Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Formel V: Wie ein US-Boy die Austria-Stars rasierte

Kolumne von Rainer Braun
​Der 22. September 1968 ging als Tag der Schmach in Österreichs sonst so makellose Formel V-Historie ein, wegen eines bärtigen Mannes aus Amerika.

Beim Eifelpokalrennen auf der Südschleife des Nürburgrings gelang vor 55 Jahren einem US-Amerikaner mit einer US-Konstruktion zum ersten Mal, was zuvor noch keinem anderen außereuropäischen Formel V-Piloten vergönnt war: Der 30 Jahre alte Bill Scott schlug die siegverwöhnten Österreicher geradezu vernichtend. Und zwar so deutlich, dass es richtig weh tat.

Eigentlich hätten alle vorgewarnt sein müssen, denn schon ein paar Wochen zuvor beim legendären Regen- und Nebelrennen auf der Nordschleife zeigte sich US-Boy Bill Scott als bärenstarker Kämpfer und landete nur ein paar Sekunden hinter Sieger Dr. Helmut Marko auf Rang 2. Der bärtige Mann aus Übersee blieb danach gleich da und trainierte eifrig auf der 7,7 km langen, tückischen Südschleife.

Und dann rückten sie alle an zum Finallauf des Europa-Pokals, die Stars der Zunft aus Österreich, Deutschland, Benelux, Schweden und weiteren Nationen.

Am verregneten Renntag benötigte Scott mit seiner US-Konstruktion «Zink Special» nach total missratenem Qualifying von Startplatz 14 nur drei Runden, um durchs gesamte Feld an die Spitze zu stürmen.

Etwa 30.000 Zuschauer erlebten staunend, wie der US-Boy einen nach dem anderen mit geradezu spielerischer Leichtigkeit kassierte und die vermeintlich unschlagbaren Supermänner und Dauersieger Huber, Marko, Riedl, Pankl & Co. in ihren Kaimann und Austro V ziemlich alt aussehen ließ.

Als nach 15 Runden die Zielflagge fiel, hatte Scott knapp 20 Sekunden Vorsprung auf Werner Riedl und Günther Huber. Für damalige Formel V-Kräfteverhältnisse eine Welt.

Riesenjubel bei der mitgereisten Abordnung von VW of America, Sprachlosigkeit im Lager der Österreicher und Europäer. Nur Formel V-Europa-Geschäftsführer Anton Konrad und VW-Chef Dr. Carl Hahn jubelten angesichts des US-Sensationssieges («das Beste, was der Formel V passieren konnte», O-Ton Konrad).

Selbst die Tatsache, dass es in der Endabrechnung der EM einen klaren vierfachen Triumph der Österreicher gab, konnte die Tageslaune der so brutal abgebürsteten Herrschaften nicht wirklich verbessern.

Auf dem Siegerpodium sah man dann auch irritierte Österreicher und einen gut gelaunten VW-Vorstand Dr. Hahn, der schon bei der Zieldurchfahrt von Scott einen Luftsprung vollführt hatte. Immerhin war er noch bis vor kurzem VW-Vertriebschef in den USA und dort maßgeblich am Aufbau der Formel V beteiligt. Scott gehörte in Hahns US-Zeit zu dessen Schützlingen.

Zwei Jahre nach diesem grandiosen Sieg wurde der Nürburgring als Stätte seines größten Triumphs für Bill Scott allerdings zum Albtraum. Beim Überqueren der Hauptstraße in Adenau wurde er von einem PKW erfasst und schwer verletzt. Komplizierte Bein- und Knochenbrüche sowie innere Verletzungen setzten ihn lange außer Gefecht. Seine vielversprechende Rennfahrer-Karriere schien beendet.

Doch der willensstarke Scott, nach Genesung dauerhaft auf einen Gehstock angewiesen, kämpfte sich trotz seiner Behinderung ins Cockpit zurück und gewann in den Jahren danach noch zahlreiche Formel V-Championate in seinem Heimatland USA.

Mit Tom Milner Sen. als Geschäftspartner betrieb er zuletzt einen eigenen Rennstall und brachte in seiner «Anti Terrorist Driving School» Chef-Fahrern und Personenschützern aus Politik, Militär und Wirtschaft bei, was im Ernstfall zu tun ist.

Am 7. Dezember 2009 erlag Scott, der so nebenbei auch noch Geologie-Professor war, im Alter von 71 Jahren in Middleburg/Virginia nahe Washington einer Krebserkrankung.

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