinnen können, wäre er nicht von Teamkollege Sete Gibernau im Erste-Kurve-Desaster beim siebten Rennen in Barcelona niedergestreckt worden.

Stoner: Fluch und Segen für Ducati

Dann kam Stoner. Er war das Beste, was der Leidenschafts-Truppe hätte passieren können. Und gleichzeitig vielleicht das Schlimmste. Er siegte zehnmal und holte 2007 den Titel, Capirossi wurde Elfter. Doch Stoners genieartiges Talent verbarg die wachsenden Mängel der Maschine, als Designer Filippo Preziosi immer abenteuerliche «Lösungen» fand, welche im Karbon-Mini-Chassis gipfelten, das mit integrierter Airbox zwei Zwecke erfüllte.

Nicht einmal Casey konnte das immer größer werdende Untersteuern umfahren. In den nächsten beiden Jahren gewann er zehn weitere Rennen, aber er verlor auch oft die Front und stürzte. Sein vorangegangener Erfolg und die Tatsache, dass er weiterhin Rennen gewann, zeigten, dass jede Logik in der Rennabteilung durch die Gezeiten der Leidenschaft hinweg gewaschen wurde.

Rossis Albtraum in Rot

Es war auch Leidenschaft auf beiden Seiten, die Rossi dazu bewegte, 2011 den Platz des genialen Australiers einzunehmen. Es war ein italienisches Dream-Team. Der Satz «aus dem Traum wurde ein Albtraum» wurde bald das abgenutzte Klischee, das die Verzweiflung des sonst so optimistischen Rossis beschrieb – genauso wie jene seiner treuen Crew um Burgess.

Nach Jahren der Zusammenarbeit mit Honda und Yamaha, wo Leidenschaft nur als Antrieb für Logik und Methode genutzt wird, waren sie zuversichtlich, das Untersteuern schnell zu lösen. Doch die Zuversicht schlug schnell in Frust um.

Mechaniker Alex Briggs beschrieb mir, wie schwer es war, mit dieser Maschine zu arbeiten: unterschiedlich große spezielle Bolzen für unterschiedliche Stellen waren nur ein Problem, während die unzugängliche Suspension am Hinterrad unnötig Zeit kostete, welche die Maschine eher auf der Strecke gebraucht hätte. Diese Probleme erwiesen sich als unlösbar, weil es zwei Lager – eines an der Rennstrecke und eines im Werk gab. Die Kommunikation blieb im Gewirr von Politik und Stolz auf der Strecke. Die Leidenschaft half nicht.

Es bleibt eine interessante Frage: Hätte Rossi etwas aus der Ducati machen können, wenn die Situation anders gewesen wäre? Wenn die Truppe im Werk auf die Mechaniker gehört hätte? Wenn Designer Preziosi seinen Innovationsdurst unterdrück hätte, um mit dem zu arbeiten, was er bereits hatte?

Stattdessen wurde das gigantische Ansehen beider Seiten geschmälert. Es sah danach aus, als würde Valentinos Karriere unter der dunklen Wolke dieses Misserfolgs enden. Da er der Fahrer ist, der er eben ist, hat er es jedoch geschafft, sich zu rehabilitieren. Doch nur Dank Yamaha – frei von Leidenschaft.

Das bringt uns zur Saison 2015 mit einer neuen und genauso interessanten Frage zum diesmal gänzlich italienischen Team. Der an den Rollstuhl gefesselte Preziosi wurde Ende 2013 ersetzt, nachdem Audi Ducati übernommen hatte. Der erfolgreiche Aprilia-Sportchef Gigi Dall’Igna trat an seine Stelle.

Der Ingenieur mit dem dämonischen Ziegenbart nahm sich Zeit, nachdem er im letzten Jahr sagte, dass es seine erste Aufgabe sei, die Kommunikation zwischen Werk und Strecke effektiver und offener zu machen. Zur selben Zeit wurde die Desmosedici neu designt.

Dall’Igna machte von Anfang an klar, dass er sich nicht an die Ducati-Tradition binden will. Weder der 90-Grad-V-Motor, das Markenzeichen des Herstellers, noch die einzigartige Desmodromic-Ventilsteuerung sollten heilig sein.

Dall'Igna: Bruch mit der Tradition

Beim zweiten Test debütierte das neue Bike schließlich. Es stellte sich heraus, dass beide Aspekte beibehalten wurden. Der Erhalt des 90-Grad-V-Motors war nicht sehr überraschend, da dieser auch bei den dominanten Honda-Maschinen vorzufinden ist.

Die ?Einbaulage änderte sich beim GP15-Motor jedoch, er ist nun wie bei Honda nach hinten geneigt, aber sie bleibt der Desmosedici-Linie treu. Als die Andreas, Dovizioso und Iannone, die ersten Runden drehten war jedoch klar, dass eine Tradition auf der Strecke blieb. Erstmals wurde bei den Besprechungen in der Box das Wort «Untersteuern» nicht erwähnt.

Hat die Logik die Oberhand gewonnen? Hat die Leidenschaft nun auf dem Rücksitz Platz genommen? Kann Italien die Japaner nun wieder ernsthaft herausfordern? Die Saison startet bald, dann werden wir es alle wissen.

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